Vor etwa drei Wochen wurde Alexei Nawalny ermordet. AfD Chef Chrupalla will zunächst die Ermittlungen abwarten. Ein Anschlag auf die Energieversorgung des Tesla-Werks in der Nähe von Berlin wird von Linksextremen als Sieg gefeiert. Am 6. März forderte Katharina Stolla, die Vorsitzende der Grünen Jugend, die 20 Stunden Woche und damit eine Abkehr von Wohlstand und Leistung.
Einzeln betrachtet haben die drei Geschehnisse nichts miteinander zu tun. In der Retroperspektive wird man einst zu einem anderen Schluss gelangen und feststellen: So hat man Demokratie und Freiheit verspielt und sich zum willigen Diener von Extremisten und Mördern gemacht. Die einen handeln mit Vorsatz, die anderen aus historischer Naivität, Faulheit und Dummheit heraus. Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf. Am schlimmsten daran ist, dass sie es nicht merkt. Ebenso wenig wie die Terroristen die meinen, mit dem Anschlag auf Tesla dem Klimaschutz oder was auch immer zu dienen. Es ist Ausdruck eines in Dekadenz verfallenen Westens, der nicht mal mehr für den Selbsterhalt kämpfen will.
Betrachten wir die Bundesrepublik einmal, wie sie heute noch häufig im Ausland wahrgenommen wird. Effizient, reich, Made in Germany ist der goldene Qualitätsstandard, bereits in den 1980iger Jahren flohen zahlreiche Homosexuelle, darunter der großartigste Sänger aller Zeiten Freddy Mercury, nach Deutschland im Wissen, hier keine Repressalien und Verfolgung fürchten zu müssen. Niemand in Deutschland muss hungern, niemand erfrieren. Die Gesundheitsversorgung ist mit die beste auf der Welt. Deutschland ist ein Pullfaktor, weil Deutschland Freiheit und Wohlstand verspricht.
Deutschland kann es sich leisten, weil Deutschland reich ist. Dass zahlreiche selbst ernannte Influencer und Social Media Content Creator den Tag damit verbringen können, unproduktiv den Speicherplatz von Servern zu füllen und zu glauben, dabei einer geordneten Arbeit nachzugehen, hat genau einen Grund: Sie leben vom Wohlstand, den andere vor ihnen geschaffen haben. Es ist der gleiche Wohlstand, der es der Vorsitzenden der Grünen Jugend im warmen Studio erlaubt, über einen weiteren sozialistischen Tagtraum zu philosophieren. In Afrika oder Asien ginge das nicht oder zumindest nicht sehr lange. Beendet würde es entweder vom Hungertod oder einem Knüppel im Gesicht. Wahlweise auch beidem. Mit derartigen Widrigkeiten muss sich die Boheme des gelobten Landes jedoch nicht befassen, man ist immerhin zu besserem geboren und bestimmt. Zumindest, solange man die Augen nicht zu weit öffnet.
Ab hier nun ohne Zynismus. 2021 wurde Annalena Baerbock Außenminister und der Begriff „Feministische Außenpolitik“ Teil der politischen Leitlinien. Dies wurde belächelt – aber wieso eigentlich? Wir stehen im weltweiten Kampf der Systeme. Nach dem zweiten Weltkrieg war es der Kampf zwischen Kommunismus und Unterdrückung und Kapitalismus und Freiheit. Ich möchte gar nicht behaupten, dass alle Akteure des Westens dem eigenen Anspruch hierbei immer gerecht wurden aber doch war die Grundlinie stehts: Die Menschenrechte sind zentraler Dreh- und Angelpunkt. Es ist richtig, dass der freiheitliche Westen auf eine Einhaltung von Menschenrechten besteht. Es ist richtig, Druck aufzubauen, um Schwächere zu schützen. Diplomatie ist am Ende nichts anderes als ein Handel. Der Kampf ist heute nur noch viel extremer als im kalten Krieg und kann, Digitalisierung sei Dank, am eigenen Smartphone verfolgt werden. Deutschland beliefert die Ukraine im Kampf gegen Russland mit Waffen. Dies geschieht aus dem gleichen Grund, der das Influencer-Dasein gestattet. Geld.
