Das Essener OB-Duell steht. Lehrer contra Diplomingenieurchemiker

Essen ist in der Politik des Ruhrgebietes eine der wenigen tragenden Säulen. Umso wichtiger ist es, wer in Essen Oberbürgermeister wird. Nachdem nun der alte Stadtchef Wolfgang Reiniger (CDU) seinen Rückzug zur kommenden Wahl erklärt hat, wurde nun der Oberstudienrat a.D. Franz-Josef Britz, bald 60, auf den Konservativen Schild gehoben. Er soll 2009 Oberbürgermeister an Stelle des Oberbürgermeisters werden.

Eine gute Wahl? In der CDU hat sich zur Kür von Britz eine alte Geschichte wiederholt. Wie vor 20 Jahren stand nämlich ein anderer Name auf der Liste der CDU-Hoffnungsträger, und zwar Stephan Holthoff-Pförtner. Doch diesen Mann wollten die mächtigen Konservativen in Essen verhindern. Um jeden Preis und sei es um den Preis des eigenen Erfolges.

Stephan Holthoff-Pförtner ist nicht irgendwer. Er gehört zu den Mächtigsten Menschen in NRW. Das CDU-Mitglied vertritt eine der beiden Eigentümerfamilien der WAZ-Mediengruppe. Er ist Adoptivsohn der WAZ-Gesellschafterin Gisela Holthoff. Als Rechtsanwalt vertrat er Altkanzler Helmut Kohl in der Spendenaffäre. Er kämpfte auch für den korrupten Schiri Robert Hoyzer. Und ist zudem Mitglied des Kohlekuratoriums der RAG – mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ist er über die Partei hinaus befreundet.

Holthoff-Pförtner ist ein Mann von Welt. Einer der wenigen, die das Ruhrgebiet hat. Als Oberbürgermeister-Kandidat wäre er jemand gewesen, der im Fall eines Sieges über die Stadt hinausgestrahlt hätte. Vielleicht hätte es Holthoff-Pförtner auch mit dem Spitzenmann der SPD im Pott, dem Dortmunder OB Gerhard Langemeyer, aufnehmen können.

Tja, jetzt ist Britz der Kandidat der CDU. Ein Ex-MdL-Mann und Ex-Berufschullehrer, den nur Eingeweihte von außerhalb kennen, weil er sich schon mal von einem Energieversorger zu einer Reise nach Barcelona einladen ließ. Wie kam es dazu?

Holthoff-Pförtner hatte gesagt, er steht nur der CDU zur Verfügung, wenn er ohne Gegenkandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters antreten kann. Dagegen hatte aber das Old-Boy-Network rund um Norbert Königshofen etwas. Genau wie vor 20 Jahren wollten der Hinterbänkler aus dem Bundestag und seine Essener Kumples verhindern, dass mit Holthoff-Pförtner jemand in der CDU das Ruder übernimmt, der dem grauen Pantoffel-Mief ein Ende gemacht hätte. Schnell waren Britz und die CDU-Ratsfraktion überredet, dass der RAG-Bildungs-GmbH-Beschäftigte Britz besser für die Stadt sei als der Weltmännische Holthoff-Pförtner.

Und so steht es nun, dass Duell Lehrer gegen Diplomingenieurchemiker. Denn auch bei der SPD ist mit Reinhard Paß kein Kandidat in der ersten Reihe, der landespolitisch oder bundespolitisch aufgefallen wäre. Dafür hat der Betriebsratschef der DMT Paß die Aktion "Aktion Wachsames Hähnchen" ausgerufen. Hier können sich Leute über Zipperlein in der Nachbarschaft mokieren. Das ist also das Essener Niveau der Zukunft.

Damit wir uns richtig verstehen. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Es kann für die Menschen vor Ort die Heimat abbilden, von Leuten wie Britz oder Paß vertreten zu werden. Damit wäre die Wahl der Männer genau das richtige im demokratischen Sinne. Das kleine Karo wird eben gerne vom kleinen Karo regiert. Aber ich hätte mir im Sinn der Metropole mehr Mut gewünscht.

So ist das Duell in Essen farblos, eher im Kleingartenschnitt.

Nur in einem Punkt bringt die Kür von Britz Spannung. Die SPD um Paß kann wieder Morgenluft schnuppern. Gegen den amtierenden CDU-Vorsitzenden ist leichter Wahlkampf zu machen, als gegen einen Mann mit den Möglichkeiten von Holthoff-Pförtner. Es wird keine reine Amtsübergabe von Reinger an den nächsten CDU-Mann.

Leider wird das Duell die wahren Machtverhältnisse um den echten ersten Bürger in Essen kaum bewegen. Nach wie vor wird Berthold Beitz das Sagen haben. Er war es, der ThyssenKrupp geholt hat, er hat den Folkwang- und den Saalbau-Umbau möglich gemacht. Vom Rest kamen viele Worte. Von Beitz – Taten.

Rüge statt Rauswurf

Der Historiker Bernd Faulenbach hatte das Wort in der Causa Clement am Mittag im Tor 5 an der Bochumer Alleestraße.

