Liebe Fußballdesinteressierte, seien Sie bitte ein wenig mitfühlend zu den Fans in Ihrem Haushalt, Freundes- und Bekanntenkreis. Denn die hungern und dürsten, nachdem sie auch von Brasilien gestern bitterlich enttäuscht wurden. Wenn heute um 16 h auch von Spanien (gegen die Schweiz) keine Offenbarung erfolgt, dann droht diese ganze WM eine Hungersnot zu werden, und selbst Fußballgourmets und Antideutsche werden zu Deeutschlandfans. Wollen Sie das?
Sie haben es heute gut und womöglich das bessere TV-Programm. Es beginnt mit der Wiederholung von Die Hitzewelle – Keiner kann entkommen (D 2008, 20.15 Sat1), einem leidlich guten im Ruhrgebiet angesiedelten Spielfilm, in dem die NRW-Landesregierung und der politische Ruhrgebietsfilz halbwegs wiederzuerkennen sind.
Der Klassiker für die Älteren unter uns und ein Muss für die Jüngeren, die den Ruhrpott nur noch als Naherholungsgebiet mit blauem Himmel und Technologieparks kennen, der Klassiker, der TV-Gott des Potts: Horst Schimanskis erster Auftritt im Tatort: Duisburg-Ruhrort (BRD 1981, 22.50 h, WDR). Die NRZ, die damals allen unterdrückten Landes- und Kommunalpolitikern ihre Stimme verliehen haben muss, wird heute in den Programmmzeitschriften so zitiert: „Werft den Prügelkommissar aus dem Programm!“. Der WDR folgte dieser Auufforderung weit über 10 Jahre nicht und heute küssen ihm noch alle Ruhrpottmarketingstrategen die Füsse für die Erfindung dieser Identifikations-Kunstfigur. Im wirklichen Leben war es übrigens der zu früh (1994) verstorbene Eberhard Feik, Darsteller von Schimanskis streng gescheiteltem Arbeitskollegen Thanner, der Politrabauke, der in schwarzen Lederjacken gekleidet vor klaren politischen Statements nicht zurückschreckte. Eberhard, wenn Du das Elend jetzt vom Himmel aus siehst, bitte sende den spanischen Fußballern heute nachmittag Erleuchtung!
Noch ein wichtiger Hinweis für alle Ü-50s: achten Sie darauf, dass Ihre Kinder und Enkel nicht zwischen 23.40 h und 0.25 h mit der Fernbedienung spielen! EinsFestival wiederholt um diese Zeit die BBC-Show Top of the Pops aus den 70er Jahren, heute u.a. mit The Sweet, Suzi Quatro, Slade, 10cc und Wizzard. Diese Ausstrahlung ist jugendgefährdend. Wenn die armen Kinder sehen, wie ihre Eltern und Großeltern damals ausgesehen und sich zu so genannnter Musik bewegt haben, ist es mit jeder erzieherischen Autorität zuende und unsere Gesellschaft wird endgültig zerfallen. Danach folgt auf Eins Festival übrigens der erste Teil von Melissa (BRD 1966). Seine Erstausstrahlung war damals ein Straßenfeger, kein Mensch war draußen, alle Kneipten leer – so gesehen ein kulturgeschichtliches Juwel.
Letzter Tipp: heute beginnt die ARD eine von mehreren Almodóvar-Nächten: Das Gesetz der Begierde (Esp 1986, 0.50 h) und Frauen am Rande des Vervenzusammenbruchs (Esp 1988, 2.30 h) – für alle Schlaflosen und Videorecorder.