Topmanagerin or Death

Quelle: Flick.com, Foto: BarbieFantasies, CC BY2.0

Familienministerin Barley fordert eine Frauenquote für Unternehmensvorstände. Das ist zunächst mal konsequent, gibt es doch bereits seit Mai letzten Jahres eine solche Quote für die Aufsichtsräte. Angesichts der Zahl der Personen, die davon betroffen wären, hätte eine solche Quote vor allem symbolischen Wert. Aber Symbol für was?


Es ist eine der bemerkenswertesten Eigenschaften des Kapitalismus, dass es ihm gelingt, sich alles einzuverleiben. Wo einst Aussteiger ihr Heil im Buddhismus suchten und Asketen oder Eremiten als Vorbild nahmen, kann man längst Kurse in „Zen für Manager“ buchen, wo sich die fleißigen Herren (und bald 30% Damen) darin schulen können, mit Achtsamkeitstechniken den Burnout noch etwas hinauszuzögern und noch mehr zu leisten. Wenn es einen Markt für nicht-industriell hergestellt (erscheinende) Bio-Produkte gibt, so wird er von der Industrie bedient. Symbole von Gegenkulturen wie den Hippies oder des Punk werden früher oder später zuverlässig Teil der Mainstream-Mode.
Die Maschinerie aus Produktion und Erwerb dürfte kein Problem mit einer Frauen-Quote haben. Vielleicht haben es die Männer, die derzeit in den Führerhäuschen dieser Maschine sitzen, weil sie eben Männer sind. Aber die Marktwirtschaft als ein Mechanismus beruht auf einer einfachen Feedback-Schleife: Was mehr Geld bringt, überlebt. Deshalb kommen jene Personen nach oben, die dem Unternehmen den meisten Profit versprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich für diesen Zweck nicht auch Frauen finden. Nun steht fest, dass die Mischung aus den Persönlichkeitsmerkmalen Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie, die als Dunkle Triade bekannt ist, bei Männern häufiger vorkommt. Aber daraus zu schließen, dass Unternehmen altruistischer handeln würden, wenn sie mehr Frauen an der Spitze hätten, ist optimistisch. Denn unabhängig vom Geschlecht gilt die alte Regel, nach der Menschen, die nach Macht streben, genau deswegen eigentlich ungeeignet sind, sie bekommen. Und Frauen, die es an die Spitze von Großunternehmen schaffen, haben genau wie die Männer einen unbestechlichen Auswahlprozess durchlaufen, der sich “Karriere” nennt.

Nun ist nicht damit zu rechnen, dass solche Machtpositionen in absehbarer Zeit abgeschafft werden und ich finde es selbstverständlich, dass diese annähernd paritätisch von Männern und Frauen besetzt werden sollten. Wenn eine Quote hierfür das probate Mittel ist, soll mir das recht sein. Die Frage ist aber, welchen Symbolwert es hat, dass die Gleichberechtigung gerade in diesen Positionen so prominent propagiert wird. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie die Bildung, sind ja Themen von unausweichlicher Präsenz, mit denen jeder Politiker gerne Sympathiepunkte sammelt. Allerdings scheint diese Vereinbarkeit in erster Linie darauf abzuzielen, den Beruf nicht unter der Familie leiden zu lassen. Ja, es gibt Fortschritte dahingehend, dass auch Väter ihre Elternzeit-Monate in Anspruch nehmen. Wobei dies bislang vor allem als eine Art zusätzlicher Urlaub willkommen zu sein scheint. Die Chefs sehen großzügig darüber hinweg, wenn ihr eigentlich karrierebewusster Mitarbeiter sich so eine Auszeit nimmt, solange er danach wieder mit vollem Einsatz für den Betrieb zur Verfügung steht.

