Das Projekt Innovation City des Initiativkreises Ruhr will das Ruhrgebiet in eine technologische und ökologische Zukunft führen. Thomas Sieverts, einer der bekanntesten Stadtplaner und Architekten Deutschlands, plädierte auf einer Fachtagung in Bochum vor ein paar Wochen dafür, auch die Stadtplanung zu ändern.
Der Mann ist fast 80 Jahre alt und wer ihn bei einem Vortrag auf der Bühne erlebt wird den Eindruck nicht los, dass Thomas Sieverts vitaler und intellektuell offener ist als die meisten Stadtplaner des Ruhrgebiets – von denen nicht wenige bei ihm studiert haben.
Sieverts prägte in den 90er Jahren die Internationale Bausaustellung Emscher Park mit, ist der Vater des Bochumer Westparks und des Umbaus der Gelsenkirchener Zeche Nordstern zu einem Büroreal in einer der abwechlungsreichsten Parklandschaften des Ruhrgebiets.
Auf einer Fachtagung im Rahmen des Initiativkreis Ruhr Projekts Innovation City zum Thema Stadtumbau und Energieeffizienz sprach sich Sieverts dafür aus, den Haus- und Städtebau neu zu denken und nicht einfach nur die vorhandenen Gebäude mit dicken Isolierschichten zu umpacken und ihnen so ihren Charakter zu nehmen.
“Wenn wir im Wohnbereich Energie sparen wollen, müssen wir nicht nur die Häuser isolieren. Viel effektiver ist es, uns was den Platz betrifft, zu bescheiden. Wenn ich mir anschaue, wieviel Quadratmeter heute jeder von uns beansprucht, wird der Verzicht auf ein paar davon die Lebensqualität nicht allzu sehr einschränken.”
Innerhalb der vergangenen 40 Jahre hat sich die von jedem Bundesbürger genutzte Wohnfläche auf heute über 40 Quadratmeter verdoppelt – hält dieser Trend an, sagt Sieverts, nutze alles isolieren nichts, denn schon der Bau eines Hauses kostet extrem viel Energie – wird es von mehr Menschen genutzt, kann viel davon eingespart werden.
Doch Sieverts will nicht nur, dass die Menschen enger zusammen rücken. Er will auch, dass besser gebaut wird. “Heute sind Bürogebäude nach 30 Jahren veraltet und werden abgerissen. Eine ungeheure Verschwendung von Material und Energie.” Früher hätten die Menschen Häuser gebaut, die Jahrhundertelang genutzt werden konnten, wenn die Gebäude nur immer mal wieder renoviert wurden. Diese lange Nutzung, erklärt Sieverts, sei nicht nur durch den Einsatz besserer Baustoffe und guter handwerklicher Kunst zu haben. “Wir müssen flexibler planen. Ein Haus muss während seiner Lebensdauer verschiedene Nutzungen ermöglichen. Es kann als Büro gebaut werden, dann vielleicht als Wohnhaus genutzt werden und später wieder teilweise gewerblich.”
Die Häuser aus früheren Zeiten hätten diese Qualität gehabt und die Beispiele sind bekannt. Ehemalige Fabriketagen, die als Loft-Wohnungen genutzt werden, Schulen, in denen Künstler ihre Ateliers haben oder alte Villen, die heute als edler Büroraum genutzt werden zeigen was möglich ist, wenn die Architektur eines Hauses nicht eng auf einen einzigen Verwendungszweck zugeschnitten ist.
Doch Thomas Sieverts will nicht nur dem Weg zurück in die alte Herrlichkeit solider Architektur. In Bochum warnte er vor Einkaufszentren als den Ruinen der Zukunft, entwarf eine Vision von kleinen, über das Internet vernetzten Geschäften in den Stadtteilen, die innerhalb kürzester Zeit flexibel auf die Wünsche ihrer Kunden eingehen können. Allen ist klar, dass die Gesellschaft älter wird – Sieverts zieht daraus die richtigen Schlüsse. Und so sieht er auch in den vielen Zentren des Ruhrgebiets einen Vorteil der Region. “Nimmt die Mobilität ab, weil die Menschen älter werden oder die Energiepreise steigen, wird allen klar werden, dass das Ruhrgebiet eine zukunftsträchtige Struktur hat. Hier kann man von fast überall aus zu Fuß oder mit dem Rad in ein kleines Stadtteilzentrum gelangen.” In den meisten anderen Ballungsgebieten sei das nicht möglich. Und weil es fast überall auch viel Grün und zahlreiche große und kleine Naherholungsgebiet gibt, hält er das Ruhrgebiet für eine Zukunft, in der es gilt, Energie zu sparen, gut gerüstet. Wenn es sich auf seine Stärken besinnt und nicht versucht, andere Städte zu kopieren.
