Umweltministerin Lemke will die Einfuhr von Jagdtrophäen weiter einschränken nach dem Vorbild Belgiens und der Niederlande. Vermutlich wäre dieses Vorhaben relativ unauffällig politisch durchgewunken worden, schreibt unser Gastautor Michael Miersch, wenn nicht…
…Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi einen PR-Coup gelandet hätte. Er bot an, Deutschland 20.000 Elefanten zu schenken. Damit waren die Medien angefüttert, es kam zu einer öffentlichen Debatte über die europäische Anti-Jagdtourismus-Politik und den Widerstand einiger afrikanische Staaten dagegen.
Die Positionen prallen seit Jahrzehnten aufeinander. Darf man Elefanten totschießen? Nein, sagen viele europäischen Tierfreunde, die sich am Anblick der Rüsseltiere zuhause im Zoo oder in den touristisch erschlossenen Nationalparks Afrikas erfreuen. Ja, sagen einige Regierungen im südlichen und östlichen Afrika, die die Einkünfte aus dem Jagdtourismus nicht missen wollen.
Seit 1979 bin ich auf den Spuren wilder Tiere durch 15 afrikanische Länder gereist. Als Journalist schaute ich mir verschiedenste Naturschutzprojekte an, staatliche und private. Solche in denen Jagd verboten war und andere, wo man Jagd ins Konzept integriert hatte. Diese Recherchen und Erlebnisse haben meine Abneigung gegen Großwildjagd und meine noch viel heftigere Ablehnung des Jagdtourismus ins Wanken gebracht.
Für die meisten meiner Freunde ist die Sache klar: Alte weiße Männer, die in ehemaligen Kolonien schöne wilde Tiere abschießen: Übler geht‘s kaum. Wer so etwas rechtfertigt, macht sich unbeliebt. Gegen Jagd zu sein, gehört heute zum guten Ton in der akademischen Mittelschicht, also dem Milieu, welches die kulturellen Muster und Werte formt, an denen eine Gesellschaft sich orientiert. Und das gilt nicht nur für Großwildjagd in Afrika, sondern zunehmend auch für jegliche Jagd.
Die Verachtung der Jagd hat viel mit dem Wandel des Naturbildes in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu tun. Die zuvor meist utilitaristische Sicht auf die Natur wurde von einer romantischen abgelöst. Verklärung von Tieren, Pflanzen und Landschaften gab es auch schon viel früher, wie große Kunstwerke belegen. Doch erst Mitte vergangenen Jahrhunderts erfasste romantische Naturliebe die große Mehrheit der Menschen in Europa und Nordamerika und prägte nachhaltig den Zeitgeist. Im 21. Jahrhundert erlangte Natur einen ähnlichen Stellenwert wie Frieden oder Gerechtigkeit. Alle lieben die Natur. Doch jeder stellt sich etwas anderes darunter vor.
Das bekommen insbesondere die Berufe zu spüren, die in ihrem Alltag mit der Natur zu tun haben und sie bearbeiten: Landwirte, Förster, Fischer und natürlich die Jäger. Alle Formen der Primärwirtschaft stehen heute unter gesellschaftlichem Druck und werden misstrauisch beäugt. Viel stärker als andere müssen sie ihr Tun rechtfertigen. Speziell die Jäger werden aus unterschiedlichen Positionen heraus in Frage gestellt.
Die schärfste Position vertreten die Tierrechtler, denen es bestens gelingt, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Für sie ist klar: Jäger sind Mörder. Tierrechtler sind davon überzeugt, das Leben eines Tieres sei genau so viel wert wie das eines Menschen. Deshalb darf man kein Tier töten. Auch darf man sie nicht berauben, indem man ihnen Eier, Milch oder Honig wegnimmt. Das Naturbild dahinter ist ein paradoxes. Tierrechtler wollen im Grunde gar keine Natur. Sie wollen die Sphäre der Zivilisation auf die Tierwelt ausdehnen.
Andere sehen die Jagd als Traditionspflege. Diese Sichtweise ist besonders stark innerhalb der Jägerschaft selbst vertreten. Es geht um Brauchtum und den Erhalt tradierter Techniken. So wie wir es aus Vereinen kennen, die ausgestorbene Handwerkskünste bewahren. Man spricht eine Insider-Sprache und überhöht das Ideal der Waidgerechtigkeit. Interessanterweise ist der Blickwinkel der Waidgerechtigkeit der Weltsicht von Tierrechtlern durchaus ähnlich: Das Tier wird hierin zur Person, zu einem Wesen, dem man ritterlich begegnen muss. Waidgerechtigkeit steht jedoch zuweilen im Widerspruch zu humanen und effizienten Jagdmethoden.
