Mülheim – ein Traum!

In Mülheim, im Mühlenfeld, im Gegenlicht – da ist die Welt noch in Ordnung! klick

Oh, Mülheim du Insel der Seeligen, du grünes Tal der Hoffnung, du Horst des Generationenfriedens. Anders als im abgerockten Rest der Welt, herrscht hier in der Sozialdemokratie noch große Zuversicht statt Politikverdrossenheit. Denn wozu gibt es denn das Planungsrecht, den Jugendstadtrat und die Errungenschaften der französischen Revolution?! Also am 30. August unbedingt wählen gehen. Wie sagt es Top-Befrager Sven Liebert so süß: "Das kann ich auf jeden Fall quasi nur bestätigen." Absolut. 

 

Hat die SPD etwa doch einen Plan?

Am Abend will Frank Walter Steinmeier wieder mal den Bundestagswahlkampf einläuten. Mit einer Grundsatzrede vor der Karl-Schiller-Gesellschaft wird der Kandidat seinen "Deutschland-Plan" vorstellen: Ein ehrgeiziges Zukunftsprogramm für vier Millionen neue Jobs, bis 2020 soll die Arbeitslosigkeit besiegt werden. Zwar wissen Suchmaschinenfenster (s. Abb.) damit noch nicht allzu viel anzufangen. Doch ein erstes Ziel hat der bislang glücklose Wahlkämpfer erreicht: die zu Guttenbergs und Co. haben ihren ersten größeren Fehler gemacht.

Schirmschuss: ruhrbarone.de

Statt der SPD alles Glück zu wünschen auf dem Weg zur Vollbeschäftigung, wurde Steinmeiers Job-Offensive schon im Vorfeld heftig attackiert. Dumm. Denn was bitteschön kann man als bürgerlich-linker-grüner Wahlkämpfer gegen das Ziel Vollbeschäftigung, gegen die Förderung von Umweltbranche, Kreativwirtschaft, Gesundheitsberufe einwenden? Nichts.

Stattdessen wurde gemäkelt gegen das "Phantasialand" (CDU) der "Ankündigungspartei" (LInke) mit ihren "wolkigen Plänen" (Grüne): "Die Leute seien es Leid immer zu Wahlkampfzeiten mit Versprechen überhäuft zu werden", formulierte es der Wirtschaftsminister zu Guttenberg gewohnt paternalisitisch – er hat sein Ohr ja schon aus Traditon ganz dicht an seinen Leuten.

Tatsächlich haben die Kritiker mit ihrer Reaktion nur eines geschafft: Steinmeier hat die Aufmerksamkeit auf seiner Seite, die passende Wahlkampflyrik ist bereits geschrieben: die SPD wird da seit 2003 zur Jobmaschine, zur Reformpartei auf dem Arbeitsmarkt. Die Agenda-2010-SPD, nicht das Kabinett Merkel, habe die Arbeitslosigkeit erstmals auf drei Millionen gedrückt. Die SPD-Minister, nicht Merkel und der Adelige, würden mit Kurzarbeit oder Opel-Stütze dafür sorgen, dass die Arbeitslosigkeit auch in der Krise nicht ins Uferlose anwächst. Ergo: Die Experten wählen. Könnte sogar funktionieren.

Kleines Problem: Die SPD wird sich wieder voll zu den Hartz-Reformen bekennen müssen. Die Rechts-Links-Kluft in der Partei wird also wieder oder weiter aufreißen, das abgeschreckte, von der Partei schockierte klassische SPD-Millieu wird sich wieder oder weiter abwenden. Andererseits: Eine Wahlkampftruppe links von der Agenda gibt es schon, da ist wenig zu gewinnen. 

 

Neue SPD-Herzkammer: Kleve!