Der Mann gehört zu den Klugen, keine Frage. Das Ruhrgebiet kann ökologische Vorzeigeregion werden. Allerdings nur wenn es sein Verkehrssystem radikal verändert.
https://www.ruhrbarone.de/e-mobility-die-zukunft-des-nahverkehrs-im-ruhrgebiet/
Von Verzichtsforderungen halte ich allerdings nicht sehr viel. Das ist gut gesagt, politisch aber nicht durchsetzbar. Menschen neigen nun mal nicht zur Beschränkung, wenn sie die Möglichkeit haben, sich wie auch immer auszudehnen.
Energie sparen ist ein vernünftiger Ansatz, Klima retten ist Unsinn! Die ganzen Verzichtserklärungen kann ich nicht mehr hören. Aber eins ist auch klar; ist so eine Wohnraumbegrenzung erst einmal auf der Agenda unserer Volksbeglücker, lässt sich das doch sicher irgendwie umsetzen – natürlich mit Zwang und zum Wohle der Allgemeinheit! Und notfalls über die EUrokraten in Brüssel.
Der außerordenlich positive Eindruck, den Stefan Laurin von der Persönlichkeit Thomas Sieverts, von seinen Gedanken und Ideen zur Stadtentwicklung/Stadtplanung gewonnen hat, überrascht mich nicht. Was Sieverts jetzt gesagt hat, habe ich so oder so ähnlich von ihm schon vor ca.15 Jahren gehört. Und ich habe ihn im Prozess der Ideenfindung und deren Umsetzung anhand verschiedener IBA-Projekte erlebt. Die „Frauen und Männer der IBA einschl.Sieverts“ mit ihrem Chef Karl Ganser an der Spitze haben seinerzeit nicht nur geredet, sondern mit einigem Erfolg dazu beigetragen, die Industrielandschaft Ruhrgebiet menschengerecht(!)umzugestalten. Das ist ihnen vor allem deshalb gelungen, weil sie sich stets weigerten, die Interessen der ausschließlich renditeorientierten Investoren und die Interessen der an kurzfristiger Popularität oriententieren Kommunalpolitiker als bestimmende Elemente ihres Denkens und Handels zu akzeptieren. Wir kommen hier bei den Ruhrbaronen -sh.auch Beitrag/Kommentare zu Pleitgen-immer wieder darauf, daß wir, wie so oft im öffentlichen Leben, auch in diesem Themenfeld keine grundsätzlichen Erkenntnisprobleme haben, sondern solche der Umsetzung. Und die beginnen damit, daß uns das Führungspersonal für einen revierumfassenden Prozess fehlt oder das vorhandenes und geeignetes Führungspersonal nicht kann/nicht will; Führungspersönlichkeiten für einen Prozess, der sich in seinen Zielen, Inhalten und Methoden beispielsweise an denen der IBA orientieren könnte. Wenn sich z.B.Zöpel und Lammert bereit finden würden, nicht nur miteinander über ihre gemeinsamen Interessen und Ziele in Sachen Ruhrgebiet zu reden, sondern einen solchen Prozess gemeinsam anzupacken, zu initiieren und zu moderieren, ihn „zu ihrem Ding“ zu machen, wäre das ein konkreter Anfang auf dem beschwerlichen Weg „zu neuen Ufern im gesamten Ruhrgebiet“. Und durch Lammert und Zöpel wären vielleicht ja auch die Gansers und Sieverts und ihnen gleichgesinnte „jügere Leute“ für das „Projekt“ Ruhrgebiet“ oder für den „Prozess“ Ruhrgebiet“ zu gewinnen.
@ Freidenker
Wobei die, die den Verzicht predigen, sich selber selten dran halten. Was Thomas Sieverts persönlich betrifft, möchte ich hier allerdings nicht vorschnell urteilen, denn ich weiß schlicht nicht auf wieviel Quadratmetern er selber lebt, und ich will es auch nicht wissen weil es für die Diskussion hier keine Rolle spielt.
@ Walter Stach
Ich gehöre nicht zu den euphorischen Bewunderern der IBA-Emscherpark. Sie hat sich insgesamt zu sehr an vorzeigbaren Gebäuden orientiert und zu wenig an der Veränderung von Strukturen. Aber selbst bei den baulichen Veränderungen/Innovationen gab es neben der durchaus erfolgreichen Route der Industriekultur die fast flächendeckenden Nutzungs-Flops im Bereich der Technologieparks. Aber so sind Bauausstellungen nun mal.
Siehe hierzu ausführlich mein Aufsatz:“Städtebau als Regionaldesign – Zum Verhältnis von baulich-räumlicher Gestaltung und regionalem Strukturwandel bei der IBA-Emscherpark“ In: Inszenierter Fortschritt – Die Emscherregion und ihre Bauausstellung Hrg: Sebastian Müller, Rita A. Hermann Bielefeld 1999
Die IBA-Emscherpark hat aus gutem Grund 4 wichtige Themenfelder des Ruhrgebiets und ganz besonders der Emscherregion fast völlig außen vor gelassen obwohl sie schon seit ihrem Beginn sichtbar/absehbar waren und während der Zeit der IBA erheblich an Schwung aufgenommen haben: Das Schrumpfungsproblem, das damit verbunden Demographieproblem, das Verarmungsproblem und das Integrationsproblem.
