taz: Billiger Populismus auf Kosten von Kollegen

tazIn der  Wochenendausgabe  veröffentlichte  taz-Redakteur  Sebastian Heiser unter der Überschrift „Kein Mitleid mit Springer!“ einen Jubelkommentar über die Entlassung von 50 Journalisten bei der Zusammenlegung der Redaktionen von Bild und BZ. Und bekommt dafür auch noch Applaus.  

Der Axel Springer Verlag legt in Berlin die Redaktionen von Bild und BZ zusammen. 50 Journalisten sind von Entlassung bedroht. Das alles ist heute leider keine aussergewöhnliche Geschichte mehr, überall in Deutschland werden Redaktionen zusammen gelegt oder Titel ganz eingestellt, verlieren Journalisten ihre Arbeit. Bislang habe ich noch nie erlebt, dass sich ein andere Journalist über so etwas gefreut hat. Ich kenne viele, die lange über die WAZ und die Westfälische Rundschau gelästert haben, aber als dort hunderte ihren Job verloren haben, waren wirklich alle ruhig. Jedem ist klar, dass die meisten, die heute ihren Job verlieren,  große Probleme haben werden, eine neue Stelle zu bekommen. Viele wandern in andere Berufe ab, was oft ein bitterer Schritt ist, denn ich kenne keinen Journalisten, der seinen Beruf nicht liebt.

Umso schlimmer ist der Kommentar von Heiser aus der taz mit der Überschrift „Kein Mitleid mit Springer!“:

In der Theorie stimmt es natürlich, dass es für ein demokratisches Gemeinwesen förderlich ist, wenn es möglichst viele verschiedene Medien zur Informationsverbreitung und Meinungsbildung gibt. Aber in der Praxis kommt es ja wohl auch darauf an, um was für Medien es sich konkret handelt. Die Vielfalt, mit der Bild-Zeitung und BZ diese Stadt bereichern, ist ungefähr so wertvoll wie die Vielfalt an verschiedenen Hundekackehaufen auf dem Gehweg. (…) Die Arbeitslosigkeit dieser Kollegen ist ein Gewinn für die Stadt. Und natürlich auch für sie selbst: Sie gibt ihnen die Chance, doch noch zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu werden.

Die Arroganz, ja die Menschenverachtung, die aus diesen Zeilen spricht, ist ekelerregend. Als Bülend Ürük von Newsroom mich gestern um eine Stellungnahme bat, mailte ich ihm nur einen Satz zurück: „Was für ein… „. Bülend war das als Stellungnahme zu kurz, aber das Schöne ist ja, das man, wenn man an einem  Blog beteiligt ist, letztendlich selbst bestimmt, was man veröffentlichen kann – nur nicht wo. Der taz-Kommentar ist billiger Populismus auf Kosten der Kollegen, die ihren Job verlieren. Ok, dachte ich mir, Heiser ist irgendein Wichtigtuer der sich, selbst Jahrgang 1979, darin gefällt, die Konflikte der 60er weiter zu führen, die er selbst nur aus den Geschichtsbüchern kennt. Und etwas Revoluzzerpose tut dem Ego ja ab und an auch ganz gut.

Aber auf newsroom hat Heiser dafür noch Applaus bekommen:

Katja Kittler: „Es gibt ja schließlich gar keine „Journalisten“ bei den betroffenen Springer-Blättern.“

Heiko Mausolf: „Wer sich durch Annahme eines Arbeitsplatzes bei der Bild-„Zeitung“ prostituiert, unterstützt diesen kriminellen Proleten-Journalismus und verdient kein Mitleid bei dessen Verlust.“

Rudolf Görtler: „Selbstverständlich darf man das. Wenn Springer-Blätter verschwänden, wäre das nur als Gewinn zu werten, für Medien, Politik und Land. Das sage ich als Betriebsrat und Gewerkschafter, der jedoch nicht in das übliche Lamento über verlorene Arbeitsplätze einstimmt, ganz gleich, ob es um die in der Waffenindustrie oder eben bei Dreckblättern geht.“

