Die Metaphysik des Heimatbegriffs. Eine Annäherung

  Es gibt für den sesshaften Menschen nur ein ernstes philosophisches Problem: die Heimat. Die Entscheidung, ob und wo das Leben in Sesshaftigkeit sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Moderne. Alles andere – ob die Welt drei Dimensionen oder der Geist neun oder zwölf Kategorien habe – kommt erst später. Das sind Spielereien; zunächst heißt es Antwort geben. Und wenn es wahr ist, dass – nach Nietzsche – ein Philosoph, der ernst genommen werden will, mit gutem Beispiel vorangehen müsse, dann begreift man die Wichtigkeit dieser Antwort, da ihr dann die endgültige Tat folgen muss.

Die Banalität des Blöden

Die Südtiroler Rechtsrockband Frei.Wild bringt es in ihrem Song „Heimat“ folgendermaßen auf den eindimensionalen Punkt:

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Flüchtlinge, Geflüchtete oder Subjekte mit positivem Status des Geflüchtetseins?

Ist man schon „geflüchtet“, wenn die Schuhe das Festland erreicht haben? Quelle: Flickr.com, Foto: Stefanie Eisenschenk,CC BY 2.0

Es ist noch nicht lange her, dass ich erstmals die These hörte, das Wort „Flüchtling“ sei diskriminierend und solle durch „Geflüchteter“ ersetzt werden. Solche Vorwürfe erfahren viele Begriffe, aber hier scheint mir der Vorschlag ganz besonders rasant und mit besonders servilem Eifer umgesetzt zu werden. Wenige Jahre, nachdem diese Behauptung in die Welt gesetzt wurde, kann es einem bereits passieren, dass man im Internet ermahnt wird, wenn man „Flüchtling“ sagt.

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Ärger beim Onlinehandel: Wenn der Hermes-Paketzusteller sich nicht verständlich machen kann

Ein Hermes-Fahrzeug. Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei

Auch als leidenschaftlicher Online-Käufer erlebt man so einiges. Über meine negativen Erfahrungen mit Amazon, Wish und reBuy hatte ich in diesem Blog kürzlich schon berichtet. In dieser Woche machte ich nun eine neue Erfahrung, von der ich euch berichten möchte.

Habt ihr schon einmal mit einem Paketzusteller zu tun gehabt, der offenbar kein Deutsch und kein Englisch spricht und mit dem ihr dann irgendwie gemeinsam herausfinden müsst, was er eigentlich von euch will? Ich jetzt schon. Dank dem Hermes-Versand!

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Verwöhnaroma für Studierende mit Hinlauftendenz

Grafik: Haifischmaedchen, Quelle Flickr, CCBY-ND2.0 

Und sperrt man mich ein, in finsteren Kerkern

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Frau Krämer der Sparkasse nicht die Wortwahl vorschreiben kann. Sie wollte die Bank gerichtlich dazu zwingen, nicht Kunde, sondern Kundin, nicht Kontoinhaber, sondern Kontoinhaberin zu schreiben, selbst in allgemeinen Formularen. Eine entsprechende Revision wurde abgelehnt.

Wie selbstverständlich, könnte man meinen. Eine weitreichendere Beschneidung der Freiheit kann es schließlich kaum geben, als wenn jemand über meine Worte gebietet. Wir denken in Worten, wir brauchen sie, um uns in dieser Welt zu verankern und uns in ihr zu bewegen. Sperrt man einen Menschen ein, so kann er immer noch über seine Innenwelt verfügen und denken, was er will und was ihn beglücket. Er kann auf dem Schafott noch seinen Protest ausrufen. In einer Gesellschaft ohne Meinungsfreiheit kann er diesen Protest wenigstens verklausulieren, kann er ihn in Kunst oder Witz verpacken. Macht über die Sprache auszuüben, über das konkrete Wort, das ich nutzen darf oder muss, beschneidet selbst diese letzte Beweglichkeit. Deshalb ist das „Neusprech“ so ein wichtiges Werkzeug der absoluten Diktatur in 1984.

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Denken an den Grenzen der Zeit: Ein Interview mit Dr. Lars Dittrich (I)

Was ist Science-Fiction? Was ist Science? Wieso hat der Mensch evolutionär ein anderes Bewußtsein  erhalten und wie – und stimmt das überhaupt?  Ist denkbar, wie sich das Bewußtsein noch erweitern wird? Oder bleibt es ein „unknown unknown“?

