Die ehemals als „Hamburger Schule“-Szene bekannte Szene hat die Blütezeit hinter sich gelassen. Jochen Distelmeyer sagte irgendwann, dass die Geschichte von seiner Band Blumfeld aus erzählt ist. Während die Sterne weniger im öffentlichen Bewusstsein stattfinden, halten Tocotronic emsig die Fahne hoch. Am 6. August kommen sie in das Freilichtbühne Burgtheater in Dinslaken.
Zweifellos sind Tocotronic in unseren Breitengraden eine wichtige und etablierte Größe. Mit Ihren ersten Alben von „Digital ist besser“ bis „Es ist egal, aber“ bezogen Sie sich musikalisch auf Indie-Rockbands wie Dinosaur jr. oder Pavement. Dazu addierten Sie einen Klamottenstil aus dem Second-Hand-Laden: Cordhosen, Polyesterhemden und Trainingsjacken aus den späten 1970er Jahren. Rund 30 Jahre nach ihrer Gründung hat Sänger und Hauptsongwriter Dirk von Lotzow aktuell etwas sehr angenehm Dandyhaftes. Er könnte damit die deutsche Antwort auf Morrissey sein. Und an seiner Seite hat sich Bassmann Jan Müller zu einem der intelligentesten Musik-Podcaster entwickelt. Sein Format ›Reflektor‹ glänzt mit tollen Fragen, herausragender Recherche und dem Who-is-Who der deutschen Musikszene an Gästen – von Alphaville über Deichkind und Fettes Brot bis zu den Toten Hosen.
Mit „Nie wieder Krieg“ haben Tocotronic im letzten Jahr ihren mittlerweile 13. Longplayer veröffentlicht. Wiederum wurde Moses Schneider als Produzent gewählt. „Seit vielen Jahren arbeiten wir nun mit ihm zusammen“, so die Worte von Dirk, „im Jahr 2004 haben wir mit „Pure Vernunft darf niemals siegen“ das erste Mal zusammen etwas mit ihm gemacht. Moses ist ein Teil der Toco-Familie geworden. Es ist uns wichtig langfristig mit Menschen in unserem näheren Umfeld zusammen zu arbeiten. Moses ist ein vielseitiger, extrem musikalischer und auch ewig suchender Mensch, der einfach sehr gut mit uns harmoniert. Zudem ist er ein phantastischer Psychologe, eine Eigenschaft, die wir sehr an ihm schätzen.“ Wenn Dirk Texte schreibt, hat er hierzu seine eigene Arbeitsweise gefunden. Er kommentiert: „Notizen mache ich mir eigentlich ganz selten. Es ist schon eine Sache, die größtenteils spontan passiert. Wenn ich den Moment merke, dann schreibe ich meist den Song in einem Rutsch fertig. Das können aber ganz ungewöhnliche Momente sein. Manchmal morgens beim ersten Kaffee zum Beispiel.“
Angenommen einem Außerirdischen müsste der Unterschied zwischen Rock- und Pop Musik erklärt werden, wie würde von Lotzow das machen? Dirk überlegt und wägt dann ab: „Der allumfassende Begriff, für das was wir da machen, ist schon Popmusik. Also klar in der Abgrenzung zu Klassik oder Jazz zum Beispiel. Rock in Abgrenzung zu Pop ist etwas grober und arbeitet nicht so stark mit Verfeinerungen. Vielleicht ist der Rock die naturalistisch geprägte Version, während Pop etwas delikater geartet ist. So könnte man es vielleicht sagen, aber es ist eine sehr komplexe Frage. Da müsste ich mal länger drüber nachdenken.“ Musikalische Weltoffenheit sind für die Hamburger ein wichtiges Leitbild, sie sind sogar im härteren Bereich zuhause: „Wir sind teilweise sehr große Fans des Thrash-Metals. Für mich sind Kreator eine fantastische Band. Ich weiß jetzt nicht genau, ob ich alle Alben von Slayer habe, aber sie laufen relativ oft bei mir. Ich fand Slayer immer super.“
Tocotronic am 06.08. ab 19 Uhr
auf der Freilichtbühne Burgtheater
Althoffstraße, 46535 Dinslaken
Tickets gibt es hier