Niemand ist gezwungen, Bild und BZ zu lesen und schon gar nicht, die Blätter gut zu finden – gleiches gilt auch für die taz und alle anderen Medien. Sie alle sind aber nötig, damit es Meinungsvielfalt gibt. Ich freue mich über jedes Zeitung und jedes Magazin, das ich am Kiosk oder im Internet sehe. Egal ob es mit gefällt und egal ob ich es lese, was natürlich bei den meisten Titeln nicht der Fall ist. Und schon gar nicht freue ich mich, wenn Kollegen ihren Job verlieren – ob ich ihre Arbeit mag oder nicht, spielt für mich da keine Rolle. Sicher, die Einstellung der Freizeit Revue würde an meinem Leben und an meinen Lesegewohnheiten wenig ändern. Vielleicht würde ich sogar die wirtschaftliche Gründe verstehen und einsehen, dass die Einstellung alternativlos ist. Bitter wäre sie trotzdem – für die Kollegen, die dort ihre Arbeit verlören und auf der Straße ständen. Um sich darüber zu freuen, muss man wohl ein … sein.

Der Autor arbeitet als freier Journalist auch für die Welt am Sonntag – und für viele andere Publikationen. Und die taz ist Anzeigenkunde dieses Blogs.

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Thorsten Stumm
11 Jahre zuvor

Stefan, Danke. Fühl Dich als Bruder im Geiste fest gedrückt. Und allen Charakterzwerg_Innen die das mit dem Pluralismus nicht verstanden haben wünsche ich eine Zelle in Hölle mit nur der Prawda als Tageszeitung….
Achja und hoffentlich erliegt Herr Heiser bald seinem schlechten Karma….

Hans-Dampf
Hans-Dampf
11 Jahre zuvor

wo ist das Problem? Journalisten, die einem tagtäglich erzählten, dass noch jede Zumutung im Kapitalismus hingenommen werden muss und diese auch als „Freiheit“ verteidigten, erleben nun selbst die herrliche Freiheit unseres Wirtschaftsystems.

Daher kann man nur aus vollem Herzen sagen: Viel Spass mit Hartz-IV.

Aber vielleicht schließen sich so einige Medienprofis aus eigener Betroffenheit der Anti-Hartz – IV -Bewegung an. Was ja wieder was gutes wäre.

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

Dem Fisch ist es letztendlich egal, ob er in eine BZ oder in eine taz gewickelt wird.

Thorsten Stumm
11 Jahre zuvor

@Hans Dampf
Wo in Ihrer geistigen und charkterlichen Entwicklung haben Sie eigentlich den Unterschied zwischen einer Meinung haben und der Schadenfreude am Unglück anderer vergessen…. achso Sie haben keine Charakter….merkt man…..

68er
68er
11 Jahre zuvor

1. Der Artikel von Heiser ist, wenn er nicht insgesamt satirisch gemeint ist, nicht akzeptabel und beleidigend. Wenn man Gleiches mit Gleichem vergleichen wollte, könnte man auch sagen, klassischer taz-Journalismus. Wäre die tageszeitung konsequent, würde sie eine Kolumne mit dem Titel „Post von Heiser“ einrichten.

2. Die zitierten Kommentare der Nicht-Journalisten mögen vielleicht etwas einseitig sein, entbehren aber nicht unbedingt jeder Grundlage. Und in unserer liberalen Marktwirtschaft, kann sich der entlassene Seite-1-Titten-Redakteur ja immer noch bei der EMMA bewerben.

3. Die Freizeit-Revue gehört zum Burda-Konzern und ist der Marktführer in der „gehobenen Gereatrieunterhaltung“ mit einer Auflage von knapp 1 Millionen und einer Reichweite von knapp 2,5 Millionen Lesern. Da die Leserschaft meist noch nie in Neuland war, verzichtet man konsequent auch auf eine Onlineausgabe.

4. Auch ich habe wenig Mitleid mit den Redakteuren, die seit Jahren ins Horn des Markliberalismus blasen und jetzt merken, dass Stellenabbau und Synergieffekte keine intellektuellen Gedankenspiele sind sondern direkte Auswirkungen auf die Urlaubsplanung, die Hausfinanzierung etc. in einer Familie haben kann. Sicherlich gibt es auch einige Redakteure bei Springer, die aus der Arbeitslosigkeit heraus lieber einen Job bei der Morgenpost angenommen haben, als mit der Familie weiter von Hartz IV zu leben. Diese halbherzigen Mitläufer, wird es im Zweifel jetzt als erste bei den Kündigungen treffen. Das ist hart, macht aber auch klar, in was für einer Gesellschaft wir leben. Alternativlos ist oft nur die Dummheit.

