Soziale Netzwerke: „Ich habe 422 Freunde. Trotzdem bin ich einsam.“



Wir alle kennen diese Situationen. Man schaut in der Öffentlichkeit um sich und alle Personen in Sichtweite scheinen gerade in ihre Handydisplays zu schauen, oder sie beschäftigen sich mit ihren mobilen Computern.

Das führt im Alltag inzwischen häufig zu recht bizarr anmutenden Situationen.

Doch ein großer Teil der Leute scheint sich bereits mit diesen Gegebenheiten so arrangiert zu haben. Allerdings gibt es auch noch Zeitgenossen welche die damit zunehmend einhergehende Vereinsamung und Kontaktlosigkeit beklagen und auch vermehrt öffentlich dagegen angehen wollen.

Dazu passend gibt es seit einigen Tagen dieses vielbeachtete, kritische Video von Gary Turk im Netz. Er beklagt die fortschreitende Entwicklung und fordert uns in seiner Videobotschaft alle auf unsere Handys in Zukunft wieder häufiger auch mal auszuschalten, wieder mehr persönlich miteinander zu kommunizieren.

Schaut Euch das englischsprachige Video an, wenn Ihr es noch nicht kennt. Es lohnt sich wirklich über die darin wohlformulierten Gedanken und Schlussfolgerungen  einmal ein paar Minuten nachzudenken…

Polizei Berlin entdeckt Twitter und sorgt für Spott

PolizeiBerlinEinsatz (PolizeiBerlin_E) auf Twitter 2014-03-23 13-07-03Die deutschen Behörden gehen mit der Zeit. Auf Facebook und Twitter informieren uns Stadtverwaltungen, Polizeidienststellen und diverse Ämter. Anlässlich einer Demonstration aus dem autonomen Spektrum begleitete die Berliner Polizei gestern auch erstmals einen Einsatz per Twitter.

Ein linkes Bündnis hatte gestern zu einem Aktionstag gegen Repression aufgerufen. In Berlin wurde mit Ausschreitungen und Verkehrsbehinderungen gerechnet. Eigentlich ein guter Zeitpunkt für die Polizei, um ihren Einsatz im Netz zu begleiten und interessierte Bürger zeitnah zu informieren. Andere Polizeibehörden wie z.B. die Dortmunder machen es vor. Bei Demonstrationen und Fußballspielen informieren sie über Umwege und teilen mit, wenn Sperrungen wieder aufgehoben werden.

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Derbykrawalle: Ausgerechnet der Berater von Robert Lewandowski fordert eine harte Strafe für den Verein seines eigenen Klienten

Das Stadion von Borussia Dortmund. Foto: BVB
Das Stadion von Borussia Dortmund. Foto: BVB

Man mag es fast nicht glauben, doch nun fordert ausgerechnet der Berater von BVB-Stürmer Robert Lewandowski, Maik Barthel, offenkundig eine schwere Bestrafung des BVB nach den Krawallen von Gelsenkirchen.

Dies berichteten gestern Abend übereinstimmend gleich mehrere Internetportale. Und tatsächlich, auch heute Vormittag findet sich der umstrittene Twitter-Eintrag des 44-jährigen Spielerberaters noch immer im Netz.

Screenshot Twitter 01.11.13
Screenshot Twitter 01.11.13

Dass ausgerechnet Barthel, als Vertreter eines Dortmunder Spielers, eine harte Bestrafung des Vereins fordert, für den sein Klient spielt, das erinnert mich an einen Vater, der vor Gericht dafür plädiert, dass sein Sohn die Höchststrafe erhält. So etwas mag es im Einzelfall durchaus geben, aber wohl nur dann, wenn das Tischtuch zwischen Vater und Sohn endgültig zerschnitten ist.  Kann man dies auf das Verhältnis des Lewandowski-Beraters zur Borussia übertragen? Womöglich!

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Lizenzentzug: Fans des MSV Duisburg organisieren sich aktuell bei Facebook

Fußball. Quelle: Wikipedia, Foto: Anton, Lizenz: cc
Fußball. Quelle: Wikipedia, Foto: Anton, Lizenz: cc

Man hat uns gebeten auf eine aktuelle Aktion bei Facebook aufmerksam zu machen:

Unter www.facebook.com/rettetdenmsv organisieren sich derzeit Fußballfreunde, welche den Untergang des traditionsreichen MSV aus Duisburg verhindern wollen.