 

Der Unterbezirksvorsitzende gab bekannt, was vorher bereits durch den Blätterwald geisterte: Wolfgang Clement wird gerügt, nicht rausgeworfen. Das sei gute Tradition in Bochum, schon die Rüge gegen einen so verdienten Sozialdemokraten sei ein erstaunlicher Vorgang, so Faulenbach. Ansonsten sollen die Beteiligten bitte den Schaum vom Mund nehmen, sich am Ende des Neoliberalismus erfreuen und einer für die Zukunft gut aufgestellten SPD. Er hoffe, die Sache Clement sei damit Geschichte. Als Historiker habe er aber nicht vor, sich in nächster Zeit diesem historischen Thema anzunehmen.

Foto: Ruhrbarone

Anders sahen es die Antragssteller aus Bochum-Hamme. Martin Rockel bestätigte mir, dass sie in Revision gehen werden und nun die Landesebene anrufen werden. Dass der Unterbezirk, das Ergebnis des Parteiordnungsverfahren erst der Presse vorstellt und nicht zunächst den Antragsstellern und Betroffenen sei ein Skandal, da sei man im "Zorn mit Clement vereint", meinte Rockel. SPD-Geschäftsführer Manfred Rakowski sagte, er habe das Ergebnis und die Begründung der Schiedskommission gestern um "12:14" eigenhändig bei der Post abgegeben, per Einschreiben, mit Rückschein. Clement habe sich den Brief bereits nach Berlin faxen lassen. Rudi Malzahn vom OV Hamme meldete sich auf der Pressekonferenz zu Wort, wurde mehrfach nicht dran genommen. Die postalischen Erläuterungen seines Geschäftsführers quittierte der OV-Vorsitzende mit einem "lächerlich". Faulenbach versprach den Antragsstellern später zu Wort zu kommen, ich musste aber leider weg.

Von dem ehemaligen Justiziar der Landespartei erfuhr ich zuvor noch, dass die Kommission tatsächlich abgewogen hätte und dazu in einschlägigen Fälle gewälzt habe. Vorbild soll demnach ein Parteiverfahren in Berlin gewesen sein, wo seinerzeit ein paar SPDler zur Wahl des grünen Direktkandidaten Christian Ströbele aufgerufen haben. Aber auch diese – noch unbedeutenderen Genossen als Wolfgang Clement – wurden nicht aus der Partei geworfen. Wenn Clement allerdings noch ein Amt hätte oder das ganze vor der Wahl in NRW geschehen wäre, sie hätten den ex-Superminister mit Freuden achtkantig vor die Tür gesetzt.

Schönster Versprecher: "Mir hat Wolfgang Clement nachdrücklich erklärt, dass er sich als Sozialdemokratie versteht." (Bernd Faulenbach, UB-Vorsitzender Bochum)

Unterdessen geht der Zickenkrieg weiter. Der Ex-Super-Minister Clement will gegen die Rüge der SPD gegen sein Verhalten vorgehen. Clement sagte, ihm werde das Recht auf "freie Meinungsäußerung" vorenthalten, wenn er seiner Partei nicht mehr in einer heißen Wahlkampfphase, wie weiland in Hessen, in den Rücken fallen dürfe. Er will nun vor das Landesschiedsgericht.

Tja, hier verwechselt wohl der Genosse Clement die Mitgliedschaft in der SPD mit seiner Staatsangehörigkeit. Als Deutscher Bürger darf der Super-Ex sagen was er will, als SPD-Mann sollte er sich zumindest irgendwie im Interesse seiner Partei verhalten. Clement kann ja austreten, wenn er was anderes, als die Mehrheit in der SPD will. Gibt ja jede Menge sonstige Parteien.

Noch clemmt es

Rüge, Tadel, Ausschluss? Allen Agenturmeldungen und Berichten zum Trotz bleibt zur Stunde unbekannt, was genau die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks in der Causa Wolfgang Clement entschieden hat. Nur  d a s s  sie im Parteiausschlussverfahren gegen den Anti-Wahlkämpfer entschieden hat, ist jetzt klar.

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Wie Kommissionsvorsitzender Hermann Hegel uns gerade bestätigt hat, wurde von den Schiedsrichtern um den ehemaligen Bochumer Rechtsamtsleiter ein Beschluss gefasst. Die Kommission müsse nicht mehr zusammentreten. Doch das Ergebnis bleibe natürlich geheim, werde vom Unterbezirk an die Verfahrensbeteiligten verschickt. Und zwar an Clement und die rund sieben Ortsvereine, die beim Unterbezirk Bochum Antrag auf Parteiausschlus des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten gestellt haben.

Die besonders grimmigen Clement-Gegner aus Bochum-Hamme rechnen allerdings erst Ende der Woche mit einem Schreiben. "N bisschen merkwürdig" sei das Verfahren in den letzten Tagen behandelt worden, sagt  Sprecher Martin Rockel, zu viele Parteifunktionäre hätten sich öffentlich eingemischt. Und natürlich denken die Hammer Genossen daran, in Revision zu gehen. Dann müsste eine Landesschiedskommission entscheiden, sollte das Ergebnis wiederum angefochten werden, geht es weiter auf Bundesebene.