Viele Naturschützer hingegen haben sich den Forderungen der Forstwirtschaft angeschlossen: Jäger sollen den Wald mit der Waffe verteidigen. Je weniger Rothirsche, Rehe und Gämsen an Bäumen knabbern, desto besser. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum der Rothirsch aus Sicht mancher Naturschutzfunktionäre ein Schädling ist, der Borkenkäfer aber Teil eines zu schützenden Ökosystems. Gleichzeitig wünschen sich viele Naturschützer Jäger als Natur-Regulierer, die eingreifen, wenn es in der Natur mal nicht so rund läuft wie im Ökologie-Lehrbuch.
Große Einigkeit herrscht in der Ablehnung des Jagdtourismus. Mitte des 20. Jahrhunderts war Großwildjagd im Ausland noch ein besonderes Vergnügen und Statussymbol für Hochadel und Staatsmänner. Queen Elisabeth ging 1960 in Nepal auf Tigerjagd. Jozip Broz Tito gönnte sich Jagdsafaris in Afrika. Sie und viele andere Reiche und Mächtige ließen sich bereitwillig dabei filmen und fotografieren. Als ein halbes Jahrhundert später der spanische König Juan Carlos in Botswana einen Elefanten schoss, war dies ein skandalöser Vorfall, über den weltweit berichtet wurde.
In früheren Zeiten wurde die Natur zumeist als Bedrohung empfunden: Eine Macht, die uns Menschen mit Krankheiten, Katastrophen oder auch durch wilde Tiere heimsucht. Aber auch als zügellose innere Natur, die uns mit ihren anarchischen Trieben verwirrt. Gleichzeitig war sie sie pralle Lebensspenderin, der wir Brot und Wein verdanken. Heute betrachten viele Menschen die Natur als ein Reich des Friedens und der Harmonie, welches durch uns Menschen gestört oder gar in seiner Existenz bedroht wird: Natur als paradiesischer Zustand und Gegenwelt zur harten und von ökonomischen Zwängen geprägten Realität des Menschen. Alles in ihr ist ein ewiger Kreislauf. Nur wenn wir sie schlecht behandeln, schlägt sie zurück. Dass die Natur weiterhin ohne menschliches Zutun durchaus tödlich sein kann, wird gern verdrängt.
Am deutlichsten zeigt sich diese Entwicklung im Verhältnis zu den Tieren. Tiere sind unsere Freunde, das lernt heute jedes Kind. In meiner Kindheit war es noch nicht so. Wer sich alte Tierfilme und Tierbücher anschaut, bemerkt einen deutlichen Wandel in der Mitte der 1950er-Jahre. Vorher waren wilde Tiere zumeist gefährlich. Die Helden der Abenteuererzählungen schossen diese Bestien mit bestem Gewissen tot.
Über Leoparden hieß es beispielsweise in einem populären Kinderbuch meiner Kindheit: „Mit den körperlichen Vorzügen verbinden sich List und Tücke, Verschlagenheit und Rachsucht, Wildheit und Blutdurst, Raub- und Mordlust. Kein Wunder, dass er überall dort, wo er auftritt, ein Schrecken der Gegend ist.“ Wildtiere, die dem Menschen, seinem Vieh oder seinen Ackerfrüchten schadeten, galten damals als grundsätzlich böse – und dies war durchaus auch im moralischen Sinne gemeint.
Mitte der 1950er-Jahre wandelte sich das Naturbild radikal. Wildnis wird nun nicht mehr als bedrohlich, sondern als durch uns Menschen bedroht dargestellt. Der internationale erfolgreiche deutsche Film „Serengeti darf nicht sterben“ von Bernhard und Michael Grzimek zeigt diesen kulturellen Wandel in typischer Manier. Wenige Jahre nach diesem legendären Savannen-Epos betrachten die Bewohner der wohlhabender Industrieländer Leoparden und andere Wildtiere völlig anders als ihre Großeltern und Urgroßeltern.
Einer der Gründe, warum der Blick sich geändert hat, ist der Fortschritt der Produktivkräfte und der damit verbundene kulturelle Wandel. Nur noch eine kleine Minderheit der Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft. Die Mehrheit wohnt in Städten und kauft Fleisch und Milch im Supermarkt ein. In Metzgereien und auf den Märkten sind keine toten Tierkörper mehr zu sehen. Fast alle haben jetzt ein Herz für Tiere.