Die Organisatoren schreiben wörtlich:

„Wir möchten euch dazu aufrufen, ob MSV-Fan oder nicht, den MSV vor der Insolvenz zu retten.

In den Farben getrennt, in der Sache vereint. Für die Tradition !

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BVB: Borussia ruft via Twitter dazu auf überhöhte Kartenpreise auf Ebay für das anstehende Halbfinalspiel gegen Madrid umgehend dem Verein zu melden

bvbAm heutigen Tage sorgten unschöne Meldungen über den teilweise doch sehr problematisch verlaufenden Vorverkauf für Tickets gegen Real Madrid für Schlagzeilen.

Unter den wartenden Fans sollen Kartenhändler u.a. diverse ‚Strohmänner‘ platziert haben, welche für Wiederverkäufer Kartenkontingente in größerem Umfang aufgekauft haben.

Geschäftsführer Aki Watzke hat im Laufe des Tages schon öffentlich angekündigt, dass der BVB aus diesen Vorkommnissen seine Lehren gezogen haben will.

Erste Reaktionen von Vereinsseite kamen gerade auch über Twitter rein. Der Verein ruft darin dazu auf, überteuerte Kartenangebote auf Ebay dem Verein zu melden:

„Bitte schickt uns Links zu etwaigen hochpreisigen Ticket-Angeboten auf eBay per Mail an tickets@bvb.de unter dem Betreff „eBay“. Danke!“, heißt es bei Twitter.

Also, wer von unseren Lesern über solche Angebote stolpern sollte, der BVB freut sich über eine Meldung dieser Vorgänge!

Ruhr Nachrichten-Lokalchef Philipp Ostrop: „Mehr beta für den Journalismus!“

Philipp Ostrop

Die Ruhr-Nachrichten binden seit wenigen Tagen Blogs und Twitter in ihre Dortmunder Online-Berichterstattung ein. Wir sprachen mit dem Ruhr-Nachrichten Lokalchef Philipp Ostrop über die Gründe der Öffnung und die weiteren Pläne des Verlags im Internet.

Ruhrbarone: Vielen Dank, Kollege Ostrop. Jetzt schicken Sie uns auch noch Leser. Sollten Sie als Lokalchef nicht alles tun, um Leser auf den Ruhr Nachrichten zu halten anstatt sie weiter zu reichen?

Philipp Ostrop: „Ach, die Leser schicken wir doch gerne rüber. Könnten wir uns vielleicht im Gegenzug eure Anzeigenerlöse teilen? Im Ernst: Jeder Internet-Nutzer weiß doch, dass es mehr als ein Angebot gibt. Und wir geben uns zwar alle Mühe, aber können nicht alle Inhalte, die irgendjemanden auf der Welt interessieren, auf unserer eigenen Webseite haben. Also verlinken wir lieber auf Interessantes. Wenn wir jemanden wegschicken, kommt er sicherlich wieder, wenn wir ihm einen guten interessanten Link angeboten haben. Die Vernetzung ist ja schließlich das Wesen des Internets. Und überhaupt: Journalisten werden zukünftig sowieso mehr aggregieren und kuratieren müssen – dann können wir auch heute schon mal damit anfangen und etwas ausprobieren.“

War es schwierig, diese Idee im Verlag durchzusetzen? Dieses neue Denken steht ja schon im Widerspruch zu den klassischen Verlagsstrategien. Die Zeiten, wo sich die Medien im Ruhrgebiet noch nicht einmal erwähnten sind ja noch nicht so lange her.

Ostrop: „Vorweg: Es ist für uns immer noch ein Experiment. Rund um die BVB-Meisterfeier haben wir bereits zweimal mit Storify die Web-Reaktionen abgebildet. Das Ergebnis fanden wir ganz spannend. Und deshalb wollen wir nun jeden Tag das eine oder andere interessante Dortmunder Fundstück aggregieren. Dahinter steht keine große Strategie-Entscheidung, es ist eher ein Beta-Test. Wir im

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Die unglaubliche Geschichte der Neda Soltani – vom Versagen der Medien und der „Social Networks“

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Mir gegenüber sitzt die Todgesagte. Sie redet, sie lacht, manchmal merke ich, dass sie Angst hat. Neda Soltani musste flüchten, sie hat ihre Heimat verlassen. Sie sagt, hier in diesem Kaff bei Frankfurt am Main sei alles anders. Schnee, Frost, Regen und kalte Straßen mit kalten Gesichtern. Ein fremdes Land für die jungen Frau.