Davon abgesehen geht der Trend dahin, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf über die Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder zu regeln. Das verträgt sich gut mit dem Schrei nach Bildung, der in Bologna-Deutschland gleichbedeutend mit der Forderung nach frühestmöglicher beruflicher Qualifizierung ist. Die Kleinsten sollen nicht zu kritischen, selbständigen oder selbstbewussten, kreativen oder frei denkenden Menschen erzogen werden. Sie sollen auf das sogenannte spätere Leben vorbereitet werden. Im Studium sollen sie die Qualifikationen erhalten, die sie benötigen, um für die Wirtschaft verwertbar zu sein. In der Schule sollen sie die Qualifikationen eintrainiert bekommen, die sie brauchen, um das Bachelorstudium zu überstehen. Im Kindergarten sollen sie auf die Schule vorbereitet werden, sollen sie erste Inhalte eingetrichtert bekommen, sollen sich an Disziplin und Ausdauer gewöhnen. Portfolios, Projekte, pädagogische Frühförderung: Der Kindergarten ist bei uns kein Ort, um sich auszuleben, um zu spielen, eigene Ideen zu entwickeln und dem allen Kindern inhärenten Drang nach Entdeckertum und Abenteuer nachzugehen.
Und vor den Kindergarten wird nun immer öfter schon die Krippe geschaltet, immer früher, immer länger. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet, dass man die Säuglinge so schnell wie möglich wieder loswerden will, um dem Beruf weiter nachzugehen. Dies ist selbstverständlich kein Plädoyer dafür, dass die Frau an den Herd und zu den Kindern gehört. Dies ist ein Plädoyer dafür, dass die Kinder in die Familie gehören. Natürlich ist es sinnvoll, den Nachwuchs rechtzeitig auch an andere Personen zu gewöhnen, ihnen Spielkameraden zur Seite zu stellen, sich vom Elternhaus abzunabeln. Natürlich sollen Kinder früh genug auch von zu Hause weg kommen, etwa eben in einem Kindergarten. Aber selbstverständlich brauchen gerade die Allerkleinsten zunächst sichere und fürsorgliche Bezugspersonen. Denn engagierte Eltern, die auch Zeit und Kraft dafür haben, werden sich intensiver und liebevoller und die Kinder kümmern können als jeder Erzieher. Dies gilt vor allem dann, wenn die Erzieher mit Portfolios und Englisch-Unterricht beschäftigt sind, anstatt auf ihre Schützlinge direkt eingehen zu können. Die intensive Bindung an die Eltern, mit all der Zärtlichkeit und Nähe, die dazu gehört, können sie nicht ersetzen.

Wozu bekommt man ein Kind, wenn man nach drei Monaten oder nach einem halben Jahr das Baby bereits wieder möglichst lange fortgeben will, um sich seiner Arbeit zu widmen? Wer will mir erzählen, dass eine Managerin oder ein Manager nach einem 14-Stunden-Tag noch die Kraft oder die Zeit hat, sich mit seinem Kind zu beschäftigen? Das schläft dann sowieso.
Die Forderung nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird vermutlich vor allem von Workaholics kundgetan. Frau Barley als Ministerin muss eine 80-Stunden-Woche haben und sie muss das auch mögen, sonst wäre sie nicht in dieser Position. Und auch die meisten anderen einflussreichen Menschen, die an Entscheidungen zur Familienpolitik mitwirken, werden solche Menschen sein – egal ob Männer oder Frauen – die in Ihrem Beruf aufgehen und für die Kinder vermutlich nur die zweitwichtigste Sache sind. Nichts dagegen, dass diesen Menschen geholfen wird, ihre Familie und ihren Beruf zu vereinen. Aber die Hälfte der Menschen sind mit ihrer Arbeit nicht zufrieden und die meisten Menschen würden lieber Zeit zu Hause verbringen, als in ihrem Büro oder an der Supermarktkasse.
Solche Menschen sind für die Maschinerie der Marktwirtschaft aber nicht interessant. Die Leute sollen arbeiten und Geld verdienen. Sie sollen mit ihrer Arbeit Dinge produzieren und mit ihrem Geld Dinge kaufen. Freie Menschen mit freier Zeit sind nicht im Sinne des Systems. Daher ist die Topmanagerin als Vorbild interessanter als der Vater, der nur noch Halbzeit arbeitet. Was zählt, sind Karriere und Fleiß. Und wer heutzutage länger als ein Jahr zu Hause bleibt, um sein Kind zu betreuen, der wird seltsam angeschaut. Der steht im Verdacht, faul zu sein oder keinen Ehrgeiz zu haben. Glücklich kann sich schätzen, wer die finanzielle Freiheit und die innere Unabhängigkeit besitzt, dies zu ignorieren. Die meisten Menschen haben gar keine Wahl. Die meisten Menschen müssen schnell wieder arbeiten, um ihre Familie zu ernähren. Nicht, weil sie eine großartige Karriere vor sich hätten, die sie durch eine Auszeit gefährden würden. Aber diejenigen, die Karriere machen, setzen einen Standard, dem es nachzueifern gilt. Und wenn man schon nicht reich und berühmt ist, so sollte man wenigstens so fleißig sein wie die Reichen und Berühmten. Wer es nicht vom Tellerwäscher zum Millionär schafft, hat eben noch nicht genug Teller gewaschen.

