Es gibt einige wichtige Dinge, über die in deutschen Gerichten entschieden wird. Die wichtigste Angelegenheit neben der Auslegung des Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (RflEttÜAÜG) dürfte wohl die Erörterung der Frage sein, ob der Imam von Duisburg Bier trinkt oder nicht. Die letzte Frage wird jetzt jedenfalls am Landgericht Köln verhandelt. Von unserem Gastautor Gerd Buurmann.
Richter: “Lassen Sie mich ausreden.”
Anwalt: “Das stimmt aber nicht.”
Richter: “Lassen Sie mich doch erst mal ausreden.”
Anwalt: “Aber das hat meine Mandantin so nicht gesagt!”
Der Richter schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und brüllt: “Sie lassen mich jetzt ausreden!”
Anwalt: “Hören sie auf mich anzuschreien!”
Richter: “Hören Sie auf mich zu unterbrechen.”
Anwalt: “Ich will nur ein faires Verfahren.”
Richter: “Das kriegen Sie!”
Der Anwalt zeigt auf Gerd Buurmann: “Was tippt der da in sein Handy?”
Buurmann: “Ich mache mir Notizen.”
Anwalt: “Es ist nicht erlaubt Nachrichten nach draußen zu senden!”
Buurmann: “Die Handyfunktion ist aus. Ich mache mir Notizen. Hier passiert so viel, meine Notizzettel sind schon alle voll!”
Richter: “Die Presse darf mitschreiben!”
Gerd Buurmann hält dem Anwalt sein Smartphone hin: “Das Handy ist aus.”
Der Anwalt ist zufrieden.
***
Was klingt wie ein Dialog, entsprungen der Phantasie eines Autors irgendeiner Gerichtsshow auf RTL oder Sat1, hat sich tatsächlich so am 22. Januar 2014 High Noon im Raum 222 des Landgericht Kölns zugetragen. Es war eine hochemotionale Verhandlung, an deren Ende sich der Richter sogar beim Anwalt für seinen Ton entschuldigte, obwohl, meiner bescheidenen und fachunkundigen Beurteilung nach, das Verhalten des Anwalts als recht ungebührlich bezeichnet werden kann. Was brachte die Stimmung in diesem Saal so zum Kochen? Worum ging es? Machen wir es kurz: Es ging im Großen und Ganzen um Juden, Moslems und Bier. Da liegen die deutschen Nerven schon mal blank.
Angestoßen wurde die ganze Verhandlung von Gitti Schwantes, die den Suhrkamp Verlag verklagt hat, weil sie die Darstellung ihrer Person im 18. Kapitel des Buchs “Allein unter Deutschen” von Tuvia Tenenbom als Schmähung empfindet.
Gitti Schwantes ist eine selbsternannte Friedensaktvistin, die nicht verstanden hat, dass es für den Frieden alles andere als förderlich ist, wenn eine feministische Friedensaktivistin glaubt, interreligiöse Spannungen dadurch abbauen zu können, dass sie einen Rosengarten in der unmittelbarer Nähe einer Moschee betreibt, in dem sich dann Muslime, Juden und Christen “begegnen” können, um sich dort “lieb zu haben”. Aber genau das macht Gitti Schwantes. Sie ist die treibende Kraft einer “Friedens-und-Liebe-Initiative” unter dem Namen “Rosen für Marxloh”, die in der Nähe der Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh einen Rosengarten für Christen, Moslems und Juden zum Gernhaben betreibt. “Rosen riechen gut”, sagt Gitti.
Tuvia Tenenbom ist Journalist und Dramatiker. 1994 gründete er das Jewish Theatre of New York. In der Zeit erscheint zweimal im Monat seine Kolume “Fett wie ein Turnschuh”. Für seinen humorvollen und provokanten Reisebericht “Allein unter Deutschen” begab er sich auf Entdeckungsreise durch Deutschland. Er war auf der Suche nach der “deutschen Identität”. Seine Motivation war: “Wie ist es um den Nationalstolz der Deutschen bestimmt? Wie gehen Sie mit der deutschen Vergangenheit, wie mit dem Antisemitismus um? Wie reflektiert und kritisch sind sie dabei?”