Arthur
Arthur
11 Jahre zuvor

Natürlich haben die Betroffenen ein Problem. Man sollte nich Vergessen, dass diejenigen aber auch da waren um Hass und Hetze zu generieren. Wenn woanders Hasspredigner das Handwerk gelegt wird, ist man erleichtert. Und das soll hier nicht der Fall sein?

Müller
Müller
11 Jahre zuvor

Ist das Leben einiger Leser hier wirklich so trostlos, dass sie immer noch 30 Jahre alten Feindbilder anhängen ?
Ich persönlich bin kein BILD Leser, habe aber beispielweise in der Welt schon deutlich differenziertere Artikel gelesen als in der Lehrer-Postille SZ.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

Diese „Heiser-Wurst“ und seine Fanboys/-girls auf newsroom haben anscheinend überhaupt nicht kapiert, dass BILD und auch BZ-Inhalte keinesfalls verschwunden sind – und es auch mittelfristig nicht tun. Als Journalisten sind sie damit ausgeschieden.

Netter spekulativer Artikel dazu von Bettina Röhl in der WiWo: https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/bettina-roehl-direkt-was-steckt-hinter-dem-grossen-springer-funke-deal/8566834.html

Ich schätze, dass die große Funke/Springer-„Liebesheirat“ eher früher als später kommt, die WAZ hübscht sich inhaltlich und organisatorisch ja massiv dafür auf. Und dann möchte ich in Heisers Gesicht sehen…

68er
68er
11 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann

Ich verstehe Frau Röhl so, dass die Leute von Springer eine befristete Jobgarantie bekommen, die aber Auswirkungen auf die Beschäftigten bei WAZ und Co. haben wird. Es geht also bei Funke so weiter wie bisher. Aus dem eher linkskoservativen WAZ-Konzern soll ein markliberaler-konservatives Medienhaus geformt werden.

Mich würde interessieren, ob Sie der OB a.D. aus Witten sind, denn in diesem Fall wären Sie damit als Sozialdemokrat ausgeschieden, aber natürlich in der neoliberalen SPD gut beheimatet.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

@68er: Ich wüsste hingegen gern von Ihnen, ob Sie in meinem Kommentar irgendeine liberale Wertung dieser „Liebesheirat“ entdecken können, denn das wäre irgendwie… übermenschlich;-)

Der jetzige Zustand des Funke/Springer-Deals ist ja schon eine Art „Verlobung“ mit weitreichender Kooperation und einer durchaus scharfen Trennung von Kompetenzen, die dann in einer „Ehe“ zum synergetischen Tragen kommen. Dass die WAZ jetzt schon BILD-haften Blödbürger-Journalismus betreibt, dürfte ja wohl selbst Blinden aufgefallen sein.

Und PS: Nein, ich hab mit dem a.D. aus Witten nix am Hut, auch nicht über fünfzehn Ecken, und ich werde das seit gefühlten 100 Jahren immer wieder gefragt.

Nansy
Nansy
11 Jahre zuvor

Mir tut jeder leid (ob Journalist oder nicht), der heutzutage seinen Job verliert.

Der Kommentar von Heiser aus der TAZ ist aus meiner Sicht nicht nur beleidigend, sondern auch noch falsch:

„Aber in der Praxis kommt es ja wohl auch darauf an, um was für Medien es sich konkret handelt. Die Vielfalt, mit der Bild-Zeitung und BZ diese Stadt bereichern, ist ungefähr so wertvoll wie die Vielfalt an verschiedenen Hundekackehaufen auf dem Gehweg.“

Die Unterschiede zwischen den Medien verwischen sich für mein Empfinden immer mehr – ich nehme mal als Beispiel die Meldung „Deutsche bewegen sich zu wenig..“, die heute in fast allen Zeitungen erschienen ist – teilweise wortgleich, mal mit anderer Überschrift, mal mit leichten Veränderungen.
Eine sogenannte Studie der Techniker Krankenkasse wird hier einfach übernommen, ohne eigene Recherche und ohne zu hinterfragen. Und solche „Meldungen“ (von irgendeiner Agentur übernommen – genau kenne ich mich da nicht aus) häufen sich in den „Qualitätsmedien“.

Über die wirtschaftlichen Zwänge oder Synergieeffekte, die zu solchen Standard-Nachrichten führen, weiß ich zu wenig. Was ich allerdings weiß, ist, dass ich nicht bereit bin, für diesen „Einheitsbrei“ irgendeinen Cent zu bezahlen. Und ich fürchte, dass immer mehr Leute das auch so sehen – und das hat dann auch nichts mit „Geiz ist geil-Mentalität“ zu tun….

topfvollgold
11 Jahre zuvor

Nun ja, die liebe „Freizeit Revue“ … hier ein paar Infos zur besseren Meinungsbildung: https://www.topfvollgold.de/?tag=freizeit-revue

Thorsten Stumm
11 Jahre zuvor

@topfvollgold
Grandios…..danke für den Link.

