Theo Waigel mit meinungsstarken Thesen bei Markus Lanz

Theo Waigel hier während eines CSU-Parteitags in München | Bild: Michael Lucan / wikipedia / CC BY-SA 3.0

War früher alles besser? Mitnichten! Das ist die Kernthese die Theo Waigel als alleiniger Talkgast vorgestern im 75-minütigen Interview bei Markus Lanz mit vielen Argumenten untermauert: „Damals hätten die Russen mit einem Knopfdruck Deutschland und Europa zerstören können.“ Bevor Gorbatschow die Tür zur Welt geöffnet hat, sei die Situation viel schwieriger gewesen, berichtet Waigel.

Zum Erfinder von Perestroika und Glasnost hegte der ehemalige Finanzminister ein inniges Verhältnis und zeigte einen privaten Brief in die Kamera – oder erzählte von stenografierten Protokollen, auf die Gorbatschow freundschaftlich sagte: „Deine Ausführungen sind immer präziser als die vom russischen Geheimdienst KGB.“ Waigel warnte vor Putin und sagte, dass er schon immer die Welt getäuscht habe: „Wer als gewissenloser Despot mit einer Kernwaffe droht – das sei eine völlig neue Dimension und diese Situation dürfe man nicht bagatellisieren“, fügt der CSU-Politiker weiter hinzu.

Er lenkt erneut den Blick zur derzeitigen Regierung. Es gehe jetzt darum, „mit Wumms“ aus der Krise zu kommen, hatte Finanzminister Christian Lindner im Sommer zu den Entlastungspaketen gesagt. „Was ist das für ein Ausdruck? „Wumms“ zu sagen? In solchen Zeiten?“, kritisiert Waigel mit scharfen die Rhetorik der Ampel-Koalition – ihn erinnere das an die Loriot-Cartoon-Figuren „Wum und Wendelin“ – und das solch ein unsinniger Vergleich komplett an der Realität vorbeischießen würde.

Beim Vergleich zwischen früher und heute sei einer der größten Unterschiede zur damaligen Zeit, die heutige Kommunikation und Informationsvermittlung. „Es wird viel mit Lügen und Fiktion gearbeitet“, warnt er. Davon würde der rechte Rand sowie linke Politiker profitieren. „Ganz rechts und ganz links macht mir Sorgen“, sagt Waigel dazu. Insbesondere in Ostdeutschland seien die Spannungsfelder erkennbar. „Und das die jungen Leute heute überhaupt nichts mehr lesen – sondern nur noch absorbieren, was aus dem Smartphone kommt“, das sei eine ganz gefährliche Entwicklung.

Außerdem würden die Probleme der nächsten Generation komplett verschleiert. Waigel, der 1959 ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in München und später in Würzburg aufnahm, seziert samt der Lehre der Volkswirtschaft die Staatsverschuldung. „Was in der Pflege auf uns zukommt, ist dort überhaupt nicht bilanziert. Es ist aber gesetzlich bestimmt und kommt unausweichlich auf uns zu, gerade weil die Bevölkerung immer älter wird und die Lebensarbeitzeit der Bevölkerung das alles nicht mehr deckeln kann“, erläutert der Ex-Finanzminister.

150 Prozent des BIP würden auf die nächste Generation zukommen. Das sei kaum zu stemmen, betont Waigel. Im internationalen Vergleich hätten gerade „die Krisenländer“ wie Griechenland und Italien einen „Swing gemacht“ – und sich sehr gut entwickelt. Die Konsequenz: „So ist die implizite Staatsschuld im Moment in Griechenland wesentlich geringer – und in Italien nicht höher als in der Bundesrepublik Deutschland.“ Ein ebenso beachtliches, wie erstaunliches Statement.

Mit weiteren Thesen Energie- und Außenpolitik, Demokratiemüdigkeit, Europa und Wiedervereinigung machen die klaren, meinungsstarken und pointierten Argumente von Waigel diesen Talk zu einer raren und sehr sehenswerten Sternstunde im Polit-Talks des Fernsehens, die man sich hier in der zdf-mediathek ansehen kann.

