INTERVIEW mit Kubasik-Anwalt CARSTEN ILIUS zu Beate Zschäpes Aussage im NSU-Prozess. Nach 48 Monaten Haft und 249 Prozesstagen brach die Angeklagte heute ihr Schweigen. Ihre neuen Anwälte Mathias Grasel und Hermann Borchert hatten zu einer Aussage geraten und damit die Strategie des Schweigens beendet. Mit Spannung erwarteten viele Menschen, dass die wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung (NSU) Angeklagte endlich reinen Tisch macht und zur Aufklärung der zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge des Nationalsozialistischen Untergrunds beiträgt. Vor allem die Angehörigen der Mordopfer forderten immer wieder Aufklärung. Doch Zschäpe bestritt heute ihre Mittäterschaft an den Morden – sie sei weder an den Vorbereitungen noch an der Ausführung beteiligt gewesen. Es ging ihr heute vor allem darum, mildernde Umstände zu erreichen – so die Einschätzung des Rechtsanwalts Carsten Ilius (Berlin), der die Witwe des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet Kubasik, Elif Kubaşık, im Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht vertritt. Beate Zschäpe vermittelte die Rolle eines Unschuldslamms statt einer Mittäterin. Die Ruhrbarone sprachen mit ihm direkt nach Zschäpes Aussage.
Ruhrbarone: Herr Rechtsanwalt Ilius, der Verteidiger von Beate Zschäpe, Mathias Grasel, hat heute die 53-seitige Aussage der Angeklagten verlesen. Zunächst ging es vor allem um Persönliches, wie das Kennenlernen der „beiden Uwes“ und Zschäpes Weg in den Untergrund. Gab es Neues oder war die Erklärung eine Zusammenfassung der bereits vorhandenen Kenntnisse?
Carsten Ilius: Ja, das muss man sagen. Die Erklärung war nichts anderes als die Aufzählung von in der Anklageschrift aufgezählten, bereits bekannten Tatsachen. Wir haben heute weitgehend nur das erfahren, was wir ohnehin schon aus der Beweisaufnahme wussten.
Zschäpe erklärte heute vor allem auch ihre persönlichen Beweggründe. Wurden diese glaubwürdig vorgetragen oder sollte ihre Aussage nach Ihrem Eindruck vor allem dazu dienen, sich selbst zu entlasten und sich als Opfer darzustellen?
Frau Zschäpe hat heute gezeigt, dass sie sich vor allem selbst bemitleidet. Sie stellte sich als Opfer dar – sie habe von den Morden und Sprengstoffanschlägen zuvor nichts gewusst. All das ist vollkommen unglaubwürdig – auch aufgrund vieler Einzelumstände, die wir aus der Beweisaufnahme kennen. Die Erklärung ist zudem teilweise in sich widersprüchlich.