Ziemlich weiblich ist es (10 zu 8), das Kompetenzteam von Frank-Walter Steinmeier, ziemlich ledig (8 von 18) und auch ziemlich provinziell. Zumindest von den nordrhein-westfälischen Bewerbern im SPD-Schattenkabinett stammt keiner aus dem Ruhrgebiet oder den rheinischen Großstädten. Stattdessen kann sich der eigentlich, nun ja, etwas mehr der CDU zuneigende Kreis Kleve (bis zum Wahlsonntag) als großer Gewinner und so etwas wie die neue Herzkammer der Sozialdemokratie fühlen.

Mit Umweltexpertin Barbara Hendricks, Bildungsexpertin Carola Reimann (Goch) und Kulturfrau Barbara Kisseler (Asperden) stammen gleich drei von 18 potenziellen Regierungsmitgliedern gebürtig aus dem Niederrhein-Kreis. Abseits von Kopfweiden und Wildgänsen gesellen sich aus Nordrhein-Westfalen der Innenpolitiker Thomas Oppermann aus dem ländlichen Freckenhorst im Landkreis Warendorf und die Sportpolitikerin Dagmar Freitag aus Lethmate bei Iserlohn in eines der unwahrscheinlichsten Schattenkabinette der Nachkriegsgeschichte. Nur Steinmeiers Wunsch-Verteidigungsministerin Ulrike Merten ist Städterin – sie lebt in Bielefeld.

Erstes Fernsehduell auf dem Mond

Draußen Holland im Regen. Da ist es gut, drinnen mit der FAZ zu sein. Auf einer ganzen Zeitungsseite erzählen heute "elf Zeitzeugen", wie sie die Mondlandung vor 40 Jahren am Fernseher verfolgt haben. Darunter die Kanzlerin, der Kandidat, Claudia Roth und Gregor Gysi. Überraschung für die gebeutelte SPD: Diese erste Elefantenrunde vor der Bundestagswahl konnte Frank-Walter Steinmeier klar für sich entscheiden.

Die Grüne Claudia Roth stieg 1969 mit Decken, Hund und Familie in den Partykeller hinab, zu der Zeit  "Fernsehraum" der Familie. Die Roths gingen zum Fernsehen also in den Keller, irgendwie traurig. Die Gysis hatten als Fernseher erstaunlicherweise schon 1969 eine "alte Krücke", so schaute er bei seiner Schwester wie "der Vorsprung der Sowjetunion" eingeholt wurde. Ganz ostdeutsch erinnert sich auch Merkel. "Sie ist Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende" steht unter ihrem Beitrag und von sich schreibt sie nur in der dritten Person: "Angela Merkel hat gerade ihren 15. Geburtstag gefeiert, als erstmals ein Mensch den Mond betrat." Wäre auch ein schöner Einstieg für ihre Autobiografie!

Gruselig geht es weiter: "früh aufgestanden war sie, draußen herrschte noch stockfinstere Nacht. Auf dem Pfarrhof der Eltern in Templin flimmerte ein Fernsehgerät." Doch dann kommt die Mondlandung, "die Bundeskanzlerin weiß noch, wie das Gefühl in ihr brannte, eine einmalige historische Stunde live miterleben zu dürfen". Die "Bundeskanzlerin" "live", und das in der DDR, anno 1969. Respekt! Respektabel findet "sie, die Physikerin," die ganze Mondmission – einfach "großartig, besonders in technischer Hinsicht!" Ein Kompliment, das sich die Kanzlerin auch für ihren Beitrag verdient hat, "besonders in technischer Hinsicht!" Doch ihr Herausforderer macht dann doch das Rennen.

"Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat" – die Autobiografie ist gerade erschienen – da fließt dem Kandidaten die Mondgeschichte leicht aus der Feder: "Ich denke gern zurück an den 21. Juli 1969", schreibt er, sie hätten die Mondlandung mitten in der Nacht "live" verfolgt: "ich, damals, 13, mein siebenjähriger Bruder gebannt vorm Fernseher, daneben unsere Eltern". Das war aber keine reine Idylle, denn die Steinmeiers waren arm, "einen eigenen Fernseher hatte sich die Familie (also ich, mein siebenjähriger Bruder, daneben die Eltern) vielleicht ein oder zwei Jahre vorher gekauft".