Man kann es Tuvia Tenenbom daher nicht verübeln, dass er Gitti Schwantes für sein Buch interviewt hat. Wer glaubt, den Weltfrieden und Liebe zwischen den Religionen durch einen Rosengarten neben einer Moschee stiften zu können, ist in diesem Zusammenhang Gold! Tuvia ging also zu Gitti und hatte eine einfache Frage:
“Können sich Juden, Christen und Muslime nicht einfach in einem türkischen Restaurant begegnen? Ich habe sie selbst ausprobiert. Gehen Juden und Christen in diese Restaurants?”
Auf diese Frage soll Gitti Schwantes mit einem “Nein” geantwortet haben und so steht es auch in dem Buch. Gitti Schwantes bestreitet dieses “Nein” nun allerdings. Dies ist einer der Gründe, warum sich die streitenden Parteien am 22. Januar 2014 High Noon im Raum 222 im Landgericht Köln trafen, aber nicht der Beste. Das Beste bewahre ich mir für den Schluss auf.
An einer Stelle der Verhandlung meldete sich Gitti Schwantes zu Wort und sagte mit Nachdruck in der Stimme, sie fühle sich beleidigt, weil Tuvia Tenenbom geschrieben hat (und sie zitierte die Passage auswendig): “Und da ist Gitti, die für Frieden und Liebe ist, vorausgesetzt der Jude bleibt draußen”. Bei den Worten “deutsche Dame” brach ihre Stimme leicht. Sie war den Tränen nah. Der Ausdruck “deutsche Dame” scheint sie nachhaltig beleidigt zu haben.
Es war der Richter, der in diesem Zusammenhang Henryk M. Broder ins Gespräch brachte und Gitti Schwantes und ihrem “Schreien Sie mich nicht so an”-Anwalt in ruhigem Ton erklärte, es gäbe die These, “die unter anderem Broder vertritt”, dass es Menschen mit einem Ressentiment gegen Juden gibt, die ihren Hass auf Juden durch überzogene Kritik an Israel oder durch Sympathiebekundungen für die vermeintliche Feinde Israels kompensieren. “Sie können jetzt sagen, das ist Unsinn. Das ist ihr gutes Recht”, erklärte der Richter, doch mit Blick auf den Ausgang der Verhandlung und mit dem vorliegenden Interview solle sie sich besser mit dem Gedanken anfreunden, mit dieser Meinungsäußerung leben zu müssen.
Mit dieser Einlassung zeigte der Richter, dass er Kapitel 18 von “Allein unter Deutschen” gelesen hat, denn dort beschreibt Tuvia Tenenbom einen Besuch bei Hamiyet, einer muslimischen Freundin von Gittis Rosengartens. Gitti, Hamiyet und Tuvia saßen an einem großen Tisch in der Küche, aßen und redeten. Im Verlauf des Gesprächs sagte Hamiyet so nette Sachen wie: “Die Juden haben Jesus getötet” und “Jesus war kein Jude. Keiner der Propheten war Jude.” Zudem behauptete sie, der Koran sage, die Juden stiften Unruhe und sind Kriegstreiber. Gitti Schwantes saß daneben und hörte alles mit an. Das sind also die netten Frauen, die in Gittis Garten Rosen schnüffeln und Juden gern haben sollen. Es gehört nicht viel Empathie dazu, um zu verstehen, dass bei Damen mit solchen Ansichten Juden lieber draußen bleiben. Es ist daher nicht abwegig, wenn Tenenbom schreibt: “Und da ist Gitti, die für Frieden und Liebe ist, vorausgesetzt der Jude bleibt draußen.”
