Bereits gestern feierte „Sex and the City 2“ Vorpremiere. Tausende von Frauen stürmten auf ihren High Heels ins Kino, schlürften Prosecco und bedienten das Klischee vom shoppinggeilen Weib. Ein Insiderbericht aus der Frauenperspektive.
Vielleicht liegt das ja an diesem Y-Chromosom, aber ihr Männer versteht uns nicht. Ihr versteht nicht, warum wir uns 140 Minuten zurück lehnen und in eine Welt eintauchen, die mal so gar nichts mit der eigenen Wirklichkeit zu tun hat. In diesen 140 Minuten werden Sekretärinnen zu Vamps und Studentinnen zu Modeexpertinnen. Alles ist möglich in diesen zwei Stunden, solange Carrie Bradshaw es auch schafft.
Ihr wundert euch, warum wir uns Filme ansehen, die hauptsächlich Werbung für Modelabels beinhalten. Auch ich musste mal ein Opfer bringen und Star Wars gucken. Und jetzt frage ich mich, was absurder ist: Eine Frau, die von einer Zeitungskolumne lebt oder Jedi-Ritter, die coole Schwerter haben?
1. Der Inhalt
Sex ist toll und seit dem Start der Serie 1998, ist Sex auch weiblich. Carrie, Charlotte, Miranda und allen voran Samantha sprechen über Sex mit Liebe, Sex ohne Liebe, schlechten Sex und guten Sex. Hauptsache Sex. Die Serie hat in dieser Hinsicht etwas erreicht: Frauen dürfen Wörter in den Mund nehmen, die man sonst nur von bösen Rappern hört. Frauen können und wollen offen über Sex reden. Wir artikulieren, was wir wollen. Und das, Männer, kann doch auch euch zu Gute kommen.
2. Das Konzept
Das ist der Punkt, den Mann nicht nachvollziehen kann. „Warum schaut sich meine Freundin, Typ akademischer Abschluss und gut aussehend, so einen Schund an?“
Dabei ist das Erfolgsrezept denkbar einfach: Im deutschen Fernsehen sind Frauen im Alter von 20 bis 40 kaum vertreten. Ich meine damit nicht RTL und Co., die fest die Domäne der Seifenopern vereinnahmt haben. Ich meine starke, selbstbewusste Frauen – sie existieren im deutschen Fernsehen nicht. Warum? Weil die Probleme einer 40 Jährigen anders aussehen als die einer 25 Jährigen.
Carrie hat dagegen alles, was es zur Identifikation braucht: Sie ist nicht mehr 20, hat dennoch keine Kinder und lebt einfach einen gewissen Lifestyle. Egal, ob Frau sich selbst so sieht oder gern gesehen werden würde.
3. Die Emanzipation
Weiblicher Sex hin oder her – die Emanzipation bei „Sex and the City“ mag für viele kläglich gescheitert sein. Es wird viel geredet über das Singledasein und über Beziehungen. Und was bleibt übrig? Eine Carrie, die 10 Jahre lang hinter Mr. Big her läuft, weil er es eben sein soll. Mr. Big fährt stets eine dicke Limousine und hat ziemlich viel Asche. Erinnert ein bisschen an den Prinzen mit seinem Gaul. Sie ist eben Carrie, die gerne Schuhe kauft und er der große Retter, der ihr den Kleiderschrank ihrer Träume baut.
Und auch wenn es eine Absage an die Arbeit von Alice Schwarzer & Co. ist: Es gibt Frauen, die das wollen. Männer sind praktisch. Sei es, wenn die Autoreifen gewechselt werden müssen oder wenn der Weinkorken klemmt. Und dann gibt’s ja auch so etwas wie Liebe. Und die widerspricht nun wirklich keinem Emanzipationsgedanken.
4. Die Klischee-Klitsche
Nein, nicht alle Frauen haben Schuhe im Kopf. Und nicht alle Frauen warten auf Mr. Big, der ihnen den perfekten Kleiderschrank in die perfekte Wohnung baut. Meistens können wir das alles selbst. Warum aber „Sex and the City“?
Gegenfrage: Warum Star Wars?
Dank „Sex and the City“ dürfen auch Frauen über 30 sagen, dass sie zu einem Mädchenabend gehen, ohne schief angeguckt zu werden. Sie dürfen sich dem Klischee hingeben, indem sie 50 Paar High Heels besitzen. Oder dieses Klischee widerlegen, indem sie in diesen High Heels einen wichtigen Geschäftstermin mit Bravour meistern.
Dabei wollen wir keine Carrie sein, die 40 kg wiegt und auch keine Samantha, die beziehungsunfähig ist. Aber wir wollen 140 Minuten Freiraum, um auf diese traumhafte Polly-Pocket-Insel zu fliehen, dann aus dem Kino rauszukommen und zu realisieren, wo wir stehen: Nicht auf der Fifth Avenue, sondern mitten im Ruhrgebiet, wo die Tauben lebensgefährlich tief fliegen und unsere Traumschuhe erschwinglich sind.
Oder um es mit Yoda´s Worten zu sagen: „Das weibliche Geschlecht du verstehen musst, junger Padawan.“