Schauspielhaus Dortmund: „Die schwarze Flotte“ und Was sie schon immer über Journalismus wissen wollten

Die schwarze Flotte (Andreas Beck); Foto: Birgit Hupffeld
Die schwarze Flotte (Andreas Beck); Foto: Birgit Hupffeld

Wie entstehen spannende Reportagen, investigative Stories, aufwendige Recherchen? Diesen Fragen geht Intendant Kay Voges in dem Stück „Die schwarze Flotte“ nach. Auf großen Schiffen und Tankern werden Waffen, Drogen und Menschen weltweit transportiert. Ob Flüchtlinge aus Syrien, Drogen aus Marokko oder Waffen aus Russland – die Händler des Todes interessiert das nicht. Denn es geht um viel Geld. Dahinter steckt ein Netzwerk aus Kriminellen, Angehörigen der Mafia und möglicherweise auch einigen Regierungen. Wer hinter dem Riesengeschäft steckt, wer die Schattenleute sind und wer das ganz große Geld mit diesem Handel macht, recherchierte der Rechercheverbund CORRECT!V.

Die Rolle des Journalisten spielt Andreas Beck – als (Proto)typ der schreibende Zunft ist er überzeugend. Er schwitzt, verzweifelt, sinniert, rennt gehetzt hin und her, sammelt Fakten, scrollt durch ewig lange Datenlisten, verbindet kleine Eckpunkte miteinander, verknüpft Informationsbruchstücke und sucht nach Quellen, die verlässlich sind. Er ist getrieben von Neugierde, dem Wunsch die Welt zu verstehen und dem Ehrgeiz, eine gute Story zu finden. Seine Figur des leidenschaftlichen, investigativen Journalisten legt Andreas Beck irgendwo zwischen dem wunderbaren Dude und dem großen Michael Moore an.

Beck bestreitet den Abend im Monolog (eine Meisterleistung!). Man darf ihn in dem intensiven inneren Prozess und seinen Recherchen begleiten. Was an manchen Stellen wie ein spannender Krimi klingt, nach einem Scoop, kann schon im nächsten Moment in sich zusammenbrechen. Ein Verbindungsstück fehlt, eine falsche Auskunft legte die verkehrte Fährte.

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Schauspiel Dortmund: Megaparty im Megastore

Schauspielhaus-Dortmund_1Am Samstag eröffnete das Schauspielhaus Dortmund seine neue Spielzeit 2016/2017 mit der #MegaOpenAir Party. Über 300 Gäste feierten bis spät in die Nacht ihr Schauspiel. Neben dem Kessel Buntes aus Pommes, Hüpfburg und Bierständen machte Musikchef Tommy Finke als Singer-Songwriter und die Poetry-Sound-Kombination Shaban und Käptn Peng allerbeste Partylaune. Im ernsten Teil des Abends wurden vier Preise in unterschiedlichen Kategorien an das Schauspiel vergeben.

Der Verein Dortmunder für ihr Schauspiel zeichnete zur Spielzeiteröffnung 2015/2016 herausragende Schauspieler/innen und Inszenierungen der vergangenen Spielzeit aus. Verdient und fast zu erwarten, erhielt die Borderline Prozession als beliebtestes Stück den Publikumspreis. „Ein Theaterwunder“ fasste der Laudator das Stück in einem Wort zusammen. Intendant Kay Voges freute sich – der Preis sei eine ganz besondere Ehre, denn er zeige, dass die Arbeit des Schauspielhauses vom Publikum geschätzt wird. Dann gab er die Auszeichnung schnell an sein Team weiter. Das Ensemble würde auch schwierige Situationen meistern und hätte selbst bei den herausfordernden Proben zur Borderline Prozession standgehalten – nach dem Motto „wir gehen mit dir auf die Reise, auch wenn wir keinen Text haben“.

Eine Überraschung des Abends war die Auszeichnung des „17. Ensemblemitglieds“ als bester Schauspieler/in. Der etwa 100 Mitglieder starke Dortmunder Sprechchor bekam den begehrten Preis. Der Sprechchor habe unter der Leitung von Alexander Kerlin, so die Begründung der Jury, das Theater für die Bürgerinnen und Bürger in Dortmund geöffnet. In Produktionen wie “Das Bildnis des Dorian Gray” und “Das schweigende Mädchen“ konnte er zeigen, was die „Zusammenführung vieler Stimmen im Theater atmosphärisch erzeugen kann“.