Nachts vorm Fernseher, das gab es übrigens auch ein Jahr später wieder, fällt dem Mann aus Lippe ein und geschickt spielt er die Fußballkarte. Auch zur Fußball-WM 1970, Mexiko, "das spannende – und traurige – Halbfinale zwischen Deutschland und Italien", habe man zusammen vor der Glotze gehockt. Aber zurück zur Mondlandung, "hatte eine fast mythische Bedeutung" auf den jungen Steinmeier, zumindest eine pathetische: "Das technisch Machbare kam dem nahe, was wir uns in der Phantasie ausmalten. Und es entfernte sich immer mehr vom Fassbaren." Unfassbar ist wie Frank-Walter S. dann die Wahlkampfkurve kriegt – fast sieht man, wie er beim Schreiben die weißen Hemdärmel aufrollt und jedes seiner Worte heiser mitröhrt.  

Denn die Apollo-Mission habe in die "Aufbruchstimmung dieser Jahre" gepass. Zack. "Die Umwälzungen, die mit dem Schlagwort 1968 verbunden sind, waren auch in der ostwestfälischen Provinz nicht mehr zu übersehen." Zack. Eine Mondmission sei zwar heute zwar nicht mehr "vordringlich", aber mit dem gleichen  "Erfindungsgeist und Optimismus" könne man die globale Energiekrise lösen und dafür sorgen, "dass niemand mehr Hunger leiden muss". Zack. 1969 sei übrigens ein gutes Jahr für die Sozialdemokratie gewesen, Willy Brandt wurde später Bundeskanzler. Zack.

Ginge es nur nach Monderinnerungen, Steinmeier könnte im Herbst tatsächlich in Brandts Fußstapfen treten – in wenigen Sätzen alles gesagt: Armut, Ostwestfalen, großer Bruder, Fußball, 1968, Willy-Wählen. Nur einer der elf FAZ-Zeitzeugen ist noch gewiefter in eigener Sache: "Das Ereignis hat mich weitgehend unberührt gelassen", schreibt er, "damals bekam ich das Angebot meine erste Expedition zum Nanga Parbat zu machen" – und es ist natürlich Reinhold Messner. 

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Hannelore-Kraft-Tag (2): Eine Bewerbung?

Hannelore-Kraft-Tag bei den Ruhrbaronen. Erst die Bioverschönerung (klick) auf dem Zenit der Macht. Jetzt noch ein seltsamer Beitrag der SPD-Kandidatin in der "Welt": In einer "Polemik" hat sich die erfolgsarme Landesvorsitzende an Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (UvdL) abgearbeitet. Dabei sitzt die doch in Berlin. Vielleicht ja deshalb. Es gibt Gerüchte, dass Kraft 2010 doch nicht gegen Rüttgers antreten wird (soll, will). Spekuliert die Ex-Landesministerin mit einem Ministerium in Berlin? Wie ihre Vorgänger Müntefering, Clement, Steinbrück? Eine kleine Textanalyse.

1) Talkin Heads
"Niemand" sei so oft in Talkshows wie Frau von der Leyen, das ist die argumentative Klammer von HK. Das würden die Statistiken belegen. Aber: Gibt es Statistiken über Talkshowbesuche? Und was ist mit Norbert Röttgen oder Wolfgang Bosbach, mit Sky du Mont, Uschi Glas oder Karl Lagerfeld? Das Problem an den UvdL-Auftritten ist nicht das wie oft, sondern das wie. Klingt leicht neidisch.

2) Kurzarbeit
HK zeichnet ein Bild von der Wirtschaftskrise, man möchte hoffen, sie meint das nicht ernst: Millionen Kurzarbeiter, so HK, hätten morgens ihren Kindern zu erklären, warum sie nicht zur Arbeit fahren. Ist das so? "Du, Miro, der Papi fährt erst morgen wieder ins Werk!" – "Oooch, echt, bist du jetzt ein Versager, Papi?". Auch den anderen gehe es schlecht, weiß Kraft: Die einen würden Angst haben, ihre Arbeit zu verlieren. Die bereits Arbeitslosen verlören angesichts der "Horrormeldungen aus der Wirtschaft", Stück für Stück die Hoffnung. Ist es wirklich so arg da draußen? Oder schiebt da jemand selbst  Zukunftsangst?

