Terror fördern statt Demokratie? Baerbocks beschämendes Schweigen zu den Protesten gegen Hamas

Annalena Baerbock (GRÜNE), Foto: Roland W. Waniek

„Hamas raus“ rufen sie in Gaza, Annalena Baerbock schweigt. Weil sie Präsidentin der UN-Generalversammlung werden will? Oder aus tiefer Überzeugung?

Mit dem Entwurf für ein Demokratiefördergesetz reagiere die Bundesregierung auf „Bedrohungen im Äußeren und im Inneren“, hatte Nancy Faeser (SPD) im Dezember 2022 erklärt, eine demokratische Zivilgesellschaft sei eines der „stärksten Bollwerke gegen Extremismus“. Ein knappes Jahr darauf verhängte die inzwischen geschäftsführende Bundesinnenministerin ein Betätigungsverbot über eines der stärksten Bollwerke gegen Demokratie, die islamofaschistische Hamas und deren szeniges Netzwerk Samidoun. Vier Wochen nach den bestialischen Massakern der Hamas an Tausenden Israelis schien bewusst zu sein, dass es nicht um Hamas vs. Israel geht, nicht um zwei Konfliktparteien, die sich im Tarifstreit verhakeln, auch nicht um zwei Religionen, die einen Glaubenskrieg führen und noch weniger um „Siedler-Kolonialismus“; sondern um Terror vs. Demokratie. Eine Bedrohung „im Äußeren und im Inneren“. Keine Einsicht von Dauer.

Seit zwei Wochen demonstrieren Palästinenser in Gaza gegen Hamas, sie demonstrieren zu Tausenden und Zehntausenden, sie demonstrieren friedlich und werden gemetzelt,den Leichnam des 22jährigen Oday Nasser Al-Rubai, von Hamas zu Tode gefoltert, warfen die Mörder wie einen Müllsack auf die Straße vor das Haus seiner Familie. Ein Che-Guevara-Moment, ließe sich denken, die westlichen Medien berichten durchweg über die Proteste gegen den Terror, Oday hätte zum Gesicht einer internationalen Soli-Welle werden können, wie es Neda Agha-Soltan 2009 und Jina Mahsa Amini 2022 im Iran geworden sind.

Und? „Wo waren die Proteste in den westlichen Hauptstädten für Oday? Nirgendwo.“ Schrieb Hamza Howidy jetzt auf USA Today, 2019 hatte er selber Proteste gegen Hamas in Gaza organisiert und Hamas-Haft und deren Folter überlebt, bevor er in die USA und inzwischen nach Deutschland entkommen ist: „Ich kenne das tiefe Gefühl des Verrats, die schmerzliche Einsicht, allein gelassen zu werden.“ Es sei, als ginge die „sogenannte pro-palästinensische Bewegung“ davon aus, dass es nun einmal Menschen geben müsse, die unter der Herrschaft der Hamas zu leben hätten und zu sterben „als Werkzeuge in ihren ideologischen Kämpfen“.

Und in welche ideologischen Kämpfe ist Annalena Baerbock verstrickt? Zu den Protesten gegen Hamas ist von ihr, der geschäftsführenden Außenministerin (Grüne), kein Wort zu finden. „Demokratien werden weltweit von Diktatoren, Autokraten, Islamisten und Rechtsextremen herausgefordert, die nicht wollen, dass Frauen gleiche Rechte haben“, hatte sie noch im Oktober 2024 auf dem „Female Future Force Day“ in Berlin erklärt, einem Projekt der Funke Mediengruppe, ihr gehe es nicht darum, wie sie sich, sondern „wir unsere Demokratie stärken und verteidigen“.

Und jetzt: Keine Erklärung des Auswärtigen Amtes zu den Protesten gegen den Terror der Hamas, keine Passage in einer von Baerbocks Reden, kein Post auf ihrem X-Account, wo sich Dutzende sammeln, in denen sie Israel maßregelt und mahnt. „Oday blieb im Dunkeln“, so Howidy über das Schweigen der „pro-palästinensischen Bewegung“, und es ist diese öffentliche Dunkelheit, die  –  nach Hannah Arendt, auf die sich eben jene Bewegung so gerne beruft  –  die das „eigentlich politische Problem“ ausmacht: dass Odays Leben und Sterben und das der anderen „keine Folgen in der Welt hat, keine Spur in ihr hinterlässt“, dass es ins Nichts hinein verhallt.