Das Bild von Neda Soltani kennt fast jeder auf dieser Welt. Es kam über die Sender, das Internet und die Zeitung in so gut wie jedes Haus als das Bild einer Toten. Dieses bekannte Portrait zeigt eine junge, vorsichtig geschminkte Frau mit braunen Augen. Der im Iran gesetzlich vorgeschriebenen Schleier ist eine Handbreit zurückgeschoben. Man sieht den Ansatz ihres kräftigen Haares. Sie lächelt, ein wenig weich, ein wenig unschuldig, freundlich.

Hier und jetzt, in einem Cafe irgendwo in der Nähe von Frankfurt ist das Gesicht von Neda Soltani härter geworden. Sie trägt keinen Schleier mehr. Man sieht graue Strähnen, die größer werden an ihrer Stirn. Es war nur ein Missverständnis, sagt sie. Ein Fehler. Ein Irrtum mit schrecklichen Folgen. Neda Soltani geriet in den Tumulten nach den gefälschten Wahlen im Iran zwischen die Fronten, wurde gehetzt, gejagt und musste flüchten. Ihr altes Leben zerbrach wie ein Spiegel. Ihr Foto, das Bild mit dem weichen Lächeln das um die Welt ging, wurde ihr entrissen.

Bis vor einem halben Jahr hat Neda Soltani in Teheran gelebt. Sie unterrichtete dort englische Literatur. Sie kann sich in der fremden Sprache fließend ausdrücken, gewählt und intelligent. Im Sommer erst hatte sie eine Arbeit über die weibliche Symbolik im Werk von Joseph Conrad abgeschlossen. An den Protesten im Iran konnte sie deswegen nicht teilnehmen. Sie musste im Juni Korrektur lesen. „Mein Ziel war es, irgendwann eine Professur anzustreben, wenn ich gut genug dafür gewesen wäre.“

Ihre Eltern gehören der iranischen Mittelschicht an. Wo genau sie herkommt und was ihre Familie macht, will sie nicht sagen. Sie hat Angst. Sie erkennt Probleme. Sie weiß, dass nicht alles richtig läuft. Aber sie war vor allem fleißig, wenn es darum ging, zu lernen. Eine Akademikerin. „Ich habe über zehn Jahre hart gearbeitet, um mir die Position als Dozentin an der Universität zu sichern. Ich habe Geld verdient, ich bin mit Freunden ausgegangen und ich habe Spaß gehabt.“ Heute hat sie davon nichts mehr. Keine Arbeit, kein Geld und keine Freunde zum Ausgehen. Neda Soltani ist jetzt 32 Jahre alt.

Die Geschichte ihres Fotos beginnt am 20. Juni 2009. Damals wurde in der Nähe der Kargar Avenue in Teheran gegen 19:00 Uhr Ortszeit eine junge Frau niedergeschossen. Sie fiel auf den Rücken, aus ihrem Mund lief Blut. Dabei starrte sie in eine Handykamera, verletzt, voller Angst, wehrlos. Sie starb wenig später auf dem Weg ins Hospital. Die Bilder der sterbenden Frau wurden auf Youtube hochgeladen.

Alarmiert durch Blogger und Twitter stoßen bald große Sender auf das Sterben der Frau. Redakteure versuchen sie zu identifizieren. In Zeitnot suchen sie Bilder der Toten. Ihr Vorname, Neda, war im Video zu hören. Schnell kommt über das Netz ein Nachname: Soltan, Studentin der Islamic Azad Universität in Teheran. Irgendwer sucht mit diesen Daten bei Facebook.

Hier unterhält auch Neda Soltani eine Seite. Öffentlich zugänglich ist hier nicht viel. Neda Soltani hat ihre Inhalte allein für Freunde freigegeben. In ihrem Profil stand allerdings ein Foto, das damals jeder sehen konnte.