3) In der Klemme
Als ob die Wirtschaftskrise nicht fies genug ist, kennt Hannelore Kraft (48) noch etwas gemeineres. Die "Generationenklemme ab 40". Was keine Streckfolter ist, sondern ein genereller Trübsinn, der alle über Vierzigjährigen erfasse, vor allem die weiblichen. Die Sorgen um die eigene und die Zukunft der Nachwachsenden mischten sich jetzt nämlich mit "Gedanken über die Gesundheit und die Versorgung der eigenen Eltern, die oft genug weit weg wohnen". Außerdem, schreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin, herrsche große Furcht vor steigenden Mieten, vor den Ratenzahlungen fürs Haus, den schlechten Schulnoten beim "Sohnemann". Kein Wunder, so Kraft, dass gerade die Frauen "schlaflose" Nächte "erleiden". Hat sie aber nicht etwas vergessen: Was ist mit seltenen Krankheiten, fehlenden Rauchmeldern, Starkregenereignissen, Flugzeugunglücken – alles furchtbar: "Familien und Frauen sind die großen Verlierer der Krise!", jault die Mülheimerin jedenfalls. Aber das Familienministerium in Berlin, das interessiere sich nur für ein "kleines Segment" unter ihnen. Hm, ich mache mir auch langsam Sorgen – um Frau Kraft.
     
4) Rot-grüner Kanon
Außerdem ist die Bundesfamilienministerin genau wie Krafts Hauptgegner, wie Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident, den viele für einen Sozi halten, einen Arbeiterführer, für Johannes Rau den II. Denn auch UvdL fische beim politischen Gegner, ärgert sich Hannelore Kraft: Die "gut situierten Akademikerfamilien", die eher zum "rot-grünen Wertekandon tendieren", würden von der Bundesministerin mit "lobenswerten Initiativen bedient", die "oft von Sozialdemokraten erarbeitet wurden". Und die anderen "Segmente" zu wenig. Was kleinlich beleidigt klingt, dabei wüsste ich viel lieber, was der "rot-grüne Wertekanon" ist, schade!

5)  Kein Fototermin
Krafts konkrete Kritik an der Politik der Bundesfamilienministerin fällt immerhin solide aus. Es geht um unsoziale Kinderfreibeträge, Dumpinglöhne, bessere Steuerklassen für Zweitverdiener, Ehe-Ideologie aus dem "Fotostudio von der Leyen". Alles gut, alles nachvollziehbar, und doch bleibt ein Rätsel: Was hat das mit "Fototerminen", "Fotostudios" von der Leyens zu tun. Das ist nicht polemisch, sondern – erst recht von Frau zu Frau – platt!

6) Knicks vorm Komasaufen  
Habe zunächst "wie Ministerin von der Leyen bei einem großen Jugendproblem, dem Komasaufen, eingenickt ist" gelesen, was mir sehr gefallen hat – die bezecht schlummernde Ministerin. War aber leider nur ein Verleser, weiter: Die Kraftsche Abrechnung mit der konservativen, vornehmen Bundespolitikerin nähert sich dem Ende. UvdL würde sich nicht gerne "die Hände schmutzig" machen, sich fein "heraus halten" und nicht mit den Degenhardschen "Schmuddelkindern" spielen; was vermutlich Unfug ist, aber halt eine Polemik!

7) Die Hausmeisterin
Sehr merkwürdig ist wieder der Schluss. Oder was kümmert es Hannelore Kraft, ob das Familienministerium zu einem "Haus" "für Shows und Fotosessions verkommen" ist? Gibt es in NRW keine verkommenen Ministerien, Häuser? Warum dieser Furor? Weshalb die verräterische Terminologie vom "Haus". Für mich klingt das wie eine besorgte Nachfolgerin! Ein Bewerbungsschreiben für die Berliner Bühne. Und eben nicht nach Landespolitikerin, NRW-Oppositionsführerin, Rüttgers-Herausforderin.