Hans-Dampf
Hans-Dampf
11 Jahre zuvor

@ Thorsten Stumm

Warum so dünnhäutig? Sowohl Heiser als auch ich haben eine Meinung geäußert. Die Arbeitslosigkeit der Kollegen mag individuell hart sein, gesellschaftlich ist sie eine Bereicherung.

Es gibt keinen Grund im Kapitalismus gerade Journalisten unter Artenschutz zu stellen. Vor allem dann nicht, wenn sie bisher bei Zeitungen gearbeitet haben die noch jede politische Schweinerei gerechtfertigt haben und auch in ihrer eigenen Arbeit Meinung und Schadenfreude nicht immer getrennt haben. Individuell mag das hart sein, aber niemand hat sie gezwungen, zu Bild und BZ zu gehen.

Jetzt können die Kollegen ja einmal ihre eigene Flexibiltät beweisen und zeigen, was noch an Innovationspotenzial in ihnen steckt. Sie können ihren Beruf ja gerne weiter ausüben – wenn auch sicher nicht zu den Konditionen, die sie gewohnt sind. Aber hey, dann sollen die Kolleg/innen einfach in ihre alten Kommentare schauen und ihre eignenen Ratschlägge beherzigen und die Chance, die sich ihnen durch die Erwerbslosigkeit bietet, ergreifen. Auf der eigenen Bequemlichkeit, in Form von Festanstellungen und guten Tarifverträgen, sich auszuruhen, dass ist vorbei.

Ein Verlust für die Meinungsfreiheit ist das übrigens nicht. Auch wenn sich jeder bezahlte (und insbesondere festangestellte) Schreiberling in seinem Selbstbild für einen Verfechter der Meinungsfreiheit halten mag, ist er doch nur ein bezahlter Schreiberling. Und irgendwer macht’s jetzt halt billiger. So what? Bild und BZ werden auch in Zukunft nicht mit leeren Seiten erscheinen.

Chris di Motten
Chris di Motten
11 Jahre zuvor

Wie sagt BILD-Redakteur Blome immer: „Wer mit der BILD im Fahrstuhl rauf fährt, fährt auch mit ihr wieder runter.“ Warum sollte das nicht auch für die dort arbeitenden Journalisten gelten?

Olaf
Olaf
11 Jahre zuvor

Unabhängig vom Thema: Es gibt _nichts_ das alternativlos ist … Stefan, da findet sich doch eine besseres Wort das nicht falsch benutzt wird. Hoffe ich :).

https://neusprech.org/alternativlos/ zum Verständnis meines Kommentar

Ulrich Janßen
11 Jahre zuvor
Ich wars nicht
Ich wars nicht
11 Jahre zuvor

Wenn denn Zeitungen mit „Hundekackehaufen“ verglichen werden, und dafür noch Applaus reinkommt, wollen wir nicht demnächst mal ein schönes Feuerchen machen mit dieser Kack-Kapitalisten-Presse? hat doch auch eine schöne Tradition.

Jörg Fuhrmann
11 Jahre zuvor

Irgendwann platzt der äussere Lack dann eben doch ab, wenn der Inhalt ihm nicht entspricht.

Martin Schröder
Martin Schröder
11 Jahre zuvor

Lieber Journalist, ich darf Max Gold zitieren: „Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“

Roberta S.
Roberta S.
11 Jahre zuvor

@ Hans Dampf „Es gibt keinen Grund im Kapitalismus gerade Journalisten unter Artenschutz zu stellen.“
Gibt es nicht, muss es auch nicht geben, aber der taz-Artikel ist, als wenn man bejubelt, dass die Mitarbeiter entlassen werden, weil ein Nokia-Werk geschlossen wird (oder meinetwegen ein Atom-Kraft-Werk).
Nur weil ich mit der taz nichts anfangen kann, sie oft ärgerlich finde, soll ich jubeln, wenn sie – oft genug wurde zu Solidarisierungsbekundungen in monetärer Form aufgerufen – dann doch pleite geht?

kim
kim
9 Jahre zuvor

Nun sitzt er selber tief in einem Haufen Kacke.

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