Als Frank Patalong Ende im März auf Spiegel-Online einen Artikel über die Werbeblocker veröffentlicht hatte, gab es Ärger. Ihm wurde in Blogs Qualitätsheulsusenismus vorgeworfen, in Mails wurde er beschimpft und auch im Forum von Spon gab es nur wenige Diskutanten, die sich ihm anschlossen. Dabei hatte sein Text eigentlich eine ganz einfache Botschaft: Auch Internet-Medien müssen Geld verdienen. Wir sprachen mit dem Spiegel-Mann über seine Thesen.
Herr Patalong, Ihr Artikel auf Spon über die Auswirkungen von Werbeblockern auf digitale Medien im März setzte eine heftige Diskussion in Gang. Haben Sie die zumeist negativen Reaktionen überrascht?
Nein, mich haben die Reaktionen nicht wirklich überrascht. Es war ja auch nicht der erste Artikel zum Thema Werbeblocker auf Spiegel-Online. Ich arbeite seit 16 Jahren Online und mir war klar, dass viele Leser mit der Kritik am Einsatz von Werbeblockern nicht einverstanden sein würden.
Gab es auch Zustimmung?
Ja, vor allem in persönlichen E-Mails, aber auch da waren die Unterstützer in der Minderzahl. Im Forum auf Spiegel-Online begann die Diskussion durchaus differenziert, kippte aber sehr schnell und wurde dann von den ablehnenden Kommentatoren bestimmt. Verständnis für meine These, dass der Einsatz von Werbelockern erstens gegenüber Online-Medien unsolidarisch ist und sich Nutzer mittelfristig selbst damit schaden, war selten.
Die Nutzer von Werbeblockern sind in der Minderheit. In ihrem Artikel schrieben Sie, dass zwischen 5 und 25 Prozent aller Leser Werbeblocker einsetzen. Die könnte man auch ignorieren.
Nein, das kann man nicht. Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass die meisten professionellen Online-Medien in Deutschland rote Zahlen schreiben. Das trifft auf die Angebote von Magazinen und Zeitungen ebenso zu wie auf die großen Blogs. Wir alle versuchen, uns mit Werbung zu finanzieren. Die Margen sind im Vergleich zum traditionellen Geschäft aber sehr gering, auch bei Spiegel-Online. Dabei gehören wir ja zu den wenigen, die Geld verdienen. Brechen dann 10 Prozent der möglichen Einnahmen durch Werbeblocker weg, kann das den Unterschied ausmachen zwischen gerade noch im Plus oder schon deutlich im Minus. Kosten verursacht derweil auch der Traffic, der nicht mit Werbung unterfüttert ist.
Was mich an der Diskussion erschüttert hat, war die Häme, mit der zum Teil diskutiert wurde. Medien werden von Menschen gemacht, die davon leben. Es kostet nun einmal Zeit, eine gute Geschichte zu recherchieren, und derjenige, der das macht, muss seine Arbeit bezahlt bekommen, sonst kann er sie nicht leisten. Mein Artikel hatte eine ganz einfache Aussage: Wer ein Medium schätzt, sollte sich nicht daran beteiligen, seine wirtschaftlichen Grundlagen zu zerstören.
In vielen Kommentaren wurden penetrante Werbeformen wie Pop-Ups kritisiert.
Zu Recht. Es gibt Werbeformen, die sind eine Zumutung für die Leser und dazu gehören die leidigen Pop-Up-Kaskaden. Auf Spiegel-Online verzichten wir auf Pop-Ups, aber manche Medien haben gar keine Alternative und müssen jede Werbeform akzeptieren, die ihnen angeboten wird. Aufdringliche Werbeformen wünschen sich nicht die Medienmacher, sondern die Werbewirtschaft. Auch die muss lernen, dass sie sich mit solchen Formen selbst schadet. In dieser Hinsicht ist die in der Diskussion zum Artikel geäußerte Kritik höchst konstruktiv.
Es ist allerdings auch naiv, Werbung zu fordern, die nicht auffällt. Werbung muss auffallen und sich von dem redaktionellen Teil absetzen, sonst hat sie keine Wirkung.
In einigen Kommentaren wurde Google-Textwerbung als Beispiel für gute Werbung genannt. Nur Google-Werbung lohnt sich für die Anbieter von Inhalten kaum.
Google-Werbung nutzt vor allem Google. Damit bekommt man kein aufwendiges redaktionelles Angebot finanziert. Und es gibt einen großen Unterschied zwischen der Werbung auf einer Suchmaschine und auf einer redaktionellen Seite: Der Erfolg von Google-Werbung beruht auf der permanenten Beobachtung des Nutzerverhaltens. Würden wir das tun, gäbe es zu Recht heftigen Protest. Wir kommen an klassischer Werbung nicht vorbei: Wer ohne Werbung lesen will, wird mittelfristig zahlen müssen oder akzeptieren, dass „seine“ Medien irgendwann nicht mehr die gewohnte Qualität oder Quantität bieten.
Wie das Beispiel Ars-Technica gezeigt hat, ist es für Verlage kaum möglich, Leser mit Werbeblockern auszuschließen.
Ars Technica schlug eine regelrechte Hasswelle entgegen. Aber es widerspricht auch der Denke eines Medienmachers, Leser auszuschließen: Wir wollen möglichst viele erreichen, mit einem möglichst guten Produkt. Das unabhängig und werbefinanziert hinzubekommen, ist das Ideal. Auch Paid-Content wird für die meisten existenzgefährdend werden. Wir werden das sehen: Wenn Rupert Murdoch im Juni The Times zu einem Paid-Content Angebot umbaut, wird der Preis dafür ein massiver Reichweitenverlust sein.
