We Were Promised Jetpacks, Samstag, 28. Januar, 20.00 Uhr, Sputnikhalle, Münster
Best of 2011 #31
Kein Musikjahr ohne die vor vier Jahren aus der schottischen Versenkung aufgetauchten ängstlichen Hasen. Zwar gab es dieses Jahr ledigliche eine Tour EP der aus Selkirk, Schottland stammenden Herren, aber nicht zuletzt wegen ihrer geographischen Verortung und der besten Songtextzeile der jüngeren Musikgeschichte (“It takes more than fucking someone to keep yourself warm.“) ist es mir nahezu unmöglich, sie aus dem Musikherzen wegzudenken.
#31 Frightened Rabbit – Fuck This Place (feat. Tracyanne Campbell) [A Frightened Rabbit EP]
Alexi Murdoch
Alexi Murdoch, Donnerstag, 8. Dezember, 20.00 Uhr, Kulturkirche, Köln
Hidden Orchestra
Hidden Orchestra, Samstag, 1. Oktober, 20.30 Uhr, Gleis 22, Münster
We Were Promised Jetpacks
We Were Promised Jetpacks, Dienstag, 20. September, 20.00 Uhr, Gebäude 9, Köln
Schottische Notiz: Motherwell, Fir Park
Vor einem Jahr lag ein Blumenberg vor dem Fir Park, Motherwell. Erst im Frühjahr hatte das Team wieder Tritt gefasst. Ihr Mannschaftskapitän Phil O’Donnell war Ende Dezember 2007 auf dem Spielfeld zusammengebrochen und im Krankenwagen verstorben, mit 36. Heute sind die Motherwell-Spieler eher Jahrgang 1989. O’Donnells Neffe spielt im Sturm. Auf den Kindertrikots im Fanshop steht Phil. Und auch das Spielfeld neigt sich Richtung Haupttribüne – dem O’Donnell-Stand.
Diesen Winter überlebte dann die Rasenheizung nicht. Mehr Sand als Gras. Zu Gast ist Celtic Glasgow. Für sie geht es um die Tabellenführung, für Motherwell ums Kasse machen. Hinterm Tor überragt eine zweistöckige Tribüne das Stadion. Nur zu den Schlagerspielen gegen die zwei Großclubs aus Glasgow wird sie geöffnet.
Vor mir sitzen ein Vater und seine beiden Söhne, Gemütsbärte, Roger Whittakers. Anpfiff, Ackerfußball, weite Schläge, gestreckte Beine, Schiedsrichterentscheidungen. Vater und sein Sohnemann rechts lassen die Sau raus, man kann sich kaum vorstellen, wie sie zuhause am Kamin Albany singen.
Ich habe nicht alles verstanden: schwuler Wixer fiel, Schwanzlutscher, Fickende Fick Ficker sowieso, Arschkrampe. Irgendwann saß der laute Sohn neben mir, oberhalb des Vaters. Das Spiel holperte hin und her. The Bhoys taten sich schwer, die Kleinfamilie brachte das aus der Fassung. Bei einem strittigen Einwurf sprangen sie alle auf, fast heiser vor Zorn, wieder das ganze Programm: Wixer, Ficker, Lutscher und erstmals: Cunt – doch der Vater zischte, "was soll deine Mutter nur von dir denken ?!"
Zwei Zentner Sohnemann fallen also in den Schalensitz, die fleischigen Hände gefaltet, den Blick auf den Boden. Ein Haufen Elend in der Halbzeitpause, auch nach dem Wiederanpfiff. Verstohlen guckt der Vater hoch, wann das mit dem Schmollen endlich aufhört. Ein Tritt, ein Pfiff und – endlich – mein Nebenmann springt auf, geifert "du fickender Ficksauarsch!" bis Gischt aus dem umwucherten Mund sprüht, er schlucken muss. Sein Vater springt ihm bei, brüllt: "Bastard!"
Familienglück im Männerpark.
foto:ruhrbarone.de
schurians runde welten: Global Player
Foto: Ruhrbarone
"Jetzt gewinnen wir hier immer." (Martin Maltritz)
Dass Fußball spielen auch nur eine Arbeit ist, weiß, wer sich Spiele in Schottland ansieht. Es ist deshalb überhaupt kein Zufall, dass es ein schottischer Profi war, der für dieses denkwürdige Urteil am Internationalen Sportgerichtshof gesorgt hat: Dank Andrew Webster wird die Macht der Clubs über ihre Spieler eingeschränkt. Der moderne – auf reichlich Schmerzensgeld fußende – Menschenhandel wird etwas fairer, die Freizügigkeit der balltretenden Angestellten gestärkt.
Fortan dürfen Profis nach zwei, maximal drei Jahren ihren Arbeitsvertrag einseitig kündigen. Der bisherige Club erhält keine Ablöse mehr, sondern eine Entschädigung, die sich am Gehalt des Abgängers orientiert. Einzige – höchst fragwürdige – Einschränkung: Der Spieler muss ins Ausland wechseln.
Foto: Ruhrbarone
Da, wo Andrew Webster dem Ball hinterher läuft, fühlt sich alles etwas kälter, feuchter, schwerer an. Auch dieses Pokalspiel in Paisley war nichts als harte Arbeit für alle Beteiligten: Die Maskottchen, Pandabären mit Bierbauch, mussten sich in der Halbzeitpause mit den Ersatzspielern warm machen. Die Zuschauer warteten bis zum Schlusspfiff auf einen Treffer und warteten und warteten. St. Mirrens Mittelstürmer namens Mehmet unterlief tatsächlich jeden Abschlag seines Torwartes. Nur die leise aufkeimende Angst meiner deutschen Kleingruppe vor einer Verlängerung war natürlich unbegründet. Das unentschiedene Spiel muss wiederholt werden. St. Mirren muss nach Dundee. Ohne deutsche Kleingruppe.
Schwierig zu sagen, was das Webster-Urteil auslösen wird. Ich glaube, dort wo Fußball Arbeit ist, wird es immer hektischer zugehen. Ein Verein, der mit Spielern und Ablösesummen spekuliert, weil ihm nichts anderes übrig bleibt, als die besten Spieler mit Gewinn zu verkaufen, um weiterhin ein konkurrenzfähiges Team aufbieten zu können, sprich: der VfL Bochum wird förmlich zum Spielerverlauf gezwungen. Wenn Profis schon nächste Saison kündigen können, müssen sie an den Mann gebracht werden, so lange es Geld für sie gibt.
Ich glaube, hier irrt der eigentlich so angenehm unaufgeregte Bochumer Geschäftsführer Ansgar Schwenken, wenn er auf deutsches Arbeitsrecht pocht. Was im Arbeitsplatzwechsel zwischen EU-Staaten gilt, wird auch in Deutschland durchgesetzt. Zum Schaden der kleineren Clubs. Und der noch kleineren. Und der noch kleineren…
Andererseits, ein Verein, der in Bremen gerade eines der ehernen Naturgesetze des Fußballs aus den Angeln gehoben hat, der wird wohl auch dieses Erdbeben auf dem Transfermarkt überstehen. Wir anderen müssen uns dank Globallisierung daran gewöhnen, das wir, kaum das wir einen Spielernamen stolperfrei, unfallfrei, stotterfrei aussprechen können, schon einen nächsten lernen müssen.