Jetzt kommen wir also zum Ende dieser Reihe. Mindestens vorläufig. Wenn Smith fürs nächste Album wieder sechzehn Jahre braucht, wissen wir nicht, ob er bis dahin noch lebt. Wir wissen auch nicht, ob wir selbst bis dahin noch leben. Denn alles ist endlich und das ist ja das Schlimme.
Die Platte jetzt zu besprechen, gute zwei Wochen nach ihrem Erscheinen, ist etwas unfair gegenüber den anderen, die alle über Jahre ihre Langzeitwirkung beweisen mussten und die ich allesamt dutzende, wenn nicht hunderte Male gehört habe, bevor ich sie für diese Reihe seziert habe. Songs Of A Lost World habe ich erst ein paar Mal gehört, die kann ich nicht einfach in Dauerschleife laufen lassen. Die höre ich aufmerksam, in Ruhe, am Stück. Sie bewegt mich sehr. Und damit bin ich offensichtlich nicht alleine. Das Album landete in diversen Ländern auf Platz 1 der Charts.
The Cure XIV – 4:13 Dream
Es liegen jetzt Rankings aller Cure-Alben im Trend. Rolling Stone hat eines, das Far Out Magazine und weitere, und überall liegt das großartige 4:13 Dream auf dem letzten oder vorletzten Platz. Die sind so dumm!, schreie ich da laut. Ich räume ein, dass ich so auch bei jedem anderen der besprochenen Alben reagieren würde, das den letzten Platz bekommt. Ein Ranking muss naturgemäß die Behauptung aufstellen, eines der Werke wäre besonders schlecht, während ich hier ja den Beweis führen will, dass jedes gut ist.
The Cure XIII – The Cure (S/T)
Ich begann diese Reihe unter der etwas mutigen Prämisse, dass jedes Cure-Album gut ist. Und mit der nagenden Frage, ob ich diese These auch beim selbstbetitelten The Cure aufrechterhalten könnte. Bei allen anderen Alben wusste ich schon ungefähr, was ich schreiben würde. Ja, manche hatte ich seit einer zweistelligen Zahl von Jahren nicht mehr gehört und musste mir manche Songs erst wieder in Erinnerung rufen oder noch mal überprüfen, ob mein Eindruck mit zeitlichem Abstand geblieben ist, aber ich wusste sehr genau, was mich erwartet. Die The Cure hingegen hatte ich wirklich nicht mehr im Ohr und keinen greifbaren Charakter vor Auge. Diese Platte hatte damals offenbar nicht richtig gezündet. Ich erinnerte mich, dass ich sie anfangs gut fand und ich erinnerte mich, dass ich irgendwann im Laufe der Jahre mal dachte: Die ist wirklich nur mittelmäßig. Und dann las ich unlängst, das Robert Smith selbst sie als sein schlechtestes Album bezeichnet hätte.
Ich hörte diese Platte also mit etwas Sorge für dieses Review erneut.
The Cure XII – Bloodflowers
Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Freund, den Sie seit 20 Jahren kennen und lieben. Nennen wir ihn Horst. Horst ist groß und schlank, mit dunklen Augen und einem subtilen Sinn für schwarzen Humor. Jetzt kommt jemand und stellt Ihnen eine andere Person vor – Herbert – und behauptet: „Den wirst du lieben! Der ist wie Horst, groß und schlank mit dunklen Augen und einem subtilen schwarzen Humor! Ich bringe Herbert heute Abend mit.“ Sie verbringen einen Abend mit Herbert und er ist okay, aber nicht wirklich zugänglich, einiges, was er sagt, erscheint eher oberflächlich und er ist ziemlich in sich gekehrt, aber dann hält er wieder schwer nachvollziehbare Monologe. Wie wahrscheinlich ist, dass Sie Herbert nach diesem ersten Abend genauso lieben wie Ihren Jahrzehnte alten Lieblingsfreund Horst?
Ungefähr das dürfte vielen passiert sein, die Bloodflowers mit den Worten angepriesen bekamen: „Die ist wieder wie die Disintegration!“
The Cure XI – Wild Mood Swings
Nun beginnt der Teil dieser Reihe, auf den ich mich schon die ganze Zeit freue. Ab jetzt besprechen wir Alben, die vielleicht viele der Leser nicht mehr mitverfolgt haben oder für Nieten halten.
