Warum ist Transparenz in der politischen Arbeit wichtig und ein hohes demokratisches Gut? Wiki erklärt es uns ganz einfach: „Transparenz ist in der Politik ein Zustand mit freier Information, Partizipation und Rechenschaft im Sinne einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems und den Bürgern.“ Transparenz ist also eine feine Sache und gilt nicht nur überall und allgemein, sondern auch in Dortmund. Im Feld des politischen Handelns verhindert sie Machtmissbrauch, ermöglicht den Einfluss der Bürger auf die Entscheidungen ihrer Vertreter, dient dem freien politischen Meinungsbildungsprozess und es ist nicht zuletzt eine Frage des Respekts denjenigen gegenüber, die einem das Mandat für ein paar Jahre geliehen haben. Während auf der ganzen Welt über Transparenz als Bürgerrecht und Informationsfreiheit debattiert wird, hat man in der Dortmunder Lokalpolitik den Beginn einer neuen Kultur der In-Transparenz eingeläutet. Unserer Gastautorin Ulrike Märkel ist Fraktionsmitglied der Grünen im Dortmunder Rat.
Für die Bürger bedeutsame Themen, wie die Rekommunalisierung, werden hinter verschlossenen Türen verhandelt. 100 % Bürgerbeteiligung? Ach was! Nicht einmal geschwärzte Informationen aus den Gutachten fanden ihren Weg an die Öffentlichkeit zu der interessierten, aber ausgesperrten Bürgerschaft. Eine Debatte aufgrund der gutachterlichen Erkenntnisse gab es nur im Kreis der Eingeweihten.
Auch bei anderen Themen scheint es sich auf einmal um Geheimes zu handeln. Warum dazu ausgerechnet die Einhaltung von Menschenrechten in Kolumbien zählt – dem Land aus dem die Dortmunder Beteiligung STEAG ihre Kohle bezieht, ist rätselhaft. Und wie geht das? Ganz einfach – man erklärt alles und jedes zu Fragen, die Geschäftsinteressen der kommunalen Unternehmen unmittelbar berühren und schiebt im Rat unangenehme Tagesordnungspunkte und Anfragen in den nicht-öffentlichen Teil. So verhindert man bewusst und ohne jede Not, dass selbst die Antworten nicht öffentlich diskutiert werden können, die keine Geheimhaltungsinteresse rechtfertigen. Dabei sind politische Debatten zu den ziemlich un-geheimen Grundpositionen der Fraktionen im Rat bisher selbstverständlich – und schlimmstenfalls langweilig gewesen. Im Fall der Forderung nach Einhaltung von Menschenrechten und sozialer Verantwortung in kommunalen Unternehmen und Beteiligungen ist eine Diskussion aber wichtig und diesen Diskurs zum „top secret“-Tagesordnungspunkt zu erklären ein Politikum, denn kurz gesagt – es ein Angriff auf das gebotene Informations- und Partizipationsrecht.
Die Erwartung an das Übernehmen unternehmerischer Verantwortung nach ethischen Kriterien ist in der freien Wirtschaft vor allem ein Appell an „good-will“ und freiwillige Kodizes. Im kommunalen Kontext richten sich jedoch die Forderungen der Bürgern an die Unternehmen, deren eigentlichen Anteilseigner sie sind. Weitet man kommunale Unternehmensbeteiligungen, wie im Fall der STEAG, global aus – arbeiten auch die NGOs global zusammen und übermitteln fundierte Kenntnisse über menschenverachtende Zustände am anderen Ende des Globus nach Dortmund. Fair Trade für Kohle iwird bei der Doppelsiegerin im Bundeswettbewerb „Hauptstadt des Fairen Handels“ besonders heftig eingefordert. Und auch wenn mancher Lokalpolitiker den Anspruch der Bürger auf Mitspracherecht nervig findet – er ist vollkommen in Ordnung: Denn gibt es Risiken zu tragen oder Verluste auszugleichen, würde das Credo niemals lauten: „Ihr müsst leider draußen bleiben!“ Denn spätestens dann sind die Geschäftsinteressen auf einmal ganz anders unmittelbar berührt und der Bürger als (Finanzierungs-)Partner gefragt.