WIR gewinnt

Wenn es um Nordrhein-Westfalen geht, diesen Bindestrich in der Bundeslandschaft, dann kommt einem immer die gleiche Assoziationskette in den Sinn: Johannes Rau, Bodo Hombach, Wahlkampf 1985 und deeeer Slogan: "Wir in Nordrhein-Westfalen". Erst das Wir-Gefühl der Wahlkämpfer habe das Bundesland zusammengeschweißt. Und weil die Sozialdemokraten mit 50,1 Prozent auch einen hübschen Wahlsieg einfuhren, gelten die drei Buchstaben seitdem als Erfolgsrezept.

Zum Beispiel vor genau zwanzig Jahren, da versuchten es die Genossen wieder mit dem großen Wir. Mit "Wir sind Europa" zogen sie in den Europawahlkampf. Harold Faltermeyer ("Axel F.") schrieb die Melodie, der damalige "Agentur Butter"-Werber Ralf Zilligen Zeilen wie diese: "Wir wollen wie das Wasser sein. Nichts stoppt unseren Flug, jetzt sind wir am Zug." Dazu wurde ein erster sozialdemokratischer Videoclip produziert. Ich erinner mich an Horden junger Menschen, an viel Sonne, grünes Land, hüpfende blau-gelbe Weltkugeln, Hans-Jochen Vogel, Rau und Lafontaine. Und die Melodie klang wie "Give Peace a Chance". Leider ist das Stück verschollen.

Das große "Wir" ist es nicht. In NRW haben es sich erst Jürgen Rüttgers, Monika Piel und Bodo Hombach unter den Nagel gerissen. WDR und WAZ verlegen seit zwei Jahren mit Segen der Landesregierung Filme, Texte, Bilder, sprich: "unsere gesammelten Werke". Vom Wahlkampfmotto zur Marke – eine Karriere, die auch vor Johannes Rau nicht Halt macht.

Bekanntlich ist dem amtierenden Ministerpräsidenten wenig so wichtig wie Versöhnung und historische Kontinuität. JRüttgers tritt bewußt das politische Erbe des anderen JRau an, stapft deshalb Jahr für Jahr in den politischen Fußstapfen Raus in Israels herum, stellt Büsten auf, feiert Rau-Gedenktage, bedient sich des großen WIR – was zuvor weder Clement, noch Steinbrück konnten oder wollten. Und die Christdemokratisierung des Sozialdemokratischem hat längst Berlin im Griff.

Nach der Metamorphose Jürgen Raus zu Johannes Rüttgers vertraut die Bundes-CDU in ihrem Europawahlkampf auf die alten Sozirezepte, das große Wir. "Wir in Europa" steht auf den Paketen und Containern der Hoffnung. Und hinterlegt ist das WIR mit einer Deutschlandfahne. Würde mich gar nicht wundern, wenn die CDU im Herbst mit einem "Wir in Deutschland" in die Bundestagswahlen zieht.   

Was ist ein Clement gegen die Wiesbaden Four?

Foto:flickr.com

Nun darf er doch bleiben: Wolfgang Clement kommt mit einer Rüge davon. Die SPD-Bundesschiedskommission hat sich gegen einen Parteiausschluss des einstigen Superministers entschieden. Auch der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme ist einverstanden mit dem Urteil, wie sie mir gerade bestätigten. Was nun alles gar kein Wunder mehr ist – denn die Luft ist raus aus der Causa Clement.

Clement sollte ja rausfliegen, weil er seinerzeit indirekt zur Nichtwahl der hessischen SPD unter Spitzenkandidatin Andrea Ysilanti aufrief. Aber was ist ein indirekter Antiwahlaufruf aus Nordrhein-Westfalen gegen die angekündigte Verweigerung der vier Ypsilanti-Gegner und (Noch-)Landtagsmandatsträger?