Wer als erster auf ihre Seite im internationalen Portal für Studenten, Manager und Hausfrauen stieß, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Genauso wenig ist klar, wer den Fehler machte und die ermordete Neda Soltan (auf dem Foto links) mit Neda Soltani (auf dem Foto rechts) verwechselte.


Auf jeden Fall kopiert irgendwer das Foto der Lebenden in der Nacht auf den 21. Juni 2009 aus deren Facebook-Profil. Es wird über die sozialen Netzwerke, über Blogs und Portale gestreut. Dann wird es über CNN, BBC, CBS, ZDF, ARD und fast jeden anderen denkbaren Sender gesendet. Es wird gedruckt in den Zeitungen und Magazinen dutzender Länder. Es passiert gleichzeitig, es passiert weltweit.

Das Foto der jungen Frau wurde so zum Symbol des Freiheitskampfes am persischen Golf. Auf Demonstrationen trugen die wütenden Menschen das Abbild der vermeidlichen Märtyrerin vor sich her. Sie trugen es auf ihren T-Shirts und bauten ihm Altäre. Sie riefen: „Engel des Iran“.

Wie konnte es zu dem verwechselten Foto kommen? Soltani ist ein gewöhnlicher Name im Iran. Wie Meyer oder Müller vielleicht. Auch Neda ist nicht ungewöhnlich. Man könnte ihn mit Sonja oder Sandra vergleichen. Die Ermordete studierte an der privaten Islamic Azad Universität, die lebende Neda Soltani war dort Dozentin. Doch hätten die Medien nicht besser prüfen müssen, wessen Foto sie benutzen, anstatt es einfach von einer Facebook-Seite zu kopieren und weltweit zu verbreiten? Es gab Zeitdruck, das ja, aber es gab zumindest eine Sache, die hätte stutzig machen müssen. Die Tote hieß mit vollem Namen Neda Agha-Soltan. Die Lebende wird einfach Neda Soltani genannt.

Am Morgen des 21. Juni 2009, einen Tag nach dem Todesschuss, wunderte sich Neda Soltani. Immer mehr Menschen wollten sich auf ihrer Facebook-Seite registrieren, als angebliche Freunde. Hunderte waren das, aus aller Welt. Es hörte nicht auf. Es kamen Anrufe. Ein befreundeter Professor brach in Tränen aus, als er ihre Stimme hörte.

Zunächst ein schlechter Witz, dachte Neda Soltani. Etwas, das mit zwei, drei Anrufen aus der Welt zu schaffen ist. Ein Fehler halt, wie er nicht passieren darf, aber passieren kann. Sie fing an zu schreiben. Sie schrieb, dass sie leben würde. Sie schrieb an den im Iran populären Sender Voice of America. Sie schrieb, dass es ein Irrtum sei. Dass sie das falsche Foto hätten. Als Beweis schickte Neda Soltani ein weiteres Foto von sich. Und schrieb: Die Redaktion könne ja vergleichen. Das sei auch sie. Neda Soltani hat nicht damit gerechnet, was dann passierte.

Voice of America verbreitete nun dieses zweite Foto als neues Bild der verstorbenen Neda und CBS griff es auf. Neda Soltani bekam Angst. Alles was sie tat, um ihr Bild zurück zu gewinnen, schien nutzlos.

Sie löschte das Foto auf ihrer Facebook-Seite. Damit es niemand mehr runterladen kann. Der nächste Stein kam ins Rollen. Zensur wähnend, wurde ihr Foto kopiert, dutzende, hunderte Facebook-Seiten auf aller Welt spiegelten ihr Bild. Es wurde in Blogs fixiert und bei Twitter versandt.

Es war, als sei ihre eigene Identität aus dem Foto gelöscht und stattdessen mit den Sehnsüchten tausender Menschen aufgeladen. Das lächelnde Gesicht der Tod Geglaubten gerann zur Ikone eines unschuldigen Opfers im Freiheitskampf.

Es half auch nichts, dass spätestens seit dem 23. Juni 2009 authentische Fotos der toten Neda Agha-Soltan frei und für jeden verfügbar waren, deren Eltern hatten sie herausgegeben. Das Bild von Neda Soltani wurde trotzdem weiter verbreitet.

