Mein Mann, Nan-in, Sie wissen schon, er gilt als wahrhaft erleuchteter Meister, hat gerade eben seinen Gast begrüßt. Wieder einen dieser suchenden Dummköpfe oder langweiligen Besserwisser aus dem Westen, die etwas über Zen erfahren wollen und es nicht wagen, selbst nachzudenken, eigensinnig zu sein, ein Stück des Weges einfach mal allein zu gehen …
Hinter der Wand aus Papier höre ich wie gewöhnlich der Unterhaltung zu. So lerne ich ohne zu lernen geduldig mein Zen, und manchmal höre, begreife, vergesse ich mehr als mir lieb ist. Köstlich duftenden Tee habe ich den beiden hohen Herren in einer Kanne aus Ton gebracht, eingießen wird ihn wie immer mein Mann.
Die ganze Zeit über redet die Langnase nun schon, Professor soll er sein, Gelehrter, Weiser, unhöflich aber ist er wie Hunderte vor ihm. Nan-in unterbricht sie nie, auch heute verlässt er sich wieder auf die Wirkung seines kleinen fadenscheinigen Tee-Hokuspokus, den gleich sich selbst vorzuführen – oder mir? – er nicht lassen kann.
Da, schon also gießt er den heißen Tee ein, gießt die Tasse des Gastes voll und voller, hört nicht auf zu gießen, Tee schwappt über den Rand des Tischchens, und etwas davon ergießt sich auf die Hose des Besuchers. Verbrühen wird er sich nicht, etwas schmerzen aber wird das schon. Armer Professor – wie bereitwillig du in die Falle tappst … Doch schaut er länger jetzt nicht zu, mühsam unterdrückt er seine Wut, schäumt nur: „Hören Sie auf, die Teeschale ist übervoll. Mehr geht nicht hinein. Alles läuft über. Sehen Sie nicht, dass Tisch und Hose schon vor Nässe triefen?“
„So wie diese Tasse“, sagt mein Mann, still vergnügt über einen gelehrten Tölpel mehr, „so wie diese Tasse sind auch Sie. Übervoll mit Fragen, Vorurteilen und Spekulationen. Wie kann ich Ihnen Zen zeigen, wenn Sie nicht zuvor Ihre Tasse geleert haben.“
Ach, Nan-in, mein Herz, heute übertreibst du es aber wirklich, und die ewiggleiche flaue Pointe …, naja. Wie kindisch du doch manchmal bist, verspielt und eitel. Was ich bloß an dir liebe? Ich weiß es nicht. Aber dass ich gleich (wenn auch dieser Gast gegangen sein wird) zum x-ten Male das Teegeschirr reinigen werde, den Tisch, die Matten trockne, das weiß ich genau. So ist mein Alltag, so übe ich ihn, mein dicker, welker Rōshi, während du zufrieden deine Nickerchen machst.
Siehe hierzu weiter:
Reps, Paul (Hrsg.): Ohne Worte – ohne Schweigen. 101 Zen-Geschichten und andere Zen-Texte aus vier Jahrtausenden. O.W. Barth Verlag 19772. S. 21.)
Nette Geschichte.
Von Zen habe ich keine Ahnung, aber wie wäre die folgende Wahrheitsuche: 1+1=1
Der Beweis hierfür: Einen Wasserhahn Tropfen lassen. Mit der hohlen einen Hand einen Tropfen in der Handfläche auffangen, dann einen zweiten Tropfen auffangen, einspluseinsgleicheins. Die Durchbrechung der Logik, das Außerachtlassen der Naturgesetze frei nach Tarkowski.