Öffentliches
Die Diskussion in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause zum grünen Antrag Abgeordnetenwatch im Rat endete -wie schon die Livestreamdebatte- in einer lautstarken und emotionale geführten Diskussion. Schlimmste Befürchtungen wurden kundgetan, dass man „nicht die Hosen herunterlassen würde“ und nicht „nackig in der Öffentlichkeit stehen möchte“. Nein, das war schon in Rücksicht auf die Wetterbedingungen in Deutschland nicht die Forderung. Es ging nur um eine bereits zur Verfügung stehende Plattform, auf der die Bürger auf einem kurzen unkomplizierten Weg und ohne Anmeldung auf facebook, eine Frage an ihren Lokalpolitiker stellen können. Ich habe mich mal durchgeklickt: Von Rainer Priggen weiss ich nun das Geburtsdatum und von Christian Lindner seinen ursprünglichen Beruf. Und … psssst! … ich weiss jetzt auch, dass Lindner gegen das Gesetz zum Gewässerschutz gestimmt hat. Eine Sache also, die bei einem Abgeordneten keinen besonderen Geheimhaltungsinteresse unterliegt, bei einem FDP-Mitglied ohnehin niemanden überrascht und vermutlich nur die kleine Minderheit seiner Wähler interessiert. Eines jedenfalls ist sicher: 1 x googlen reicht, um über jeden Menschen im öffentlichen Leben mehr zu wissen. Kurz gesagt, die ganze Aufregungseuphorie war umsonst und wer Nackte sehen will, klickt woanders.
Ein gutes Zeichen für Transparenz wäre auch die Zustimmung zur der in anderen Parlamenten längst übliche Übertragung der Sitzungen im Internet gewesen. Eine gute Idee, denn der Rat ist kein Geheimclub und auch ein immobiler Bürger, der den Weg ins Rathaus nicht findet, hat ein Recht auf Information. Diese zeitgemäße Version der Transparenz in Form eines Lifestream aus dem Rathaus ist zudem eine gute Möglichkeit verloren gegangenes Vertrauen in die Politik und das nachlassende Bürger-Interesse zurückzugewinnen. Essen stellt seine Ratssitzungen seit dem 30. Januar 2013 ins Netz, in Bonn nutzen ca. 400 – 700 Menschen pro Sitzung die Übertragung und in München probiert man es in diesem Jahr mit einem Pilotprojekt aus. Anders in Dortmund: Bei der Abstimmung des Grünen Antrags zum Lifestream konnte keine Mehrheit erreicht werden. Obwohl sogar die Gegner des Antrages meinten, dass die ziemlich heruntergekommene Debattenkultur und Sitzungsleitung im Dortmunder Rat wieder auf ein etwas gehaltvolleres Niveau gehoben werden würde, wenn das Ganze in das ein oder andere Wohnzimmer übertragen werden würde. Der Oberbürgermeister Ulrich Sierau hatte jedoch dringend davon abgeraten – begründet wurde die Ablehnung der Verwaltung vor allem mit den Kosten für die Technik, sowie mit der rechtlichen Einschätzung. Bezifferter Kostenfaktor: 4500 Euro. Rechtliches Problem: Das Einholen des Einverständnisses der Ratsmitglieder. Transparenz ist eben furchtbar teuer und unzumutbar aufwendig.
Zahlreiche Kommunen wie Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Dresden und München machen beim Lifestream mit – nur das Pünktchen auf der Transparenz-Landkarte zwischen Witten und Unna bleibt weiter unbelegt. Darüber sollten wir unbedingt noch mal diskutieren – aber bitte nur im nicht-öffentlichen Teil der geheimgehaltenen Sitzung des Ausschuss für besonders fragwürdige Bürgerwünsche.
Genau so, wie die politische Legitimation der SPD heute nur noch aus immer älter und geringer werdendem Wähler-„Humankapital“ aus den Rentner-Zechensiedlungen, Gewerkschaftsclubs, Verwaltungskränzchen und Pädagogenzirkeln besteht, ordnen sich Leute wie Sierau in der Realität ein. Hauptsache rote Luftballons mit heißer Luft von vorgestern…
wird das tatsächlich nochmalig diskutiert?
wann? wo?
Ich sage mal voraus, dass keiner, der noch halbwegs bei Trost ist, sich freiwillig eine Dortmunder Ratssitzung antut. Er würde Gefahr laufen, in einen Debattenbeitrag von Frau Merkel zu laufen.
Ja, das die Antwort von STEAG zu den Kolumbienfragen als nichtöffentlich eingestuft wurde ist schade, denn sie war gut geeignet als Werbung für das Unternehmen herzuhalten. Daher ist die Sache mit den Geschäftsgeheimnissen auch nicht so richtig schlüssig, weil die im öffentlichen Raum stehenden Vorwurfe ja eher schaden und die Sachinfo der STEAG in der Ratsvorlage dazu ja recht nützlich für das Unternehmen klingt. Das Sprichwort lautet ja nicht „Tue Gutes und mache es nichtöffentlich“ … *g*.