Was ist das bisschen energiepolitische Kritik eines politischen Untoten gegen die Verweigerung der Gefolgschaft, nachdem drei der vier Abweichler erst ihre Zustimmung signalisiert hatten? Was ist das bisschen Altmännermeckerei gegen einen Mitunterhändler, der bockig seiner Vorsitzenden ins Knie schießt, weil er nicht das Ministerium bekommen sollte, das er wollte?

Die SPD hat mittlerweile echt andere Sorgen als WC. Die Parteiloyalität liegt auf dem Scherbenhaufen. Da kommt es auf einen renitenten Politrentner ohne politische Mandate mehr oder weniger nicht mehr an. Außerdem: Statt Ypsilanti darf Hessen ja jetzt diesen ausgeschlafenen Jungpolitiker zum Ministerpräsidenten machen. Oder auch nicht.          

Roter Humor?

Zwei Meldungen vom Tage. ddp meldet um 10:14, die SPD werde am 23. August zum Andenken an Johannes Rau eine Feier in Wuppertal abhalten. Eingeladen seien Kurt Beck, Frank Walter Steinmeier und sogar Jürgen Rüttgers. Nicht erwähnt als Gäste werden Raus Amtsnachfolger als Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Wolfgang Clement. Aber für WC hat dpa dann um 10:54 die passende Meldung: (Eil) Clement soll SPD verlassen – Schiedskommission für Ausschluss. Fullstop.

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Clements Revanche

Wolfgang Clement geht in die nächste Runde. Weil ihm die vom Unterbezirk Bochum ausgesprochene Rüge wegen parteischädlichen Verhaltens nicht passte, rief der einstige NRW-Ministerpräsident die Schiedskommission des SPD-Landesverbandes an. Dort wird die Causa Clement am 12. Juli – parteiöffentlich – verhandelt. War der Wahl-Bonner den Verhandlungen im Bochumer Unterbezirk seinerzeit lieber fern geblieben, hat er sein Erscheinen zum Termin mit der Parteischiedskommission in Düsseldorf angekündigt.

Im hessischen Landtagswahlkampf hatte der heutige Wirtschaftsberater in einer Zeitungskolumne von der Wahl der SPD-Kandidatin Andreas Ypsilanti abgeraten. Das vor allem auf erneuerbare Energien setzende Wahlprogramm der Hessen-SPD hatte Clement, treuer Anhänger von Kohle, Gas und Atomkraft, als unverantwortlich kritisiert. Mehrere SPD-Ortvereine stellten daraufhin den Antrag auf Parteiausschluss wegen parteischädlichen Verhaltens. 

Bereits am 1. Juli kommt es zu einem sozialdemokratischen Streitgespräch in Köln. Jochen Ott, frisch gebackener Landesvize der SPD, wird sich auf Einladung des Kölner Stadtanzeigers mit Clement ein Wortgefecht liefern. Für Clement übrigens ein Heimspiel: Er ist als Berater auch für den Herausgeber des Stadtanzeigers tätig.   

Das Essener OB-Duell steht. Lehrer contra Diplomingenieurchemiker

Essen ist in der Politik des Ruhrgebietes eine der wenigen tragenden Säulen. Umso wichtiger ist es, wer in Essen Oberbürgermeister wird. Nachdem nun der alte Stadtchef Wolfgang Reiniger (CDU) seinen Rückzug zur kommenden Wahl erklärt hat, wurde nun der Oberstudienrat a.D. Franz-Josef Britz, bald 60, auf den Konservativen Schild gehoben. Er soll 2009 Oberbürgermeister an Stelle des Oberbürgermeisters werden.

Eine gute Wahl? In der CDU hat sich zur Kür von Britz eine alte Geschichte wiederholt. Wie vor 20 Jahren stand nämlich ein anderer Name auf der Liste der CDU-Hoffnungsträger, und zwar Stephan Holthoff-Pförtner. Doch diesen Mann wollten die mächtigen Konservativen in Essen verhindern. Um jeden Preis und sei es um den Preis des eigenen Erfolges.