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Premiere am Schauspielhaus Dortmund: Geächtet (Disgraced)

Geächtet (Disgraced): Bettina Lieder, Merlin Sandmeyer ©Birgit Hupfeld
Geächtet (Disgraced): Bettina Lieder, Merlin Sandmeyer ©Birgit Hupfeld

Aktueller kann ein Stück kaum sein: Es geht um Identität und Herkunft, um Islamophobie und Rassismus, um Assimilation und Antisemitismus. Man könnte einen Theaterabend erwarten, der sich politisch korrekt mit diesen aktuellen Konfliktthemen auseinandersetzt. Doch so einfach wird es einem in Ayad Akhtar’s „Geächtet (Disgraced)“ nicht gemacht. Statt einem kultivierten Diskurs, kommt es in dem Upper-Class Wohnung zum Clash der Kulturen und Religionen. Die gelebte Toleranz im Melting Pot New York scheint in dem Mikrokosmos des Apartments auf einmal nur noch eine billig-glitzernde Illusion zu sein. Vorurteile und Selbstverleugnung drängen mit Macht an die Oberfläche. Der Abend unter Freunden steuert ungebremst auf eine emotionale Katastrophe zu.

Eine große weiße Wand mit schemenhaft gezeichneten Nationalflaggen von Afrika, Pakistan und den USA bildet den Hintergrund. Das Bühnenbild weist auf die unheilvolle Entwicklung des Stückes hin und lässt das Publikum Teil der dramatischen Entwicklung werden. Als die Künstlerin Emely wütend eine weiße Leinwand dem Publikum entgegen hält, kann man sich der Szene nur schwer entziehen. Die tief sitzenden Ressentiments, auf deren Grundlage wir unsere Identität konstruieren, sind vor allem eines: Projektionen.

Das Stück erläutert nicht, erklärt wenig, lässt vieles offen. Regisseur Kay Voges lässt das Publikum allein mit den beiden Pärchen, die mit roten Augen und clownesken Gesichtern an Stephen Kings Horrorclown Pennywise und Batmans Gegenspieler Joker erinnern. Das Lächeln  – zu einem breiten rotverschmierten Dauergrinsen verzerrt – lässt einen erschaudern.

Man gibt sich in der New Yorker Gesellschaft intellektuell, liberal und natürlich weltoffen. Doch glücklich scheint hier trotz des hohen Anwalts-Salärs und der 600 Dollar-Hemden, niemand zu sein. Die Atmosphäre ist unbehaglich, die Dialoge hektisch, die Bewegungen starr und unnatürlich. Selbst ein Kuss ist eine Luftnummer und wirkt wie eine Ohrfeige – nicht wie eine Liebkosung.

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Schauspielhaus Dortmund: Der musikalische Leiter Paul Wallfisch sagt „Good Bye!“

LOGO-small-beast-GIRLfinal-art-1_2 Das Schauspielhaus Dortmund verabschiedet sich von seinem musikalischen Leiter, Paul Wallfisch. Mit einer zweitätigen Gala feierte der New Yorker Künstler gemeinsam mit dem Dortmunder Ensemble und den Zuschauer seinen Abschied. Neben einer Rede von Schauspielchef Kay Voges gab es rote Rosen, viel Wein und jede Menge Musik. Wallfisch wird vielen in bester Erinnerung bleiben. Nicht nur als Theater-Komponist, sondern auch mit dem wunderbaren Musiksalon „Small Beast“, begeisterte er fünf Jahre lang das Dortmunder Publikum.

Kay Voges sah man den Abschiedskummer an. Er hatte den zwischen Europa und USA pendelnden Musiker Paul Wallfisch – „ein Freund“ – 2010 nach Dortmund geholt. Der Gründer der Kult-Band Botanica, die auch schon am Schauspielhaus Dortmund auftrat, bewegt sich musikalisch zwischen Postpunk, Tom Waits-Sound und hintergründigen Rock. Fast perfekt also für ein Schauspiel, dass seit der Ära Voges immer wieder durch innovative Musik-Schauspiel-Stücke, wie Woyzeck, Republik der Wölfe, Der Meister und Margarita, Elektra oder dem preisgekrönten „Einige Nachrichten aus dem All“ (Wolfram Lotz) für überregionale Aufmerksamkeit sorgte.