Freunde von Neda Soltani versuchten, in Foren den Fehler richtig zu stellen. Eine Vertraute wurde deswegen beschimpft. „Du Bastard, Du wirst uns den Engel des Iran nicht nehmen.“ Es ist, als könne der einmal geglaubte Irrtum nicht mehr berichtigt werden.

Die Geschichte ist nicht nur die Geschichte des Versagens der traditionellen Redaktionen in hektischen Nachrichtenzeiten. Diese Geschichte beschreibt auch das Versagen der sozialen Medien. Die Masse hat im Netz nicht nur die Macht, Lügen zu entlarven. Die Masse kann auch eigene Wahrheiten erschaffen und verteidigen. Egal wie falsch die sind. Nur sehr wenige Blogs berichteten über den Fehler. Keiner wurde so ernst genommen, dass er die Macht gehabt hätte, den Irrtum zu korrigieren.

Irgendwann wurde Neda Soltani klar, dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft. Nur wenige Journalisten schrieben sie über ihre Facebook-Seite an und fragten nach ihrer Identität. Keiner von ihnen konnte oder wollte die Welle stoppen.

Neda Soltani geriet im Iran unter Druck. Sie wurde bedroht. Sie hat Angst um ihre Familie, deswegen kann und will sie nicht sagen, was genau vorgefallen ist. Nur soviel ist klar: Der Fehler mit ihrem Foto sollte gegen die Opposition gewandt, die Menschen auf der Straße als Instrumente westlicher Fälscher entlarvt werden – mit aller Gewalt. Es kamen schlimme Vorwürfe, die den Tod bringen können. Neda Soltani wurde krank. Panikattacken und hilflose Angst.

Sie konnte nicht mehr bleiben. Sie musste aus dem Iran verschwinden. Ohne von ihren Eltern Abschied zu nehmen, floh sie am 2. Juli 2009 in den Westen. Ihre Ersparnisse bekamen Fluchthelfer. Mit nichts in den Händen als einem Rucksack, einem kleinen Rucksack, ging sie los. Sie floh über Griechenland nach Deutschland. Hier hat sie einen Cousin. In Bochum. Der ist jetzt Ihre Familie.

Am 3. Juli 2009 brachte endlich BBC Online eine Nachricht über die falsche Identität in einer Internet-Wochenschau über soziale Netzwerke. Direkt hinter den Verschwörungstheorien zum Tod von Michael Jackson. BBC Online kommentierte: „Dieser Fall ist ein herausragendes Beispiel für die Gefahren, wenn Massenmedien Bilder aus sozialen Netzwerken im Internet verbreiten.“

Man hätte nun erwarten können, dass es damit ein Ende findet. „Meine Freunde haben mir gesagt, warte noch einen Tag. Dann wird alles gut. Doch es vergingen die Tage und nichts wurde gut“, sagt Neda Soltani.

Das Asylverfahren in Deutschland läuft nun seit Monaten. Neda sagt, sie wollte nie auswandern. Sie war auch noch nie im Westen. Sie sagt, sie hat Heimweh. Sie bekommt vom Deutschen Staat etwa 180 Euro im Monat als Hilfe. Das reicht kaum, um sich von Salaten, Früchten und Broten zu ernähren, so wie sie es gewohnt ist. Sie lebt irgendwo in einem Heim für Flüchtlinge. Ihr Zimmer mit der Nummer 11 ist schmal, zwei Betten, ein Regal. Hier will sie niemanden hineinlassen. Sie sagt, sie will die Monate „im Lager“ so schnell wie möglich vergessen. Sobald sie raus ist, soll sie nichts mehr an das hier erinnern. Die Beschläge der Türen sind mit Gips geflickt. Die Küche für einen ganzen Flur mit zwei dutzend Menschen hat kein Fenster, der Ausguss wackelt auf einem Brettergestell. Auf einem Balkon zum Hof ist eine Satellitenschüssel auf eine abgebrochene Metallstange gespießt. Die Stange steckt in einem vergammelten Sauerkrauteimer mit Sand und Steinen. Improvisiertes Flickwerk für eine Verbindung zur Heimat.