Siehe hierzu meine Aufsätze:
Als Hardcopy „Internationale Bauausstellung Emscherpark“ In:“ Schrumpfende Städte Bd.2″ Hrg: Philipp Oswalt , Kulturstiftung des Bundes 2005
als Link zum Thema Schrumpfen:
https://www.transparentonline.de/index.php?option=com_content&view=article&id=375:bevoelkerungsschwund-als-chance&catid=62:nr-74&Itemid=53
Als Link zum Thema Verarmung in der Emscherzone:
https://mediaplayer.studio-b-music.de/main.yum?mainAction=magazin&id=50318
Trotzdem finde ich, dass die IBA der richtige Ausgangspunkt ist um über „neue Ufer“ an Ruhr und Emscher zu reden, denn da wurde zum letzten Mal systematisch und vor allem flächendeckend über die Zukunft der Region nachgedacht.
Innovation City und die Weiterführung bzw. Vollendung des Emscherumbaus sind zwei weitere genauso wichtige und zugleich brandaktuelle Ansatzpunkte.
Arnold Voss: Danke für die Literaturhinweise! Steht denn zur Zeit über die Einzelprojekte -Innovation City und Vollendung des Emscher Umbaues- hinaus überhaupt nicht mehr zur Diskussion, den zumindest „richtigen Ausgangspunkt“ des IBA-Projektes aufzugreifen für ein vergleichbares, das gesamte Ruhrgebiet umfassendes Projekt -einbezogen die 4 genannten zusätzlichen Themenfelder? Ist es utopisch anzunehmen, daß darüber derzeit in der Politik vor Ort, in der Region, auf Landesebene und/oder in der Administration zumindest nachgedacht wird? Ist es ebenfalls utopisch anzunehmen, daß sich z.B.Lammert,Zöpel u.a. als Repräsentanten für ein solches Projekt, eine solche Projektidee gewinnen lassen könnten? Wäre es denkbar, daß ein solches IBA-ähnliches, das gesamte Ruhrgebiet umfassendes Projekt einhergehen und verbunden werden könnte mit Überlegen, die Verfassungsstruktur der Ruhrgebietskommunen,der Kreise und des Regionalverband Ruhr zu reformieren? Ich bin mittlerweile viel zu weit weg von den Akteuren im Revier, im Land, um zu wissen, ob etwas im umschriebenen Sinne läuft oder nicht. Und ich bin erstrecht nicht (nicht mehr) in der Lage, über den Meinungsaustausch bei den Ruhrbaronen hinaus auf die Akteure einzuwirken, um bei ihnen konkret irgend etwas im Sinne meiner Ideen/ Vorstellungen zu bewegen -nicht einmal deren Gedanken.
@ Walter Stach # 6
Nach gedacht wird darüber an verschiedenen Stellen schon, aber nach meiner Einschätzung nicht sonderlich koordiniert.
Es wird aber 2020 so etwas wie eine Klima-Expo geben, und da gibt es dann schon am Ende einen gemeinsamen Vorzeigezwang. D.h. ähnlich wie bei der IBA und der Ruhr-2010 muss dazu nochmal über eben dieses Gemeinsame der Stadtregion geredet werden, über das was alle Städte verbindet, was ähnlich ist, und natürlich auch was unterschiedlich ist und wer in diesem Rahmen welchen speziellen Beitrag leistet bzw. leisten kann.
Nach dem teil-regionalen Stadterneuerungsbündnis der IBA und dem gesamtregionalen Kulturbündnis von Ruhr 2010 wäre eigentlich ein ebenso gesamtregionales Klimabündnis für die Klima-Expo-2010 angesagt. Eine Bündelung aller diesbezüglichen regionalen Kräfte, in deren Aktiosnfeld dann auch jede Gemeinde eine wenn nicht tragenden so doch beitragende Rolle einnehmen kann.
Was Personen betrifft, können sich dazu nur die von ihnen angesprochenen selbst äußern. Es gibt in einer multigemeindlichen und multipolaren Struktur wie dem Ruhrgebiet aber selten eine von allen anerkannte und zugleich ausreichend charismatische Person, die einer solchen Initiative ein Gesicht und eine einheitliche Strategie geben könnte.
Selbst Karl Ganser konnte eine solche Rolle nur deswegen einnehmen, weil er damit einverstanden war, dass nur die Projekte zum Zuge kamen, denen auch die jeweilige Gemeinde zugestimmt haben. Und weil er die brisanteren Themen wie z.B. die Ruhrstadt oder die Integration des regionalen ÖPNV, von vornherein zur Tabuzone erklärt hat.
Am Ende hatten dann alle mehr oder weniger spektakuläre Gebäude zum vorzeigen, deren Folgekosten und vor allem deren dauerhafte Nützlich- bzw. Unnützlichgkeit erst heute richtig sichtbar werden. Ganz nach der alten Parole aller Ausstellungen: Hauptsache es gibt überhaupt was zum vorzeigen. Alles andere ergibt sich später. Das kann aber nicht mehr die Parole für 2020 sein.