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ke
ke
7 Jahre zuvor

Was ist das System? Warum soll es ein Interesse daran haben, dass Menschen sofort arbeiten?

Wir haben Geld als Hilfsmittel zum Leistungsaustausch. Woher es kommt, kann egal sein, wenn die Gesetze eingehalten werden. Welche Zeit dafür benötigt wird, ist auch egal.

Probleme gibt es im Bereich der Versicherungssysteme. Nur Leistungsempfänger, ist blöd. Die meisten Menschen müssen viel arbeiten, um ihre Konsumgewohnheiten zu erfüllen.

Ob Frauen im Vorstand sind oder nicht, sollte die Leistung entscheiden. Hier ist die Politik einfach ein schlechtes Vorbild. Doppelspitze bei einer M/W-Verteilung der Mitglieder von 2 zu 1 ist ungerecht. Viele große Unternehmen werde von Frauen geführt. Bspw. einige US Tech Konzerne. Die Bilanz kann sich jeder selber anschauen.

Andreas
7 Jahre zuvor

wahre Emanzipation wird es erst dann sein, wenn der Anteil der Frauen bei der kämpfenden Truppe 50% beträgt, also auch bei den Opferzahlen

(ganz toll, wenn man mitmachen darf)

Ines C.
Ines C.
7 Jahre zuvor

Big big ThX für den klugen und leidenschaftlichen Text. Gibt vieles wieder, was mir schon lange quer geht bei der Anti-Familienpolitik. Nur viel besser formuliert :).

Philipp
Philipp
7 Jahre zuvor

Ich muss dem Artikel leider widersprechen.

Ich sehe das ganze, vor allem seit Ich aus Rheinland-Pfalz nach Sachen umgezogen bin anders.

Hier in den neuen Bundesländern ist es eher die Regel denn die Ausnahme dass Frauen nach dem halben Jahr Elternzeit wieder voll in den Beruf einsteigen.

Meist ist es so dass die Mutter das erste halbe Jahr und der Vater das zweite zu Hause bleiben und das Kind danach in die Krippe geht.

Wenn Ich von mir ausgehe kann Ich mir nicht vorstellen mit einer Frau Kinder zu haben die nicht Vollzeit arbeiten gehrt. Niemand ist heute mehr so kündigungssicher wie noch vor einigen Jahrzehnten und wenn ein Gehalt wegbricht ist das für eine Familie in der nur ein Elternteil arbeiten geht wesentlich verheerender.

Hier in meinem Umfeld sind es gerade die "Normalverdiener" die mit Kindern in der Krippe arbeiten gehen. Meiner Meinung nach ist das für das Kind auch besser wenn es so früh wie möglich mit anderen Kindern lernen muss "auszukommen" und sich anzupassen.

In den neuen Ländern ist das mit Sicherheit einer gewachsenen Struktur geschuldet, in der DDR war es normal dass alle Frauen Vollzeit arbeiteten.

Ich als Mann kann mir auch, was meiner Meinung nach an meinem Alter (30) liegt, nicht vorstellen der Alleinverdiener zu sein. Das Passt nicht in unsere Zeit.

Die Quote für Führungspositionen halte Ich allerdings für Unsinn. Wenn Frauen ordentlich auf den Tisch hauen und sich durchsetzen, bleiben sie auch nicht an der "gläsernen Decke" hängen.

Und ein kritischen, selbstständiges denken sollte vor allem vom Elternhaus an das Kind vermittelt werden.

Viele Grüße aus Dresden

Philipp

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