Wie aber möchte ein Staat sich Geltung verschaffen, der keine Geltung mehr hat? Deutschlands Industrie wandert derzeit im großen Stil ab. Der Garant des Wohlstands, der die Annehmlichkeiten des derzeitigen Lebens erst ermöglicht hat, bricht weg. Was in den Sozialen Medien als „Reduktion der Emissionen“ dargestellt wird, sorgt in anderen Teilen der Welt für mehr Produktion und eine Zunahme an Emissionen, denn effizient und emissionsarm wie in Deutschland produziert kaum ein Staat. Es ist der berühmte Schnitt in das eigene Fleisch. Anstatt alles daran zu setzen, den Standort Deutschland zu stärken und die wirtschaftliche Kraft auch als Schutzschild gegen Unterdrückung, gegen Diktatoren und Mörder zu verstehen, geschieht aus Faulheit das Gegenteil. Der Blick reicht deutsch-national bis zur Grenze und keinen Meter weiter. Wer Fremdsprachen ein wenig mächtig ist weiß, dass seit mehr als 20 Jahren die Feinde der Freiheit zwischen Moskau und Peking regelmäßig die Schwäche des Westens betonen und alles daran setzen, dem Westen zu schaden. Es ist keine große intellektuelle Transferleistung, in Deutschland leben 83 Millionen Menschen, in China über 1,4 Milliarden. Der Einfluss des Westens beruht nicht auf Mannstärke. Scheitert der Westen als System, dann scheitert nicht der Kapitalismus. Dann scheitern die Menschenrechte. Wer nun die 20 Stunden-Woche fordert und glaubt, Wohlstand wäre leistungslos möglich und müsste nicht mehr verteidig werden, macht sich hier zum willigen Helfer. Der Inbegriff des mutmaßlich von Lenin beschriebenen „nützlichen Idioten“.
In den kommenden 20 Jahren werden die Weichen für die Menschheit gestellt. Alleine in den BRICS Staaten (nimmt man Russland und China heraus) streben über 2,2 Milliarden Menschen nach Wohlstand und Orientierung. Es ist im Interesse Deutschlands und des Westens, dass der Blick nicht nur nach Osten geht. Falls doch, gab es bereits genügend Vorgeschmack. In Russland sterben seit Jahren Oppositionelle regelmäßig sehr spontan und staatsdienlich. Und das sind die Fälle, die es bis in die Medien schaffen. Das Leben des Menschen ist in Moskau dem Staat lange untergeordnet. Widerspruch gibt es nur in den westlichen Medien. Es ist ein völliges Zerrbild zu glauben, innerhalb Russlands gäbe es offene Opposition. Russlands Annexionspolitik ist auch nur deshalb möglich, weil Moskau genau weiß, dass der Westen keinen Schutz bietet. Oder zumindest nicht mehr.
Deutschland und Europa sind keine Inseln, wir sind abhängig und im Weltwirtschaftskreislauf Akteure, die nicht nur fordern sondern auch bieten müssen. Eine Diskussion wie bei Markus Lanz hätte für Katharina Stolla in Peking im Straflager geendet. Bestenfalls. Und auch Frau Stolla muss sich die Frage stellen, ob sie möchte, dass die eigenen Kinder ebenfalls noch frei diskutieren können oder dabei die eigenen Meinung dem Diktat der Kommunistischen Partei Chinas anpassen müssen.
Wie grenzenlos die Naivität der westlichen Feelgood-Gesellschaft geworden ist, konnte letztes Jahr in Genf bewundert werden. Nachdem China über Jahre wegen zahlloser Menschenrechtsverstöße gerügt wurde, will China zukünftig die Menschenrechte neu definieren. Eine chinesische, an den Machtapparat angepasste Menschenrechtsdefinition. Selbstverständlich ohne zu viele demokratische Verwirrungen. Ein reines, chinesisches Menschenbild. In einem Regierungssystem ohne falsche Diskussionen, ohne zu viel Klimaschutz, ohne LGBT Rechte oder den Schutz von Minderheiten. Und insbesondere: ohne die nervige UN.
Widerspruch auf die Rede gab es nicht. Wie auch, China ist längst viel zu mächtig und hat seinen Einfluss weitreichend gesichert. Das Machtsystem des Westens, das nach zwei katastrophalen Kriegen und großen Opfern aufgebaut wurde, ist lange erodiert. Mit Donald Trump als US Präsident fiele auch der letzte Stolperstein, die USA, weg.
Man muss sich keinen Illusionen hingeben: China wird eines Tages Taiwan angreifen und den 24 Millionen Einwohnerstaat überrennen. Es wird böse Protestnoten geben und lautstarke Solidaritätsbekundungen. Am Ende der Hinrichtungen wird es keinen Unterschied gemacht haben. Das ist Realität. Taiwan wird der erste Versuch Chinas, die Grenzen der eigenen Macht auszuloten. Noch wollen die Diktaturen dieser Welt Dinge vom Westen, noch brauchen sie uns. Was aber, alsbald sich dies geändert hat? Was, wenn der Wohlstand Deutschlands nur der Gnade Pekings zu verdanken ist?
Denn China, Russland und der Rest der Welt wissen: Der faule Westen schläft und sonnt sich in Arroganz, solange man sie im Glauben lässt, die Kurzsichtigkeit des eigenen Handelns habe keine Konsequenzen. Und wenn sie aufwachen, dann ist es lange zu spät.