Mit Wallfisch zog auch das kleine Veranstaltungsformat zwischen Profi-Gig und Jamsession mit dem Namen „small beast“ von New York nach Dortmund – ein gelungener transatlantischer Kulturaustausch! Er schuf damit nicht nur Spielraum für Experimentelles, sondern es gelang ihm auch musikalische Sternstunden mit Szenegrößen zu entfachen. „Dieses kleine Biest ist eingeschlagen wie eine Bombe – musikalisch höchst interessant wie experimentell und auf Weltniveau!“ schrieb Smag begeistert. In der intimen Club-Atmosphäre waren von der New Wave-Queen Lydia Lunch bis zur britischen Newcomerin Gemma Ray im Laufe der Jahre viele spannende Musiker zu Gast – internationaler Glamour für Dortmund.

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The Return of „Das Goldene Zeitalter“ – Wiedersehen macht Freude

The Return of DAS GOLDENE ZEITALTER, Caroline Hanke
The Return of DAS GOLDENE ZEITALTER, Caroline Hanke und Björn Gabriel

Am Freitag feierte „The Return of ‚Das Goldene Zeitalter‘ – 100 neue Wege dem Schicksal das Sorgerecht zu entziehe'“ am Schauspielhaus Dortmund Premiere. Der Abend war ein ebenso fröhliches Theaterspektakel, wie die Originalversion. Die war so schön, das eine Wiederholung ein Gewinn für die Spielzeit 2014/2015 ist. Und eigentlich auch ein Muss – ist doch das Grundmotiv des Stückes, das von Alexander Kerlin und Kay Voges inszeniert wurde, die Wiederholung. Das Publikum freute sich offensichtlich, lachte viel und verliess kaum den Theatersaal, obwohl man sich bei der Vorstellung des Goldenen Zeitalters mit Getränken versorgen kann. Doch wer springt schon mitten in der Fahrt aus einer Achterbahn? Die Zuschauer schienen weder erholungsbedürftig, noch mochten sie beim Sekt- oder Bierholen irgendetwas vom Stück verpassen. 

Zum Beispiel den Erklär-Bär, der wie Balou über die Bühne trottet, bevor er sich als wahrer Massaker-Bär entpuppt – und glücklicherweise (bevor er wieder zum erneuten Leben erwacht) in den Theatergraben fällt. Aber es gibt auch jede Menge anderer Wiedersehen mit „Vertrauten“. Zum Beispiel mit der sehr lieb gewonnen, nimmersatten Raupe, die auf die Hilfe ihres Regisseurs, wahlweise des Publikums hofft und wacker gegen Widrigkeiten des Treppensteigens ankämpft.

Nicht nur die Raupe, auch die zauberhaften Blumen, die direkt Alice’s Wunderland entsprungen sein könnten, zeigen echte kostümbildnerische Kunst. Pia Maria Mackert hat eine wundervolle Welt der Phantasiewesen geschaffen. Zu ihnen gehören neben einem schwarzen Engel und einer Qualle im Tütü auch die beiden Verliebten Adam und Eva, die einfach nur zum kn(a)utschen sind. Bei Adam hilft zwar zum Schluss beim Flirten nur noch mädchenhaftes Rabiatsein – aber Ende gut, Apfel gut.

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Elektra im Schauspielhaus Dortmund: IS, Pegida und Revolte

Henker/Bauer: Frank Genser Elektra: Caroline Hanke Chor: Bettina Lieder, Merle Wasmuth Pylades: Carlos Lobo Orest: Peer Oscar Musinowski Klytaimnestra: Friederike Tiefenbacher Live-Band: Geoffrey Burton, Larry Mullins alias Toby Dammit, Paul Wallfisch Elektra (als Kind): Alice Simon Orest (als Kind): Leonhardt Walkenhorst
Elektra, Foto: ©Edi Szekely

Regisseur Paolo Magelli und Dramaturg Alexander Kerlin haben sich in der Inszenierung von „Elektra“ nach Euripides viel vorgenommen. Zu viel. Das Stück bietet ausreichend Stoff, um es in die moderne Zeit zu übertragen. Das über 2400 Jahre alte Stück ist immer noch relevant, in den vergangenen Jahrtausenden haben sich die grundlegenden Fragen des menschlichen Seins nur wenig verändert: Macht, Loyalität und Rache sind heute genauso aktuell wie damals.