Wenn die Onlineausgabe von The Times dann rentierlich wäre, hätte er sein Ziel erreicht. Ein kleines, teures Magazin wie Mare macht auch Gewinn. Im Gegensatz zu vielen Tageszeitungen, die viel höhere Auflage haben.
Man kann aber ein Special-Interest Magazin wie Mare nicht mit einer Tageszeitung oder einem Nachrichtenmagazin vergleichen. Das geht weder im Print noch online. Nachrichtenmedien gewinnen ihre Bedeutung durch ihre Reichweite. Sie müssen rentierlich sein, aber gleichzeitig viele Menschen erreichen und eine möglichst hohe Qualität haben.
Qualität erreicht man auch im Medienbereich durch viele und gute Mitarbeiter.
Viele Verlage haben in den vergangenen Jahren Personal abgebaut und ganze Redaktionen geschlossen. Das hat der Qualität geschadet. Man kann dann natürlich leicht sagen „So ist der Markt, es gab eben nicht genug Leser, die Geld für diese Zeitungen oder Magazine ausgeben wollten.“ Aber das ist zynisch, denn in einer Zeit, in der man jede Information, fast jeden Artikel, Film oder jedes Musikstück auch umsonst bekommen kann, gibt es keinen Markt im klassischen Sinne mehr.
Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahren die Anzeigenumsätze nicht nur zurückgegangen sind. Sie sind kollabiert. Das hat nicht in erster Linie diejenigen getroffen, die einfach nur Pressemitteilungen kopieren und billig arbeiten, sondern vor allem die Qualitätsmedien, die einen hohen Aufwand treiben. Die einst einflussreiche Frankfurter Rundschau ist auf dem Weg zu einer Regionalzeitung und schon vom Format her geschrumpft. Die Süddeutsche Zeitung ächzt unter dem Kostendruck, und das obwohl sie am Markt erfolgreich ist und hervorragende Leserzahlen hat.
Wir leben in einer Umbruchphase mit einer fatalen Ungleichzeitigkeit: Während der Anzeigenmarkt im Printbereich zusammenbricht, wachsen die Umsätze online in viel zu geringem Maße. Aber es ist trotzdem falsch, von einer Kannibalisierung der Zeitungen durch das Internet zu reden. Bei allen Problemen haben auch Magazine und Zeitungen von der Entwicklung des Internets profitiert.
Wie das denn?
Durch neue journalistische Formen. Bis vor gar nicht so langer Zeit waren Zeitungen und Medien sehr trocken, sehr nachrichtenlastig und mit wenig Mut zur Meinung. Das hat sich geändert. Der meinungsfreudige, beschreibende Journalismus aus den Online-Redaktionen hat sich positiv auf alle Medien ausgewirkt.
Aber den gab es doch schon lange vor der Popularisierung des Internets: Angefangen bei Hunter S. Thompson und Tom Wolfe seit den 60er Jahren in den USA über Stadtmagazine, Tempo oder die Spex hatte sich diese Öffnung schon lange vollzogen.
Ja, die Wurzeln dieser Art zu schreiben sind alt, aber die großen Redaktionen hat diese Veränderung erst über das Internet erreicht. So manche konservative, staubtrockene Zeitung hat sich erst über die Erfahrungen, die sie Online gemacht hat, deutlich verjüngt. Denken Sie mal an die „Welt“ vor zehn Jahren und heute. In den Szenemagazinen gab es das alles viel früher.
Es gibt ja viele Ideen jenseits von Werbung und Paid-Content im Web: Apps, eine Kulturflatrate, Spenden…
Bei den Apps, also dem Paid Content jenseits des Webs auf Produkten wie dem iPad, wird in den kommenden Monaten viel passieren. Die ganze Branche arbeitet an adäquaten Produkten mit einem Mehrwert, der so überzeugend sein soll, dass Leser bereit sind zu zahlen. Ob solche Produkte sich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Vor einer Kulturflatrate graust es mir: Würde es da dann, wie bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, paritätisch oder nach Proporz besetzte Kommissionen geben, die über Verteilschlüssel entscheiden? Und vielleicht käme auch jemand auf die Idee, verschiedene Medien auszuschließen. Zum Beispiel Gamer-Magazine, die über indizierte Computerspiele schreiben? Ich bin kein Neoliberaler, aber hier sind mir die Entscheidungen des Marktes lieber als die von Kommissionen. Wir brauchen keine staatlich kontrollierten oder steuerähnlich finanzierten Medien, sondern unabhängige, die sich ohne Existenzangst auch mal Unbeliebt machen können.
Bleibt das Sponsoring.
John Perry Barlow forderte ja schon in den 90ern, dass Medien in Zukunft von Mäzenen finanziert werden. In der Renaissance, so sein Argument, hätte das ja mit der Kunst auch geklappt.
Das letzte Abendmahl von da Vinci kann sich sehen lassen.
Ja, das ist gelungen. Aber ich möchte trotzdem keine Nachrichtenmagazine von Parteien und keine Computermagazine von Sony, Apple oder Nintendo. Unabhängiger Journalismus ist ein hohes Gut. Ich bleibe dabei: Jeder sollte die Medien, die er schätzt, unterstützen. Er sollte sie als Magazine oder Zeitungen kaufen, wenn er will, und sie online zumindest nicht daran hindern, Geld zu verdienen.
Foto: C. Patalong