Talent Borrows, Genius Steals – Zwischen Hommage und geldgeiler Klang-Kopie

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Früher hatte ich mal einen Blog, der hieß „Talent Borrows, Genius Steals“. Für sowas habe ich natürlich im Moment kaum noch Zeit, aber gestern saß ich mit Simon Frontzek und Simon Den Hartog im Studio von Olaf Opal (Keine Angst, es wurde nichts von mir aufgenommen.) und musste an ein paar meiner Blogeinträge denken. Außerdem haben sich Wir sind Helden gestern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgelöst (reden Bands nicht immer von Pausen?) und die waren auch mal Teil des Blogs. Die Helden mochte ich immer schon, musikalisch, textlich und – natürlich – wegen Ihres grandiosen Umgangs mit den Medien. Im Studio waren Wir sind Helden bei ihrer ersten Platte besonders stark auf die Hilfe eines Produzenten angewiesen, war ja schließlich das erste Album, da will man ja auch nichts falsch machen. Manchmal sitzt man bei solchen Produktionen im Studio rum und weiß nicht weiter, irgendwer kommt dann um die Ecke gesprungen und ruft „Hey! Ich finde Lied XYZ von Band ABC super, vielleicht sollten wir uns daran ein bißchen orientieren?“. Voilá Inspiration, um Judith Holofernes mal zu zitieren.

Bei Wir sind Helden hat das dann dazu geführt, dass „Müssen nur wollen“ (2003) verflucht stark an Briskebys „Propaganda“ (2000) erinnert:


Wir Sind Helden – Müssen Nur Wollen von EMI_Music

Natürlich betrifft das hier nicht Musik und Text. Aber in Sound und Aufbau der Songs, mit Basslastiger Strophe und kurzen Gitarreneinwürfen, lässt sich hier durchaus die leichte Inspiration erkennen, welche die Helden damals im Studio gehabt haben dürften, oder ihr Produzent Patrik Majer. Wie auch immer, gut gemacht sind beide Songs und eine böse Geldscheffler-Absicht lässt sich hier nicht erkennen, die Helden sind dafür auch einfach zu eigenständig in Gänze. Da gibt es andere Kandidaten, die gerne schnell ihr Konto füllen möchten, zum Beispiel den „Topproduzenten“ Toni Cottura, der sich mit „Fly“ (2003) rotzfrech bei Uncle Kracker ’s „Follow Me“ (2001) bedient, um die Airplay-Dollar-Druckmaschine anzuwerfen:


Uncle Kracker – Follow Me von UncleKracker-Official

Man möchte „Igitt!“ schreien, wenn Toni Cottura nachbastelt, was ich schon bei Uncle Kracker zu glatt fand. Man könnte das natürlich lockerer nehmen und von einer Hommage sprechen, wenn Produzenten sich soundtechnisch bei anderen bedienen. Aber ist es wirklich eine Hommage, wenn sich, aus Indie-Sicht eher uncoole Mainstream Acts wie Ich & Ich mit „Vom selben Stern“ (2007), bei den Gorillaz mit „Feel Good Inc.“ (2005) bedienen?

Gorillaz – Feel Good Inc von EMI_Music


Ich & Ich – Vom Selben Stern (Official Video) von goldrausch

Irgendwie kann ich mir schwer vorstellen, wie Annette Humpe zum Hörer greift um ihren alten Buddy Damon Albarn anzurufen. Wahrscheinlich sind die Gründe, gerade bei den Künstlern großer Plattenfirmen, doch profaner, als man es wahrhaben möchte. Ich habe bei Bands schon erlebt, dass komplette Alben nochmal neu gemischt und gemastert werden mussten, weil der A&R-Manager inzwischen seinen Musikgeschmack durch den Besuch eines Konzertes komplett verschoben hatte. Muss man sich auch mal vorstellen, kann sich keiner vorstellen: Popmusik, ein „Produkt“ für den Massenmarkt, wird letzten Endes von ein bis zwei Personen entschieden. Verkauft sich die Platte heißt es: Wir hatten recht. Verkauft sie sich nicht, ist der Künstler schuld. Da hilft es natürlich, sich vom Sound her an erfolgreichen Hits zu orientieren, das kennen die A&Rs schon, da werden sie zahm und man riskiert nicht, dass der Deal gedroppt wird weil die Single nicht abholt. Wie im folgenden Beispiel: „Du nimmst mir die Sicht“ (2006) von Juli hat im Schlagzeug doch irgendwie was von „Lucky Denver Mint“  (1999) von Jimmy Eat World, finden Sie nicht?

Für die Juli Nummer finde ich kein integrierbares Video, so sehr ich mich auch anstelle, also klicken Sie doch bitte auf folgenden Link: http://www.myvideo.de/watch/3058766/Juli_Du_nimmst_mir_die_Sicht (Man kann das Schlagzeugmotiv nicht ganz so deutlich hören bei dieser miesen Qualität, aber glauben Sie mir: es ist verdammt nah dran.)

Produziert wurde die Juli Platte übrigens von Olaf Opal, so schließt sich der Kreis, und darum musste ich gestern an meinen Blog denken, in einem Studio in Bochum, nicht weit vom Bergbaumuseum.

Cheers, TF

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Hanno
Hanno
12 Jahre zuvor

Jetzt hab ichs verstanden! Bands, die man mag, lassen sich inspirieren, „eher uncoole Mainstream-Acts“ sind geldgeile Klangkopierer.

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