Stephan Holthoff-Pförtner ist nicht irgendwer. Er gehört zu den Mächtigsten Menschen in NRW. Das CDU-Mitglied vertritt eine der beiden Eigentümerfamilien der WAZ-Mediengruppe. Er ist Adoptivsohn der WAZ-Gesellschafterin Gisela Holthoff. Als Rechtsanwalt vertrat er Altkanzler Helmut Kohl in der Spendenaffäre. Er kämpfte auch für den korrupten Schiri Robert Hoyzer. Und ist zudem Mitglied des Kohlekuratoriums der RAG – mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ist er über die Partei hinaus befreundet.

Holthoff-Pförtner ist ein Mann von Welt. Einer der wenigen, die das Ruhrgebiet hat. Als Oberbürgermeister-Kandidat wäre er jemand gewesen, der im Fall eines Sieges über die Stadt hinausgestrahlt hätte. Vielleicht hätte es Holthoff-Pförtner auch mit dem Spitzenmann der SPD im Pott, dem Dortmunder OB Gerhard Langemeyer, aufnehmen können.

Tja, jetzt ist Britz der Kandidat der CDU. Ein Ex-MdL-Mann und Ex-Berufschullehrer, den nur Eingeweihte von außerhalb kennen, weil er sich schon mal von einem Energieversorger zu einer Reise nach Barcelona einladen ließ. Wie kam es dazu?

Holthoff-Pförtner hatte gesagt, er steht nur der CDU zur Verfügung, wenn er ohne Gegenkandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters antreten kann. Dagegen hatte aber das Old-Boy-Network rund um Norbert Königshofen etwas. Genau wie vor 20 Jahren wollten der Hinterbänkler aus dem Bundestag und seine Essener Kumples verhindern, dass mit Holthoff-Pförtner jemand in der CDU das Ruder übernimmt, der dem grauen Pantoffel-Mief ein Ende gemacht hätte. Schnell waren Britz und die CDU-Ratsfraktion überredet, dass der RAG-Bildungs-GmbH-Beschäftigte Britz besser für die Stadt sei als der Weltmännische Holthoff-Pförtner.

Und so steht es nun, dass Duell Lehrer gegen Diplomingenieurchemiker. Denn auch bei der SPD ist mit Reinhard Paß kein Kandidat in der ersten Reihe, der landespolitisch oder bundespolitisch aufgefallen wäre. Dafür hat der Betriebsratschef der DMT Paß die Aktion "Aktion Wachsames Hähnchen" ausgerufen. Hier können sich Leute über Zipperlein in der Nachbarschaft mokieren. Das ist also das Essener Niveau der Zukunft.

Damit wir uns richtig verstehen. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Es kann für die Menschen vor Ort die Heimat abbilden, von Leuten wie Britz oder Paß vertreten zu werden. Damit wäre die Wahl der Männer genau das richtige im demokratischen Sinne. Das kleine Karo wird eben gerne vom kleinen Karo regiert. Aber ich hätte mir im Sinn der Metropole mehr Mut gewünscht.

So ist das Duell in Essen farblos, eher im Kleingartenschnitt.

Nur in einem Punkt bringt die Kür von Britz Spannung. Die SPD um Paß kann wieder Morgenluft schnuppern. Gegen den amtierenden CDU-Vorsitzenden ist leichter Wahlkampf zu machen, als gegen einen Mann mit den Möglichkeiten von Holthoff-Pförtner. Es wird keine reine Amtsübergabe von Reinger an den nächsten CDU-Mann.

Leider wird das Duell die wahren Machtverhältnisse um den echten ersten Bürger in Essen kaum bewegen. Nach wie vor wird Berthold Beitz das Sagen haben. Er war es, der ThyssenKrupp geholt hat, er hat den Folkwang- und den Saalbau-Umbau möglich gemacht. Vom Rest kamen viele Worte. Von Beitz – Taten.