Wild Mood Swings erschien, als meine heftige Teenager-Fanphase vorbei war. 1996 höre ich fast ausschließlich militant vegan straightedge Hardcore. Natürlich kaufte ich mir dennoch das neue The Cure-Album. Und ich hörte es gerne, auch in den Jahren danach immer mal wieder. Der Titel ist wirklich Programm. Diese Platte wechselt ständig zwischen gut gelaunten Ohrwürmern und tieftraurigen Balladen. Und ich kann die Popsongs hier wirklich wertschätzen. Vielleicht tue ich damit der Head On The Door einmal mehr Unrecht. Sie ist bestimmt in all ihrer Poppigkeit mindestens genauso gut wie Wild Mood Swings. Aber letztere erschien eben in einer Zeit, in der die Musik gewordene Melancholie für mich nicht mehr von überlebenswichtiger Bedeutung war. Als ich Head On The Door kennenlernte, brauchte ich anderen Stoff. Jetzt aber war ich frei, einfach großartige Unterhaltungsmusik zu genießen, wenn ich schon mal eine Pause vom Gekeife der New School Hardcore-Bands machte.
The Cure X – Wish
Mit der Wish kommen wir zum dritten Album in Folge, das zu besprechen mir nicht leicht fällt. Wish war das einzige Album, das während meiner heftigen Fan-Phase erschien. Als ich The Cure entdeckte, gab es die Disintegration schon und sie war nur eines der vielen zu erkundenden Alben. Jetzt aber bekam ich erstmals mit, wie eine neue Platte meiner unangefochtenen Lieblingsband auf den Markt kam, wie Singles ausgekoppelt wurden und Erfolg in den Charts hatten (wobei mir das ehrlich gesagt bereits damals vollkommen egal war). Auf der Wish-Tour sah ich sie live.
Die Platte zu besprechen ist für mich auch deshalb besonders, weil ich sie bis zum Verfassen dieses Reviews wirklich sehr, sehr lange nicht gehört habe. Alle anderen habe ich in den letzten 20 Jahren immer mal wieder aufgelegt, aber diese nicht. Obwohl ich sie natürlich früher hunderte Male gespielt habe. Vielleicht habe ich sie gemieden, weil so ein schwaches Gefühl von „guilty pleasure“ mitschwingt. Weil es ein Album ist, dass ich im Zustand völliger Ergebenheit kennengelernt und geliebt habe und weil der reifere Robert da möglicherweise drüber stehen wollte. Vielleicht aber auch, weil ich trotz aller Ergebenheit diese Platte schon damals mit gewissem Vorbehalt geliebt habe. Ich fand nicht alles großartig.
The Cure IX – Disintegration
Über die Disintegration zu schreiben, ist eine Herausforderung. So vielen gilt sie als das beste The Cure-Album aller Zeiten, als ihr unbestrittenes Meisterwerk. Aber die These dieser Reihe ist ja, dass jedes Cure-Album ein Meisterwerk ist. Dazu muss man die Disintegration gewissermaßen von ihrem Thron holen, ohne den Anschein zu erwecken, sie wäre gar nicht so gut. Denn sie ist so gut. Die anderen sind nur auf ihre Weise alle auch sehr gut. Wenn man noch einmal den Vergleich mit den Kindern heranzieht, von denen keines das Lieblingskind ist, dann ist die Disintegration vielleicht dieses ältere Kind, etwas reifer als die anderen, etwas gescheiter als die anderen, das immer gute Noten schreibt und das auch mal auf die Kleinen aufpasst und von sich aus im Haushalt hilft – man hat es nicht lieber als den Rest, aber man erwartet einfach wie selbstverständlich, dass es in gewissen Aspekten überlegen ist und man muss vielleicht sogar manchmal aufpassen, dies nicht als selbstverständlich hinzunehmen.
The Cure VIII – Kiss Me Kiss Me Kiss Me
Als ich diese Reihe im Jahr 2019 begann, hatten The Cure gerade ihr neues Album angekündigt und meine Idee war, bis zum Erscheinen alle vorangegangenen Alben Revue passieren zu lassen. Und die These zu beweisen, dass jedes The Cure-Album gut ist. Dann schlief diese Reihe genauso ein wie offenbar die Band und der Zeitdruck, sie fertig zu