Tanzplattform 2018 in Essen eröffnet

„The Way You Look (At Me) Tonight“ von Claire Cunningham und Jess Curtis bei der Tanzplattform 2018 auf PACT Zollverein (Foto: Sven Hagolani)

Am 14.3. um 18 Uhr wurde die Tanzplattform 2018 in der Halle 12 der Zechezollverein eröffnet. Fünf Tage lang werden nun in Essen und Gelsenkirchen 13 herausragende Produktionen der vergangenen zwei Jahre, die unter 400 gesichteten Arbeiten ausgewählt wurden gezeigt. Das Spektrum reicht von zeitgenössischem Ballett bei Richard Siegel und seiner Compagnie Ballet Of Difference bis zu Performance-Formaten wie etwa „The Way You Look (At Me) Tonight“ von Claire Cunningham und Jess Curtis.

Zunächst wurde aber in der vollbesetzten Halle 12 das nationale Festival eröffnet, leider ohne nationale Politprominenz. Die alte und neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters ließ sich genauso vertreten wie die NRW-Kultur-und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. Gegen die Erleichterung, dass es jetzt endlich wieder eine Regierung gibt, kommt ein bisschen Tanz halt nicht an. Immerhin gab der erst seit sieben Tagen amtierende Kulturdezernent Essens Muchtar Al Ghusain seinen Einstand. Essen sei Tanzstadt, postulierte er und ließ dann die 90jährige Tanzgeschichte kurz Revue passieren, ausgehend von Kurt Jooss, streifte er den Folkwang Gedanken von Karl Ernst Osthaus. Dass er sich gehörig irrte, als er verkündete, die Folkwang-Tanzabsolventen könnten nach der Ausbildung dann zu Ben van Cauwenberghs Aalto-Ballett wechseln, sei ihm auch trotz des Berichtes der Tanzkommission NRW nachgesehen. Die Vertreter von Land und Bund wedelten in ihren Reden mit durchaus auf den ersten Blick beeindruckenden Geldsummen, die in den nächsten Jahren dem Tanz zu Gute kommen sollen. Ganz hübsch war, wie Kulturstaatssekretär Klaus Kaiser NRW als Tanzland darstellte und dabei als internationales Referenzensemble das Ballett am Rhein von Martin Schlüpfer anführte. Nach einer Schrecksekunde fiel ihm dann aber noch das Tanztheater Wuppertal ein. Erstaunlicherweise auch das einzige Mal, dass an diesem Abend der Name „Pina Bausch“ erwähnt wurde. Das musikalische Programm wurde vom Schlagwerker Dirk Rothbrust vom Ensemble Musikfabrik gestaltet, der wieder einmal zeigte, was für eine außerordentliche Klasse der Komponist Iannis Xenakis hat. PACT-Leiter Stefan Hinlterhaus bezeichnete Rothbrust denn auch gewitzt als die heimliche 14. Produktion des Festivals.

Im Anschluss der Eröffnung gab es Gelegenheit eine von drei Produktionen zu sehen. Wir starteten mit dem bereits erwähnten „The Way You Look (At Me) Tonight“ von Claire Cunningham und Jess Curtis auf PACT. Eine gut anderthalbstündigePerformance in der es nur vordergründig um den Umgang mit Menschen mit Behinderung geht. Das Thema – die Tänzerin Claire Cunningham selbst ist auf Krücken angewiesen – durchzieht zwar den Abend, ist aber letztlich nur Vehikel um den Blick immer wieder auf das Thema Kommunikation zu öffnen. Dramaturgisch funktioniert die Performance sehr ähnlich wie frühe Formate von etwa Laurie Anderson. Cunningham und Curtis erzählen kleine aphoristische Anekdoten, die oftmals einen überraschenden oder auch witzigen Twist enthalten. Darin eingelagert sind kurze choreographische Stücke, die oftmals im Spannungsverhältnis zu Projektionen und Musikeinspielungen stehen. Insgesamt eine gleichermaßen intellektuell herausfordernde wie berührende Arbeit. Drei schöne Sätze, die für das ganze Festival im Kopf bleiben werden, fallen in dieser Produktion. Ganz zu Beginn wendet sich Curtis an das Publikum und sagt: „Sie haben erwartet, dass hier getanzt wird und jetzt reden wir die ganze Zeit nur.“ Einmal sagt der über Video heimliche dritte Performer – der Philosoph Dr. Alva Noë: „Die Choreographie ist da wo nicht getanzt wird“ und später wird der Architekt Adolf Loos (nicht ganz original aber auf deutsch) zitiert mit: „Ornament ist Verbrechen.“ Insbesondere letzten Satz möchte man so manchem Choreographen nicht nur im klassischen und neoklassischen Ballett, sondern durchaus auch aus dem modernen Tanz ins Stammbuch schreiben.

Im Anschluss an die Vorstellung ging es dann im Wintergarten von PACT noch zum Latenight-Talk mit Künstlern. Das Konzept ist, dass nicht über die jeweilige Produktion gesprochen wird, sondern über ein frei von den Künstlern gewähltes Thema. Den Auftakt machten Julian Warner und Oliver Zahn, die mit „Black Panther – A Minstrel-Show?“ den aktuell allerorten als Black Empowerment gefeierten Marvel-Superheldenfilm kritisch auseinandernahmen.

Alle Termine und Infos unter Tanzplattform2018

 

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