Nun müßte man die Aussagen mal gegenprüfen, aber im Moment ist davon auszugehen, dass der Inhalt der Antwort der Wahrheit entspricht. Beruhigt mich ehrlich gesagt, dass STEAG sich anscheinend an den damaligen Begleitantrag der LINKEN zum STEAGerwerb hält und nicht gegen diese Mindeststandards verstößt, was in diesem Geschäft nicht einfach ist ….
Und ach übrigens – wir kriegen unseren kommunalen Beirat …. veni vidi vici … *lol*
@Der Wahrsager: Märkel mit äää – so viel Zeit muss sein. Und keine Sorge, ist ja alles nicht-öffentlich, da läuft keiner ungesehen in sein Unglück. Pech haben nur die Ratskollegen – aber das ist immerhin frei gewähltes Schicksal.
@Utz: Menschenrechte sind ja keine Glaubensfrage. Aber ich denke wir können die Antworten gut abgleichen mit den Berichten der NGOs, die vor Ort arbeiten. Und dann weiss man mehr und kann das seriös bewerten. Aber die Antworten sind ausführlich und das ist erstmal sehr gut!
Mir ist nur wichtig das auch weiterhin die Antworten im Rat offen diskutiert werden, auch zum ökologischen Umbau – die ja gerade noch läuft.
Und auf den Beirat, wow, da kann man gespannt sein. Wird er durch Kommunalis erweitert, gut so. Wird ja dann ein ganz schön großer Kreis wenn alle Fraktionen aus allen Städten dort vertreten sind…
Warum ist es in DO -und anderen Kommunen- nicht gewollt, durch den Rat der Stadt einen Grundsatzbeschluß zu fassen, etwa mit folgendem Inhalt:
„Der Rat der Stadt Dortmund bekennt sich zum Prinzip umfassender Tansparenz.
Er verpflichtet sich und alle seine Ausschüsse, zur uneingeschräntken Information der Bürgerschaft in allen öffentlichen Angelegenheiten. Über Ausnahmen im Einzelfall haben der Rat und die Ausschüsse in öffentlicher Sitzung zu beraten und zu entscheiden.
Der Rat fordert die Vertreter der Stadt in deren wirtschafltichen Unternehmen auf, auch dort -im Rahmen des geltenden Rechtes- ein Bekenntnis des Unternehmens zum Prinzip der Transparenz durchzusetzen und für dessen Achtung durch die Organe des Unternehmens zu sorgen.
Der Rat der Stadt verpflichtet die gesamten Stadtverwaltung, das Prinzip der Transparenz als für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bindend zu erklären.
Der Rat der Stadt bestellt einen Beauftragten, der zustädnig und verantwortlich ist für die Umsetzung des Prinzipes einer grundsätzlich uneingeschränkten Transparenz in Politik Verwaltung -durch den Rat, durch seine Ausschüsse, durch städt.Unternehmen, durch die Stadtverwaltung.“
Falls die Stadt DO eine(n) Beuftragte(n) für alle Angelegenheiten der Bürgerbeteiligung haben sollte, könnte diese(r) auch der Beauftragte für „Transparenz“ sein.
Mir geht es mit meiner Anregung -Ratsentscheidung- nicht um den konkreten Inhalt, der wäre in DO fachkundig zu erbeiten, sondern darum, daß m.E. nur mit einer solchen „Grundsatzentscheidung in Sachen Transparenz“ nebst vorangegangener Diskussion im Rat (und in den Medien) eine grundsätzliche Bewußtseins- und Verhaltensänderung im Umgang von Politik und Verwaltung mit dem Bürger erreicht wird, wenn es um dessen Information über allen öffentlichen Angelegenheiten seiner Stadt geht.
Hallo Ulrike,
der Beirat wird zusätzlich. Die Landespolitiker dürfen in den Firmenbeirat und wir kriegen einen eigenen. Daher nicht so groß, wie befürchtet … .
Ich denke auch eher, da wird es eine interkommunale Listenwahl geben, ähnlich wie beim RVR. 😉
[…] Transparenz in Dortmund: Ein kommunalpolitisches Luxusgut (Ruhrbarone) […]
@Walter Stach: Ja – das ist eine gute Idee und sehr schön formuliert. Man könnte es versuchen, so ein Antrag ist dann im Sinne einer „gemeinsamen Resolution“ zu sehen – die es im Dortmunder Rat bei anderen Themen auch schon gab. Und als Symbol durchaus Wirkung hat. Ich werde es als Vorschlag nach den Sommerpause i.d. Fraktion einbringen. Vielelicht bekommt man dafür ja sogar eine Mehrheit im Rat, denn das kann eigentlich niemand grundsätzlich verkehrt finden.
@Ulf: Das ist doch gut – alles, was der Information dient. Was hälst Du von Walter Stachs Vorschlag?