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torben56
torben56
2 Jahre zuvor

Meine Fresse – dieser Typ war als CSU-Finanzminister sowas wie ein fleisch gewordenes Feindbild. Und heute – er war von 1989 bis 1998 Bundesminister der Finanzen – kann man fast alles unterschreiben was er sagt. Das liegt mit Sicherheit auch an den vielen Fehlern, die die Regierungen unter Schröder, Merkel und Scholz produziert haben.

wolfgang nicer
wolfgang nicer
2 Jahre zuvor

Was der Herr aus Bayern sagt , kann ich heute aus jedem zweiten Kommentar gut infomierter und Meinung starker Ökonomen hören, was ist so überwältigend daran. Ich denke eher an all die Versäumnisse und rhetorischen Patzer des Bayern.

Rudi
Rudi
2 Jahre zuvor

Wahnsinn, was sich da alles entwickelt hat in den letzten Jahrzehnten. Schade, dass der Waigel nie in die Politik gegangen ist.
Grüße aus Köln
Rudi

Reginakd
Reginakd
2 Jahre zuvor

Guten Morgen,na endlich aufgewacht?Die entscheidenden Fehler sind in der 16 jährigen Ära Kohl gemacht worden.Dabei hatte Hr.Waigel gehörigen Anteil.

SvG
SvG
2 Jahre zuvor

@ 4: Sehe ich anders. Die am längsten wirkenden Fehler wurden von 1998-2003 gemacht: Einführung des Verbandsklagerechts und Einstieg in den Ausstieg z.B. Die katastrophalen Merkeljahre mit der Anbiederung an China und Rußland, Abschaffung der Wehrpflicht statt Ausweitung derselben auf alle Mensch:*_Innen waren nur die konsequente Fortführung einer Entwicklung hin zur Spaß- und Freizeitgesellschaft. Dazu die Vernachlässigung der Infrastruktur; die konsequente Vernachlässigung der dualen Ausbildung zugunsten einer akademischen Bildung, die oft eher einem besseren Schulabschluß wertig ist das heruntergewirtschaftete Gesundheitssystem, die Bildung usw usf. Nicht zu vergessen die staatliche Selbstaufgabe 2015/16.

Rainer H. Kühne
2 Jahre zuvor

“ Nie gearbeitet, irgendwie Abi und dann hochgelabert , jetzt satt alimentiert “ > hier wird sehr verallgemeinernd Tatsachenkritik vorgetragen, die im Inhalt sehr mager in genau der Manier formuliert wird, wie vorher und nachher Brocken um Brocken zum Fraß vorgeworfen werden. Dieses WUMMS ist doch die Anbiederung an comicähnliche Jugendsprache, und bei SvG lesen wir “ Menschinnen „, ein Hinweis auf den Blödsinn gendergerechter Sprachverblödung. Irgendwie klingt es sehr maßlos kritisch. Allerdings – ich gebe es zu – der Blick auf die Zukunft ist recht verschleiert, so lange MACHT und HERRSCHAFT SITTE und ANSTAND, DEMUT und RESPEKT überlagern.

Es wäre hilfreich und auch angemessen, wenn punktuell berechtigte Kritik nicht so sehr durch Ablehnung ganzer Regierungsperioden geradezu abgewertet würde. Idealvorstellungen finden keinen Rückhalt, weil das KONTRA zum Ziel der Auseinandersetzungen verkommen ist, statt Wege gemeinsam zu suchen. Schwierig sicher , aber wenn Wahn und Untergangsmentalität vorherrschen, dann wird es gefährlich – zu jeder Zeit !

N I E hätte ich ( 83 J. ) mir vorstellen können, dass bei allen Fehlern die national und international gemacht wurden und werden, die Weltgemeinschaft so bedrohlich Aggressionen ausgesetzt wird, die kaum kontrollierbar erscheinen. Es beschämt den Anspruch des Menschen als intelligentes Wesen gesehen und anerkannt zu werden.

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