Es ist der Abend von Clemens Dönicke und Dietmar Nieder. Die unbedingte Spiellust der beiden Schauspieler dominiert die zweite Premiere am Theater Oberhausen in der Intendanz von Florian Fiedler. Dabei ist „Amok“ nach dem Roman von Emmanuel Carrère keine echte Premiere, sondern eine Übernahme vom Theater Osnabrück. Es ist nicht ungewöhnlich beim Start einer neuen Intendanz, bestehende Produktionen zu zeigen, um erstmal Spielplanpositionen zu besetzen. Mit „Amok“ wurde auch der neue Saal 2 – der ehemalige Malersaal – eingeweiht.
Carrère erzählt in seinem Roman die Geschichte von Jean-Claude Romand, der sich ein Leben samt Doktortitel und Anstellung bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf zusammengelogen hat. Jahrelang
Mario Salazar hat das Stück zur Zeit geschrieben. Nur zwei Tage vor der Bundestagswahl, bei der mit der AfD eine Partei rechts der CSU und des demokratischen Spektrums in den Deutschen Bundestag einziehen wird, flutet der junge Berliner Autor die Bühne des Oberhausener Theaters mit einem Panoptikum von Rassisten. Zugleich ist die Uraufführung des Stückes die Eröffnung der Intendanz von Florian Fiedler, der das Haus seit dieser Spielzeit von Peter Carp übernommen hat.
Die titelgebenden Schimmelmanns sind eine großbürgerliche Familie in deren Mitte wortwörtlich Mutter Rosi thront.
Hätten Philip Glass und Robert Wilson Kay Voges gekannt, sie wäre garantiert nicht so unvorsichtig gewesen, eine Szene im vierten Akt der Oper „Einstein On The Beach“ „Spaceship“ zu nennen. Dass dem Regisseur und Intendanten des Dortmunder Schauspiels und seiner Kostümbildnerin Mona Ulrich bei diesem Titel die Fantasie durchgeht, war eigentlich klar. Da winkt gerade noch die Sängerin mit der Gehirnfrisur huldvoll dem abhebenden Raumschiff hinterher, während die Mitglieder des Chorwerk Ruhr als zottelige Außerirdische durch die Zuschauerreihen turnen und auf der Bühne zwei plüschige Moleküle sich übereinander schmeißen,
Zehn Darstellende in 57 Rollen – Joël Pommerats Szenenfolge ist zuallererst ein Text für ein Schauspielensemble. 20 kleine Etüden über die Liebe reihen sich aneinander. Einziger Zusammenhalt ist das gemeinsame Thema, in jeder Szene treten neue Personen auf, einen Handlungszusammenhang gibt es nicht. Intendant Kay Voges betont, dass genau deshalb das Stück auf dem Spielplan sei, um wieder einmal in ganz klassischem Schauspielertheater („garantiert ohne Video und Experimente“) seinem Ensemble die Möglichkeit zu geben, seine Qualitäten ausspielen zu können. Regisseur Paolo Magelli ist für solch einen Text zunächst genau der richtige,
Wer die Inszenierungen des Dortmunder Intendanten Kay Voges aus den vergangenen Jahren betrachtet, könnte sie leicht für das Alterswerk eines Regisseurs halten. „Das goldene Zeitalter“, „Die Show“ und „Borderline Prozession“ sind Arbeiten an der Conditio Humana und grundsätzliche Befragungen der Möglichkeiten und Bedingungen des Theaters. Sie alle kamen so fundamental daher, als fasse Voges in ihnen noch einmal zusammen, was er in seinem Leben im und für das Theater erfahren hat. Und nun das: „hell / ein Augenblick“. Eine zutiefst persönliche Meditation über die Erinnerung und die Auflösung. Ein radikaler Abschied, der unweigerlich an Derek Jarmans „Blue“ denken lässt.
Kay Voges ist 44 und also viel zu jung für sein Alterswerk. Bei „hell / ein Augenblick“ steht am Beginn die Frage nach einer Verbindung von Fotografie und Theater. Eine Verbindung, die erst geknüpft werden muss und letztlich zur Auflösung des Theaters führt, denn die Fotografie existiert im Theater eigentlich nur als Marketinginstrument, als Behelfsmittel, um das Publikum in die Aufführungen zu locken. Gelungen ist Theaterfotografie genau dann, wenn sie vermittelt, dass auf der Bühne etwas passiert, dass dort Bewegung ist, die ein Foto eigentlich nicht abbilden kann. Anders als der Film, der immer eine Reihung von Einzelbildern ist und zumindest theoretisch wieder in diese Momente zerlegt werden kann, ist das im Theater eben nicht möglich. Der Augenblick im Theater ist immer echt und nicht wiederholbar. Dem Theater ist das Vergängliche eingeschrieben, gegen das sich die Fotografie mit ihren Möglichkeiten anstemmt.