Obwohl das Foto der toten Neda seit Monaten bekannt ist, taucht noch immer das Bild der falschen bei Spiegel-Online auf, in der New York Times oder in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Selbst ein Bild der Nachrichtenagentur AFP zirkuliert noch durch die Archive.

Eines ist allen diesen Bildern gemein: Es sind meist Aufnahmen von Fotos. Sie zeigen Menschen, die eine Ikone in die Kamera strecken. Bilder eines falschen Bildes.

Neda Soltani hat lange dazu geschwiegen. Sie hat Boden unter den Füssen gesucht, sich gesammelt.

Als CNN im November einen Bericht zum Iran brachte, war der wieder mit dem Foto von Neda Soltani illustriert. Sie schrieb den Sender an und bat darum, ihr Bild zu löschen.

Als Antwort erhielt sie eine automatische Email, die um Verständnis bat, dass nicht alle Hinweise persönlich beantwortet werden könnten. Unterzeichnet war das Schreiben mit „CNN, The Most Trusted Name In News“.

Das Bild gehört nicht mehr ihr. Es gehört CNN und den anderen.

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Diese Geschichte erschien auch im SZ-Magazin.

Google twittert, die wertvollsten Blogs, Falschmeldungen

Blicke ins Netz

Google macht jetzt wirklich auf Twitter. Entgegen dem Gerücht der Beteiligung, dem ich wie viele andere aufgelaufen bin, hat Google seit gestern einen Twitter Account. Stand daeben haben sie immerhin schon 11 Posts bei mehr als 25.000 zwitschernden Verfolgern. Das riecht mir doch nach Rekord. Dabei sein ist alles! Hier beim Klck

Zum Thema Falschmeldungen und der zuckende Reflex der schreibende Zunft darauf, möchte ich kurz auf den Artikel von Martin Weigert bei Netzwertig verweisen, der dies Thema mal wieder auf den Punkt bringt. Text beim Klck

Das amerikanische Blog 247wallst.com veröffentlichte Anfang der Woche eine Liste der 25 wertvollsten Blogs. Die Errechnung der Werte beruht auf der Auswertung von öffentlichen Quellen hinsichtlich der Reichweite in Unique Usern und Seitenabrufen. Die Erlösschätzung dagegen ist eine Mischung aus Auszählung der Werbepläztze und der Schätzung des Tausender-Kontakt-Preises (TKP). Die dort genannten Summen kommen mir schon sehr hoch vor. Das auch Hierzulande einer breiteren Masse bekannte Society-Blog PerezHilton erzielt den Berechnungen zufolge 23 Mio $, damit landet es jedoch nur an Position drei.

 

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Zumwinkel Gezwitscher

Es ist jetzt nicht der ganz große Prozess, der da seit heute in Bochum gegen Klaus Zumwinkel aufgerollt wird. Dafür blieb die Schadenssumme plötzlich zu gering. Auch fehlt eine der Hauptpersonen, die nach vielen Wirren im Justizapparat nun ihren Dienst in Essen als Amtsrichterin versehen muss. Margrit Lichtinghagen sitzt dort übrigens auf der Planstelle einer erkrankten Ex-RTL-Jugendrichterin.

Am Essener Gericht munkelt man bereits, dass auch Lichtinghagen keinen einzigen Tag als Amtsrichterin arbeiten wird. Das NRW-Justizministerium soll gerade an einer auf die prominente Staatsanwältin zugeschnittenen Aufgabe arbeiten – etwa in Lehre und Ausbildung von Fahndungspersonal.

Doch auch ohne allzu hohe Strafen – Zumwinkel erklärte heute unter anderem, dass er Steuern hinterzogen ("größter Fehler meines Lebens!"), seine Steuerschuld aber beglichen habe und deshalb mit den Steuerbehörden im Reinen sei – ist es ein Prozess gegen einen bundesdeutschen Spitzenmanager. Und wer das Geschehen fast live mitverfolgen will, kann sich von Bernd Kiesewetter zutexten lassen klick. Der Bochumer WAZ-Gerichtsreporter twittert *fast* aus dem Gerichtssaal. Und das liest sich ziemlich putzig.

Abb.: flickr.com