„Hamas raus“, rufen sie in Gaza, es ist todesmutig, man könnte denken, es sei Baerbock wie aus dem Herzen gerufen, die sie so gerne davon spricht, „dass die Terroristen der Hamas in Gaza in Zukunft keine Rolle mehr spielen dürfen“ und dass Hamas keine „Regierungsgewalt in Gaza ausüben darf“, dass Zivilpersonen in Gaza unbedingt zu schützen seien und ihnen „grundlegende Hilfe oder Unterstützung nicht verwehrt sein sollte“. Und die eben diesen Zivilpersonen nun das Entscheidende verwehrt, was den Grund legen würde dafür, dass eine demokratische Entwicklung in Gang kommen kann: einen demokratischen Widerhall, ein sympathisierendes Wort mit denen, die ihre Stimme gegen Hamas-Tyrannei erheben.

Dass Baerbock, die Präsidentin der UN-Generalversammlung werden will, der UNRWA zur Seite steht, dem UN-Hilfswerk, das  –  „komplett von Hamas durchseucht“, wie der ehemalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Dirk Niebel (FDP) jetzt der Jüdischen Allgemeinen sagte  –  eigens unterhalten wird, um die Terror-Regime von Hamas und Fatah mit Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsleistungen zu stützen und nicht zuletzt mit terroristischer Logistik, UNWRA-Einrichtungen als Waffenlager usw., es ist von Baerbock bekannt. Nicht bekannt dagegen, ob sich die UNRWA auch an den zivilen Protesten gegen Hamas beteiligt. Wieder und wieder hatte die grüne Außenministerin Israel aufgefordert, die Zivilbevölkerung in Hamas-Land mit Hilfslieferungen zu stützen, die, auch das ist seit Monaten bekannt, die UNWRA gar nicht erst erreichen, weil Hamas sie kassiert. „Sie nehmen sämtliche Hilfslieferungen sofort in Beschlag“, sagt M., ein junger Palästinenser in Gaza, im subversiven Telefongespräch mit der Jüdischen Allgemeinen: „Zuerst verteilen sie es an ihre Leute, den Rest werfen sie auf den Schwarzmarkt, wo wir es für horrende Preise kaufen müssen. Umsonst bekommen wir nichts.“ Was Moumen Al-Natour im Interview mit ZDF Heute bestätigt: „Sie verdienen Geld mit unserem Leid“, so der Rechtsanwalt, der die Proteste 2019 mitorganisiert hatte: „Ich rufe die Welt auf: Hört uns zu. Besonders jene in Europa und den USA, die sich solidarisch mit Palästina zeigen – unterstützt uns Menschen in Gaza, nicht die Hamas. Wir wollen unsere Zukunft selbst gestalten. Wir wollen frei sein – frei von Besatzung, aber auch frei von der islamistischen Hamas.“

Von Baerbock dazu kein Wort bisher, dabei hat der Vorwurf Gewicht: „Der Schwerpunkt der deutschen Hilfe lag schon seit Beginn des Krieges auf den dringendsten Bedarfen der Menschen vor Ort: medizinische Hilfe und Nahrungsmittelhilfe – also zum Beispiel die Verteilung von Lebensmittelkörben und Nahrungsergänzungsmitteln“, so hatte das Auswärtige Amt noch am 28. März bekannt gegeben, da dauerten die Proteste gegen Hamas bereits den dritten Tag an. Hat Deutschland seit 10/7 das System Hamas gefüttert?

Um jetzt den Protest einer zivilen Bevölkerung zu beschweigen, auf die sich Baerbock jederzeit berief, als die sich noch nicht gegen Terror aufgelehnt hat?

Tel Aviv, Mai 2024: #BringThemHomeNow - Graffiti in Florentin / Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)
Tel Aviv, Mai 2024: #BringThemHomeNow – Graffiti in Florentin / Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)

Sicher, gegen Hamas auf die Straße zu gehen, beweist kein demokratisches Bewusstsein, wie es sich ein Demokratiefördergesetzgeber wünscht. Das totalitäre Hamas-System dauert länger an als das 1000jährige Reich, Judenhass hat sich eingefressen in Herzen und Hirne: Gaza-Zivilisten, die den Terrorbrigaden folgten, um die Häuser der Israelis zu plündern. Zivile Lynchmobs, die israelische Geiseln eigenhändig zu morden suchten. Umfragen in der Bevölkerung, die, was deren Sympathien mit Hamas und dem Terror von 10/7 angeht, ein bleibend beunruhigendes Bild zeichnen.

Aber gerade dies macht eine Soli-Adresse an die Protestbewegung so dringend, weil sich ein demokratischer Raum öffnen würde, eine Art Grenzübergang, der einen Ausblick gewähren würde auf das, was einmal möglich geworden ist. Es wäre ein Blick zurück in die eigene Tradition, die der Französischen Revolution, auf die sich Baerbocks „wertebasierte Außenpolitik“ beruft („Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit“), und dieser Blick zurück würde eine demokratische Binsenwahrheit erinnern: dass Befreiung und Freiheit nicht dasselbe sind und der Weg weit, der vom Sturm auf die Bastille zu einem Demokratiefördergesetz führt. Befreiung führt –  die Exodus-Erfahrung  –  durch eine Wüste für lange Zeit, 1789 kippte die Revolution zuerst in Terror über- und dann in Restauration zurück. Baerbock würde sich rein nichts vergeben, stellte sie sich gerade jetzt auf die Seite der Proteste gegen Hamas.