Choderlos de Laclos schrieb den berühmten Briefroman, Christopher Hampton schuf die Bühnenversion, Steven Friers verfilmte die Geschichte um die Marquise de Mertheuil und den Vicomte de Valmont, die sich als ehemaliges Liebespaar in der Kunst der Verführung üben und einen skrupellose Wette um die Unschuld von Cecile eingehen. Doch dann gelingt es ihnen nicht, das wahre Gefühl aus ihrem Spiel heraus zu halten und zuletzt zerbrechen alle Beteiligten an der wahren oder nur vorgetäuschten Liebe.
In Oberhausen inszeniert nun Lily Sykes den Text. Friederike Meisel hat dafür in den Malersaal ein Podest in die Mitte des Raumes gebaut und mit halbtransparenten weißen Vorhängen zu
Goethes Faust ist Abiturstoff. Das ist durchaus eine relevante Information, die nicht nur erklärt, warum Faust derzeit in verschiedenster Form auf Spielplänen zu finden ist, sondern auch die Inszenierung am Theater Oberhausen stilistisch rechtfertigt. Im Gegensatz zu vielen Inszenierungen der vergangenen Jahre, die sich mühten, den verquasten zweiten Teil des deutschen Großdramas auf die Bühne zu hieven, beschränkt sich Regisseur Pedro Martins Beja gezielt auf den ersten Teil. Da steckt ja auch schon genug Arbeit drin, denn auch wenn der Faust Goethes wohl bühnentauglichstes Werk ist, zuviel Gedankenschwere und zu wenig Lust am originär Dramatischen haften auch ihm an, auch wenn Goethe im
Im Sommer vergangenen Jahres musste das Schauspiel Dortmund sein Haus in der Innenstadt verlassen und in die provisorische Spielstätte „Megastore“ in Hörde umziehen. Im November 2016 sollte es zurück gehen, doch daraus wurde nichts. Der Neubau des Werkstätten- und Bürotraktes neben dem Schauspielhaus verzögerte sich, weil im Untergrund alte Fundamente aufgetaucht waren, mit denen niemand gerechnet hatte. Intendant Kay Voges musste daraufhin seinen Spielplan über den Haufen werfen und für den Megastore neu planen. Nun vermeldeten die Zeitungen der Funke-Gruppe, dass eine weitere Verzögerung ansteht und Kay Voges und sein
Vergangene Spielzeit inszenierte Sascha Hawemann „Eine Familie“ von Tracy Letts am Dortmunder Schauspiel. Hawemanns aufgebrochene, auf das theatral unfertige zielende Ästhetik und die manchmal allzu glatte Oberfläche des amerikanischen Well-made-Plays prallten hart aufeinander und die Reibung, die daraus entstand, ließ nicht immer Funken sprühen. Nun nimmt sich der Regisseur mit „Furcht und Elend des Dritten Reiches“, das am 10.12. im Megastore Premiere feierte, Bertolt Brecht vor. Dass in diesem Fall Autor und Regisseur in ihrem Theaterverständnis weitaus einiger sind, war abzusehen.
Schon einmal inszenierte Intendant Peter Carp einen waschechten Thriller in Oberhausen: „Waisen“ von Dennis Kelly war eine seiner besten Arbeiten. Bereits am 4.11. hatte „GB84“ Premiere. Ein Politthriller nach dem monumentalen Roman von David Peace über den Bergarbeiterkampf, der 1984 Großbritannien erschütterte. Rund drei Stunden Zeit nimmt sich Carp, um das Geschehen in mehreren miteinander verzahnten Handlungssträngen auf die Bühne zu bringen. Die Textfassung dazu erarbeitete Stefanie Carp – Schwester des Intendanten und designierte Triennale-Intendantin – aus dem 500-Seiten-Roman. Und erneut gelang Carp hier eine hochspannende Inszenierung. Das mag auch an den historischen Ereignissen liegen,
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