Alles dreht sich um einen Königsmord, der an Agamemnon begangen wurde. Sein Sohn Orest kehrt nach seiner Flucht vor den Mördern nach Hause zurück, um den Tod seines Vaters zu rächen. Auch Elektra, die Tochter des erschlagenen Königs, will sich mit der Mordtat ihrer Mutter nicht abfinden. So ist voller Hass gegen ihre Mutter und jetzige Königin, die sich die Macht mit dem neuen König, ihrem Liebhaber, teilt. Regisseur Magnelli sieht in der Figur der Elektra das „Symbol der politischen Unzufriedenheit, die personifizierte, reine Revolte“.

Mit dieser Interpretation wird das Stück in die Jetzt-Zeit geholt. Regisseur Paolo Magelli, Intendant des Teatro Metastasio Stabile della Toscana, doch möchte keine soziologische Analyse auf die Bühne bringen, sondern: „Diese politische Klaustrophobie, die ich persönlich erlebe, kann ich nicht ertragen und muss daher versuchen (…) sie zu verarbeiten.“

Dramaturg Alexander Kerlin hält sich an die ursprüngliche Geschichte, krempelt sie aber gleichzeitig radikal um. Ein guter und interessanter Plan. Kerlin schrieb das über 200 Seiten starke Stück nicht nur umfassend um, sondern aktualisierte es bis zum letzten Probentag mit den sich überstürzenden aktuellen Ereignissen. In die Tragödie wurde work in progress der Mordanschlag auf Charlie Hebdot, die rechtspopulistische Pegida-Bewegung, die ansteigenden Flüchtlingszahlen, die IS-Morde in Syrien und im Irak und – ganz allgemein – die „ideologische Verwirrung“ angesichts uneindeutiger politischer Verhältnisse verarbeitet. Ein bisschen Kapitalismuskritik musste auch sein. Überraschend war schon eher das Zitieren von Bundespräsident Joachim Gaucks Statement: „Euer Hass ist unser Ansporn“.

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Lesung im Schauspielhaus Dortmund: Blackbox Abschiebung!

Journalist Miltiadis Oulios; Foto: Herby Sachs
Journalist Miltiadis Oulios; Foto: Herby Sachs

Das Schauspiel Dortmund veranstaltet am Dienstag, 9.Dezember 2014 eine Lesung in deutscher und arabischer Sprache zur Politik der Abschiebung von und mit Miltiadis Oulios. Der Journalist und Sozialwissenschaftler plädiert für einen radikalen Wandel im Denken und für das Recht, seinen Ort frei wählen zu können und nicht abgeschoben zu werden. Angesichts der sehr umstrittenen Asylrechtsverschärfung ist die Veranstaltung ein Beitrag zur aktuellen Asyldebatte.

Internationale Mobilität ist heute gewünscht, Fachkräfte sind überall herzlich willkommen. Aber wer es bis Deutschland geschafft hat, ist noch nicht am Ziel: Denn Deutschland schiebt in großer Zahl ab, wenn der Asylantrag abgelehnt wurde. Im Juni 2014 lebten rund 143.000 Ausreisepflichtige in der Bundesrepublik – Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Von ihnen wurden im ersten Halbjahr diesen Jahres bereits 5700 Menschen abgeschoben. Trotzdem soll demnächst noch rigoroser abgeschoben werden und auch die Haftgründe sollen verschärft werden. Im neu formulierten Gesetzentwurf zur „Neubestimmung von Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigungreicht“ reicht für eine Inhaftierung eines Asylsuchenden aus, dass bei einer unerlaubten Einreise Geld an einen Schleuser gezahlt wurde.

Der Journalist Miltiadis Oulios fragt: Was heißt das eigentlich, Abschiebung? Was passiert in einem Abschiebegefängnis? Und welchen Sinn macht überhaupt Abschiebepolitik?

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