In Gebieten, wo Menschen noch häufig Wildtieren begegnen, ist die Sichtweise ganz ähnlich wie im Europa des frühen 20. Jahrhunderts. Eine Elefantenherde im Hirsefeld stößt bei Afrikanischen Landwirten auf genauso wenig Sympathie, wie die Wildschweine im Rübenacker unserer Vorfahren. Mir sind Gespräche gut in Erinnerung, die ich in dem Dörfchen Vigolegole im Süden Tansanias führte. Manche Dorfbewohner bezeichneten durchweg alle Tiere als „wadudu“. Das ist Swahili und bedeutet Ungeziefer. Die schönen Geschöpfe, derentwegen Europäer und Nordamerikaner nach Ostafrika einfliegen, wurden von dem Menschen dort als Plage betrachtet. Zu oft zertrampeln Elefanten die Felder, zu oft verschwanden Hühner oder Ziegen oder gerieten Menschen in Lebensgefahr. Als ich fragte, ob schon einmal jemand von Wildtieren attackiert worden war, meldeten sich zwei Dutzend Bewohner. Etliche hatten die Begegnungen mit Büffeln, Flusspferden oder Krokodilen nur knapp überlebt und waren durch Narben entstellt.
Vigolegole liegt am Selous Game Reserve, dem größten Wildtierreservat Afrikas, ein Ausschnitt urtümlicher ostafrikanischer Landschaft, so groß wie die Schweiz. Seltene Arten, wie der Afrikanische Wildhund, kommen hier noch vor. Ein Großteil der Elefantenpopulation Tansanias lebt in dieser Wildnis aus Buschland, Savanne, Wald, Sümpfen und Flussauen.
Als ich Anfang der 2000er-Jahre das Reservat besuchte, wurde ich Zeuge eines Projektes, mit dem Tansanias Ministerium für Umwelt und Tourismus die Landbevölkerung für den Naturschutz einnehmen wollte. Orientiert an ähnlichen Initiativen in Simbabwe, versuchte die Regierung eine nachhaltige Nutzung der Natur umzusetzen, so wie es auf dem Umweltgipfel von Rio 1992 formuliert worden war. Der ökologische Wert des Reservates sollte für die Menschen der Region ökonomisch spürbar werden.
Viele Tansanier hatten es satt, dass Europäer und Nordamerikaner ihr Land als Zoo der Welt betrachten. „Es ist eine Illusion, wenn Europäer glauben, sie könnten die Menschen hier zur Tierliebe bekehren,“ sagte mir Mzalimu Kaita, Leiter der dörflichen Wildtierkomitees, die in den 41 Gemeinden am Rande des Reservates gewählt worden waren. „Wenn wir die biologische Vielfalt bewahren wollen, müssen die Menschen hier einen Nutzen davon haben.“
Das damals noch recht neue Nutzungskonzept des „Selous Conservation Programme“ schloss die „Dorfjagd“ein. So etwas gab es zuvor in Tansania über hundert Jahre nicht mehr. Deutsche und englische Kolonialisten hatten die dörfliche Fleischversorgung aus dem Busch streng verboten. Wer trotzdem weiter machte, war plötzlich nicht mehr Jäger, sondern Wilderer. Selbst außerhalb der Nationalparks blieben die Tiere Eigentum des Staates und damit nur über Lizenzen der Jagdbehörden zugänglich.
Nach dem Sieg der Unabhängigkeitsbewegung führte die Regierung unter dem Afro-Sozialisten Julius Nyrere bis 1974 zunächst die koloniale Jagdgesetzgebung weiter. Diese sah zwar auch lokale Lizenzen für die Fleischjagd vor. Für die traditionellen Jäger in den Dörfern waren diese Lizenzen allerdings untauglich, denn sie setzten den Einsatz von lizensierten teuren Jagdgewehren voraus. Solche Waffen gab und gibt es in den Dörfern nicht. Das nachkoloniale Jagdgesetz von 1974 schrieb diese Regelung fort, und trug daher auch nicht zum Nutzen der armen Bevölkerung auf dem Lande bei.
Die damalige Gründung zahlreicher Nationalparks war nicht nur ökologisch vernünftig. Naturreservate zählen bis heute zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Konzepten der Ex-Kolonien. Länder wie Kenia, Tansania oder Botswana fanden im boomenden Fremdenverkehr eine Devisenquelle, die sich als krisenfester erwies als Kaffee- oder Sisalexport.