Diesen und anderen Fragen ging ich in der Interviewreihe „Denken an den Grenzen der Zeit“ im Bartocast nach. In dieser Reihe ging es um die Frage der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, sowohl historisch als auch futurologisch.

Nun werden die Interviews, redigiert und überarbeitet, in schriftlicher Form hier bei den Ruhrbaronen entscheiden. Den Anfang (hier komplett nachhörbar) macht Dr. Lars Dittrich, promovierter Neurobiologe. Der zweite Teil dieses Interviews erscheint morgen, am Samstag, 26. August.

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Selektive Bezüge?

Kai Pege, Pinselzeichnung: B. Koxholt

Sich sprachlich auf etwas zu beziehen, ist durchaus nicht üblich. Um dies zu können, bedarf es besonderer Anstrengungen. Es wäre naiv, einfach davon auszugehen, dass sich das umgangssprachliche Verhalten schon auf irgendwas beziehen wird, wofür hat man die Umgangssprache schließlich gelernt? Dies ließe sich tatsächlich fragen! Doch so weit kommt man im Alltag gar nicht. Üblich wäre stattdessen, Sprache als Mittel zur Kommunikation anzugeben. Alles andere ist völlig nebensächlich, auch worüber kommuniziert wird. Menschen benehmen sich schlimmer als Hühner, die es vor einigen Jahrzehnten in ehemaligen Bergmannskolonien noch reichlich gab!

Manches Wort ‚Kultur‘ z.B. lebt aus der emotionalen Aufladung, die wie in alten religiösen Riten über Jahrhunderte hinweg immer wieder neu vollzogen wurde, nachdem Pufendorf angesichts des 30-jährigen Krieges und im Kontext von Hobbes’ Naturzustandtheorie in Verzweiflung geriet und sich von den Menschen mehr Vernunft wünschte! Übrig blieben lediglich politische Vereinahmungen, die letztlich jeder sachlichen Relevanz entbehren (vgl. Matern, R. 2013, Zweifel an der Kultur. Essayistische Notizen, Duisburg). Um es kurz zu fassen: so etwas wie Kultur gibt es eventuell gar nicht, bestenfalls Künste, doch denen wird aktuell der Garaus gemacht, wenn sie nicht in aufbauschbares Einerlei und mitsingbares Lalala passen.

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Die Macht der Umgangssprache

‚Schwätzweiber‘ auf einem alten Marktbrunnen in Württemberg – Rebecca Kennison, CC BY 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5/deed.en)

Vor Kurzem hatte ich eine Auseinandersetzung über Worte pragmatisch / Pragmatismus, nicht hier bei den Ruhrbaronen, sondern in einem anderen Medium, die mich stutzig machte. Zugrunde lag ein Missverständnis. Zum Glück wurde mir die Auffassung meines Gegenüber erläutert, nachdem er sich über die für ihn widersprüchliche Verwendung mit allerlei Faxen (*LOL* usw.) lustig gemacht hatte. Die Worte bedeuteten für ihn ein intuitives Vorgehen und stünden als solche theoretischen Ansprüchen, wie sie z.B. durch Worte analytisch / Analyse erhoben werden, entgegen. Nun sind pragmatische Herangehensweisen, zumindest in Philosophie und Wissenschaft, nicht selten unterscheidbaren Bedingungen geschuldet, die eine allgemeine oder gar prinzipielle Behandlung nicht erlauben. Die Berücksichtung von unterscheidbaren Bedingungen kann sogar zu einer höhergradigen Differenzierung beitragen und erhöht die empirische Relevanz! Sieht man von der in sozialen Medien nicht unüblich gewordenen Faxenmacherei einmal ab, bleiben umgangssprachliche Vorurteile, wie sie z.B. der Duden verbreitet: man findet unter dem Eintrag ‚Pragmatismus‘ die Erläuterung: „den Menschen ausschließlich als handelndes Wesen verstehende philosophische Lehre, die das Handeln über die Vernunft stellt und die Wahrheit und Gültigkeit von Ideen und Theorien allein nach ihrem Erfolg bemisst.“ Der Wikipedia-Eintrag lautet ähnlich, doch betreffen beide Erläuterungen allenfalls die Auffassung von William James, wie er sie in „Pragmatism. A New Name for Some Old Ways of Thinking“ (1907) präsentiert hatte. Die Umgangssprache – und damit umfasse ich auch die sogenannte Hochsprache – bietet keinen hinreichenden Anhalt, obleich ihr von nicht wenigen Leuten die Funktion zugesprochen wird, der Kommunikation zu dienen.

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