Aber auch, dass sie es bisher mit keinem vernehmbaren Wort tut, erinnert an die bürgerliche Revolution in Frankreich, an Robespierre und dessen Konzept, Terror mit Tugend zu verknüpfen, kleiner Exkurs:

Das Demokratiefördergesetz, dazu da, Bedrohungen im Äußeren und Inneren zu bekämpfen, verlegt die Bedrohung ins Innere nicht nur der Republik, sondern des Einzelnen, um ihr dort pädagogisch zu widerstehen anstatt politisch. In den 29 in NRW geförderten Projekten geht es nahezu durchweg um „Hilfe“, „Beratung“, „Bildung“, „Schulung“, „Un/Learning“, „Schreibwerkstatt“, „Lab“, „Theaterpädagogik“ und, ein Unwort eigener Art, „Demokratie-Lots*innen“. Das Förderprogramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend heißt denn auch Demokratie leben!“ Mit Ausrufezeichen, die Befehlfsform. Dass die jeweils 6stellig geförderten Projekte eine politische Schlagseite aufweisen, ist evident, aber nicht das Problem und ebenso nicht, ob sie gute oder weniger gute Resultate liefern, das Problem ist eine logische Verkehrung, wie sie sich im Projekttitel des Rubicon e.V. in Köln ausdrückt: „Diqui – Demokratie ist queer und intersektional“.

Nein, natürlich ist Demokratie nicht queer und nicht intersektional, so wenig wie sie evangelisch ist oder vegan, agnostisch oder Schalkefan, sie ist –  entscheidendes Attribut  –  liberal: Würde des Menschen, Demokratieprinzip, Rechtsstaatsprinzip. Was mit dem Programm „Demokratie leben!“ tendenziell geschieht: dass Demokratie zu einer Tugend gemodelt wird, einer persönlichen Entscheidung, einer semi-religiösen „Identität“ und damit ausgelagert aus dem öffentlichen Raum, eingekellert ins subjektive Befinden. Als sei eine sexuelle oder religiöse oder sonst eine Identität der Schoß demokratischer Tugenden. „Die Innovationsprojekte im Handlungsfeld Demokratieförderung haben das Ziel, demokratische Werte zu vermitteln und Vertrauen in die Demokratie zu stärken“, lautet die amtliche Formel. Nur was, wenn wer das Klassenziel nicht erreicht? Wenn sich gewünschtes Vertrauen nur ungenügend entwickelt, was sollte anderes entstehen als Misstrauen?

Dies der Punkt, an dem die Französische Revolution in grande terreur gekippt ist: „Ohne den Terror ist die Tugend machtlos“, so Robespierres berühmter Satz aus 1794, Terror sei nichts anderes als „unmittelbare Gerechtigkeit“. An einem vergleichbaren Punkt stehen wir heute sicherlich nicht, aber die Erinnerung an die Tugend des Terrors mag die Terrorphilie erklären, wie sie Hamas entgegengebracht wird in einem bestbürgerlichen Umfeld, wo sich die Assoziation von Tugend, Terror und Gerechtigkeit eingeübt hat. Eine vorpolitische Assoziation, eine persönliche Leidenschaft, wenn man so will, die, was Hamas angeht, in Israel ihr perfektes Pendant findet: Auch Judenhass ist, folgt man Jean-Paul Sartres verstörend aktueller Analyse aus 1944, „eine freie und totale Wahl, eine umfassende Haltung, die man nicht nur den Juden, sondern den Menschen im allgemeinen, der Geschichte und der Gesellschaft gegenüber einnimmt; er ist zugleich eine Leidenschaft und eine Weltanschauung“, man könnte sagen: eine demokratische Tugend.

In der Charta der Vereinten Nationen, einem 500-Seiten-Text, taucht das Wort Demokratie nicht auf, es ist, als schwinge sich Baerbock schweigend ein. Am zehnten Tag der Proteste gegen Hamas hat sie sich allerdings einmal geäußert und gefordert, dass Benjamin Netanjahu festzunehmen sei, sobald er, der Ministerpräsident Israels, jenes Europa betrete, dem seine Familie entkam, bevor sie ermordet werden konnte. Zu den Gefühlen, die eine Rolle spielen im demokratischen Leben, zählt die Scham, die einen in solchem Moment überkommt.

 

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