Die Verlierer des Aufschwungs leben in den Dörfern am Rande solcher Schutzgebiete. Das Geld aus dem Naturtourismus fließt in die Hauptstädte, zu den Ministerien und Reiseunternehmen. Dort interessiert sich niemand dafür, was Elefantenherden in Maisfeldern anrichten. In Vigolegole jedoch müssen die Frauen monatelang in kleinen Schutzhütten aus Schilf kampieren, um nachts wilde Tiere von ihren Äckern zu verscheuchen.
In den frühen 1990er-Jahre verschaffte das „Selous Conservation Programme“ den Dorfbewohnern endlich einen Vorteil aus dem Wildreichtum ihrer Gemeindegebiete. Mehrere Hundert Antilopen und Büffel durften die bäuerlichen Wildtier-Komitees im Laufe eines Jahres zur Strecke bringen. Die Jagd wurde von Wildhütern aus dem Reservat ausgeübt. Sie wachten darüber, welche Tierarten geschossen, und dass die Quoten eingehalten wurden. Das Fleisch lieferten sie an die Dörfer, wo es reißenden Absatz fand.
Bevor die Gemeinden in den 1990er-Jahren Jagdquoten zugeteilt bekamen, waren die Wildgebiete völlig heruntergekommen. Wilderei grassierte. Das wandelt sich rapide, seit die Wildtiere für die Bauern einen Wert darstellten. Sie sagten immer seltener „wadudu“ und immer häufiger „wanyama“. Dieses Swahili-Wort bedeutet „Tiere“, aber auch „Fleisch“. Illegale Jagd für den heimischen Kochtopf kam kaum noch vor. Profiwilderern, die Elfenbein oder Rhinohorn erbeuten wollten, fanden in den Dörfern keine willigen Träger und Fährtenleser mehr. Die Elefantenpopulation wuchs.
Elefanten waren zwar nie für Dorfjagden freigegeben. Doch eine kleine Quote durfte jedes Jahr von Jagdtouristen erlegt werden. Auch dies füllte die kommunalen Kassen. Jagdunternehmer mussten für ihre Reviere Geld an die Gemeinden entrichten. Oberndrein waren Jagdveranstalter beliebte Arbeitgeber. Damit es ihren reichen Kunden die Wildnis nicht zu unbequem wurde, kümmerten sich Fährtenleser, Fahrer, Gewehrträger und Köche. Für eine Jagdpartie arbeiteten oftmals ein Dutzend Männer oder mehr. Neben den hohen Preisen für solche Jagdsafaris mussten die Auslandsjäger nach erfolgreichem Schuss noch Trophäengebühren entrichten. Der Löwenanteil dieser Gelder ging an den Fiskus, der damit wiederum das Wildreservat finanziert.
Leider ist dieses beispielhafte Modell einer nachhaltigen Nutzung von Wildtieren im Selous Reservat gefährdet. Die Dörfer warten vergeblich auf ihren Anteil an den Jagdeinnahmen, den auszuzahlen die Regierung Tansanias gesetzlich verpflichtet ist. Erneut grassiert die Wilderei. Obendrein wird das Reservat durch Straßenbau zerschnitten. Ein großes Staudammprojekt ist geplant, wodurch ein Stück dieser urtümlichen Wildnis verschwinden wird.
Doch das Selous Projekt war nicht das einzige seiner Art. Auch in Simbabwe, Namibia, Südafrika und Botswana gab und gibt es Bestrebungen, den Reichtum an Wildtieren wirtschaftlich besser zu nutzen, zum Wohle der Bevölkerung und des Naturschutzes. In Regionen, wo die Landbevölkerung Elefanten und Büffel als Ernteschädlinge betrachtet, und sich über Wilderei heimlich freute oder diese sogar unterstütze, konnte Jagdtourismus das Blatt wenden, sofern die lokale Bevölkerung an den Einnahmen beteiligt wurde. Schädlinge verwandelten sich zu lebendigen Wertanlagen und wurden dementsprechend beschützt. Die auf den ersten Blick unmoralische Kommerzialisierung der Wildtiere hat mehr Gutes bewirkt als viele gut gemeinte Naturschutzappelle.
Als 2019 Giraffen in einigen ost- und zentralafrikanischen Staaten immer seltener wurden, forderten diese Länder einen höheren Schutzstatus für Giraffen durch das internationale Artenschutzabkommen CITES. Doch legale Jagd konnte nicht die Ursache für diesen Rückgang dieser Tierart sein, denn in den betroffenen Staaten ist die Jagd verboten. Die Gründe waren viel eher Fleischwilderei, Bürgerkriege und Lebensraumverlust. In Ländern dagegen, die den Jagdtourismus nutzen, hat sich im gleichen Zeitraum die Giraffenpopulation nahezu verdreifacht.