Und schließlich müsste die Internationale entscheiden. Das letzte ist natürlich Blödsinn.

„Lieber Genosse“

Laut Nachrichtenagentur DDP wird Wolfgang Clement wohl mit einer Rüge davon kommen (mehr) – der Anti-Wahlaufruf in der Welt am Sonntag gegen Ypsilanti und für ein Energiemix aus Kohle und Atomkraft wird nicht als grob parteischädigend bewertet werden. Der Bochumer Bundestagsabgeordnet Axel Schäfer sagte DDP, dass die Schiedskommission des Unterbezirks Bochum in den nächsten Tagen einen entsprechenden Beschluss vorstellen wird. Zuvor gab es Ärger, weil ein Anhörungstermin im Unterbezirk von Clement nicht wahrgenommen wurd. Der Ex-Superminister machte eine Vortragsreise in die Schweiz geltend, bat um einen Ersatztermin und ließ dann nicht mal einen Vertreter auflaufen.

Die FAZ brachte heute auf Seite 3 einen langen Report aus Bochum (leider nicht online), über den SPD-Ortsverein Hamme, OV-Vorsitz Rudi Malzahn, Wolfgang Clements Kindheit, Steine kloppen für Heiligenbildchen, den Bochumer Kapitalistensohn Otto Schily, den notleidenden Strukturwandel. Todtrauriges Zeug. Doch die Causa Clement hatte der Kollege Majid Sattar auch schon geahnt: Weil das Anschreiben der Schiedsleute an den Parteirechten und ehemaligen Ministerpräsidenten mit "lieber Genosse" sehr freundlich ausfalle, würde Clement wohl mit einer Rüge davon kommen.



Der Bruch mit dem geistigen Alten

Eigentlich waren in der SPD immer alle stolz auf Wowi Wolfgang Clement (SPD). Lob war ihm sicher und Preis. Vor allem im Pott, kam der Leuchturmbauer doch aus Bochum. Und brachte brav Geld mit. Subventionen und so.

Aber jetzt ist keiner mehr stolz auf den Kolumnisten. Vor allem die beiden wichtigsten Ziehkinder des großen Alten aus dem Ruhrgebiet,.also die ehemalige Europaministerin Hannelore Kraft und der Gewerkschaftsfunktionär Norbert Römer (alle SPD), haben Clement die Mini-Merkel gemacht. Ich meine den Bruch zum Vorbild. Wie die Ostdeutsche dem Dicken aus Oggersheim einst.

Lest hier selbst. Norbert Römer etwa sagt:

Wolfgang Clement hat über mehrere Jahrzehnte als Minister und Ministerpräsident in NRW und dann als Bundesminister und stellvertretender Parteivorsitzender die Solidarität seiner Partei ganz selbstverständlich in Anspruch genommen und auch bekommen, obwohl er ihr öfter mit seinen extravaganten persönlichen politischen Ansichten viel zugemutet hat. So jemand sollte sich heute als Privatier zurückhalten.

Seine Kritik gegenüber Andrea Ypsilanti und die von ihr vertretene Klimaschutz- und Energiepolitik ist weder in der Form zu akzeptieren noch in der Sache begründet. Wolfgang Clement verhält sich schlicht unanständig und vertritt wieder einmal eine persönliche Einzelmeinung, die durch die jüngsten SPD-Parteitagsbeschlüsse in Hamburg auch nicht ansatzweise gestützt wird.

Sinnvoller wäre es, wenn er sich in seiner Rolle als RWE-Aufsichtsrat dafür einsetzen würde, dass RWE endlich die Vereinbarung von 1994 mit der damaligen Landesregierung unter Johannes Rau erfüllt und die alten Braunkohle-Kraftwerksblöcke schnellstens stilllegt. Das würde der Glaubwürdigkeit von RWE und der gesamten Elektrizitätswirtschaft gut tun und könnte für mehr Akzeptanz bei der Kohleverstromung sorgen.

Und die Hannelore, jetzt Kraftmeierin und Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag meint:

Die Äußerungen von Wolfgang Clement sind in der Form völlig inakzeptabel und in der Sache falsch. Sie sind ein übles Foul gegen Andrea Ypsilanti, die in Hessen einen hervorragenden Wahlkampf macht.

Wolfgang Clement hat über Jahrzehnte die Solidarität der Partei in unterschiedlichen Funktionen in Anspruch genommen. Diese Solidarität verdient nun auch Andrea Ypsilanti. Wolfgang Clements Kolumne ist unanständig.

Fehlt nur noch eines: Ey, und überhaupt: Der wohnt ja gar nicht mehr in Bochum, sondern im Bonner Edelvorort Bad Godesberg. Der SACK.

Beeindruckend, wie schnell eine Entfremdung stattfinden kann, wenn die Macht futsch ist und anderer Leute Lieder gesungen werden.

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