In Goethes berühmten Bühnenstück stellt sich Mephisto dem Doktor Faust mit den Worten vor, er sei „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Eine verstörende Wahrheit, die manchem Idealisten nicht in den Kopf will: schlechte Intentionen können zu guten Ergebnissen führen. Dass reiche Männer, die gern auf Tiere schießen, nebenbei den Naturschutz finanzieren, wäre wohl ganz nach Mephistos Geschmack. In einer Studie von Tourismusforschern der Humboldt-Universität Berlin heißt es: „Jagdtourismus mag elitär sein und Naturschützern nicht behagen, erfüllt jedoch die Kriterien des Ökotourismus.“
In Namibia wird der Artenschutz bereits seit den 1960er-Jahren mit marktwirtschaftlichen Mitteln betrieben. 1967 gingen die Besitzrechte an Wildtieren auf private Landbesitzer über. Zuvor hatten die Farmer Wildtiere ausgemerzt, wo sie nur konnten. Antilopen und Zebras schossen sie als Futterkonkurrenten ihrer Rinder ab. Raubtiere wurden als potentielle Viehräuber mit Giftködern, Fallen und Flinten verfolgt. Solange, bis die Privatisierung eine völlige Umkehr einläutete. Statt mühsam dem Wüstenklima ein paar dürftige Rindersteaks abzutrotzen, sattelten mehr und mehr Landwirte auf das lukrative Jagdgeschäft um. Sie schlachteten ihr mageres Vieh und legten Jagdfarmen an. Der Erfolg: Innerhalb von 30 Jahren stieg der Wildbestand auf privatem Farmland um 70 Prozent an. Im gleichen Zeitraum nahm die Artenvielfalt der größeren Säugetiere um 40 Prozent zu. Über 90 Prozent des Großwildes in Namibia lebte zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf privatem Land, welches einen Anteil von 44 Prozent an der Staatsfläche hat. In 2007 buchten 5.363 Touristen eine Jagdsafari in Namibia und brachten dem Land damit 28,5 Millionen US-Dollar ein.
Der internationale Dachverband des Naturschutzes, die IUCN, wies schon in den 1980er-Jahren darauf hin, dass Naturschutz in Entwicklungsländern auf verlorenem Posten steht, wenn er nur Kosten verursacht. Dies können sich Industrieländer leisten. Doch dort, wo Armut herrscht, müssen Wege gefunden werden, die wilde Natur als Einkommensquelle für die Menschen zu erschließen. Sonst werden Savannen in Viehweiden verwandelt und Wälder gerodet. Daher tritt die IUCN für die nachhaltige Nutzung von Wildtieren ein und nicht für den Totalschutz im Sinne einer musealen Konservierung.
Die bedeutendste Nutzungsform ist der Fototourismus. Doch der verlangt hohe Investitionen in Infrastruktur. Die meisten Naturtouristen möchten nicht im Zelt, sondern in einer komfortablen Lodge übernachten. Noble Unterkünfte werden jedoch nur dort gebaut, wo die Natur so außerordentlich schön ist, dass sehr viele Menschen dorthin reisen wollen. Jäger dagegen kann man auch in Regionen mit weniger pittoresker Landschaft oder geringerer Dichte an Großtieren locken. Sie werden in der Regel in mobilen Zeltcamps untergebracht. Investitionen in Infrastruktur halten sich in Grenzen.
Dass triftige Gründe für eine Integration des Jagdtourismus in den Naturschutz sprechen, stört die öffentliche Meinung Deutschlands kaum. Zu stark wirkt das Klischee von den fiesen Männern, die sich mit dem Totschießen unschuldiger Tiere verlustieren. Moralische Empörung ist der übliche Reflex. Ob Großwildjäger in Kolonialkluft uns sympathisch sind oder nicht, ist jedoch völlig unerheblich. Wenn Jagdtourismus den Menschen in armen Regionen hilft, obendrein den Naturschutz mitfinanziert und bei der lokalen Bevölkerung zur Akzeptanz von Wildtieren beiträgt, sollte man es nicht beim Empören belassen. Besser wäre, den Menschen in Afrika zuzuhören, die es verstehen, die Ressource Jagdtourist intelligent zu nutzen.
Dieser Text basiert auf dem Vorwort des Buches „Die Sache mit der Auslandsjagd“ von Hannes und Ludwig Siege (Verlag Neumann-Neudamm) und erschien bereits auf dem Blog von Michael Miersch