Ein Gesprächsabschnitt zwischen Tenenbom und Schwantes ist in diesem Zusammenhang besonders aufschlussreich. Ich gebe es mal verkürzt wieder:
Tenenbom: “Würden Sie gerne in einen Rosengarten neben einem NPD-Büro gehen?”
Schwantes: “Nein!”
Tenenbom: “Warum sollten dann Menschen, die von Muslimen gehasst werden, in ihrem Garten kommen?”
Schwantes: “Ich weiß es nicht.”
Tenenbom: “Vielleicht sollte man das ganze einfach abblasen?”
Schwantes: “Dafür ist es zu spät.”
Tenenbom: “Warum?”
Schwantes: “Was soll ich sagen – dass ein Mann zu zu mir kam und mir Fragen stellte, die ich nicht beantworten konnte? Wie beschämend!”
Tenenbom fragt, ob sie religiös sei. Sie sagt: “Nein.” Er fragt, ob sie an die Emanzipation der Frauen glaube. Sie sagt: “Natürlich!” Er fragt, warum sie dann eine religiöse Einrichtung unterstütze, die an einen Gott glaubt, an den sie nicht glaubt, die aber glaubt, Frauen müssen einen Hijab tragen. Sie sagt, Islam bedeute Frieden, das habe ihr ein Moslem gesagt. Tenenbom sagt, Islam bedeute Unterwerfung unter Allah und liegt damit deutlich näher an der Wahrheit. Gitti Schwantes aber bleibt dabei: “Ich möchte an den Frieden glauben!” Gitti und Hamiyet. Zwei Typen. Tuvia Tenenbom beschreibt sie in seinem Buch wie folgt:
“Ich habe nicht wenige Menschen wie Gitti kennengelernt: weiße, intellektuelle Aktivisten, die sich für Freiheit und Frieden einsetzen und aus irgendeinem Grund islamische Institutionen unterstützen, die das genaue Gegenteil von dem predigen, woran sie selbst glauben (…) Ich traf auf Stolz unter den Türken, großen Stolz, aber auch auf viel Hass. Ich bewundere Ihr Rückgrat, ihre Leidenschaft, ihr Engagement und ihre Herzenswärme. Ihr unsinniger Hass aber, ihre grenzenlose Judenverhöhnung und die Leichtigkeit, mit der ihre Gemeinschaft sich dem Fanatismus an den Hals wirft, widert mich an. Tut mir leid.
Und dann sind da noch die Deutschen. Was sie beschützen, ist nicht der Koran oder der Islam, da sie von beidem keine Ahnung haben, sondern die Art von Islam, die in ihrer Gesellschaft vorherrscht. Hier sind Deutsche, die die Schande, die Judenmörder von gestern zu sein, dadurch auslöschen wollen, dass sie sich mit den Judenhassern von heute zusammen tun. Diese Deutschen haben kein Rückgrat, keinen Stolz, keine Ahnung und nur sehr wenig Menschlichkeit. Tausendmal am Tag sagen sie “peace and love”, ohne es wirklich zu meinen. Mit zwei Fingern machen Sie das Friedenszeichen, ihre Herzen aber singen “Sieg Heil.”
Diese Beschreibung möchte Gitti nicht auf sich sitzen lassen. Ein weiterer Grund, warum sich die streitenden Parteien am 22. Januar 2014 High Noon im Raum 222 im Landgericht Köln trafen, aber immer noch nicht der Beste. Das Beste kommt jetzt!
Tuvia Tenenbom konfrontierte den Imam der Duisburger Merkez-Moschee vor dem Rosengarten mit den judenfeindlichen Äußerungen des Gemeindemitglieds Hamiyet. Der Imam sagt, er verurteile zwar uneingeschränkt jegliche Form des Antisemitismus, aber auf einen bloßen Verdacht hin könne er nichts unternehmen. Tuvia Tenenbom zeigte daraufhin auf Gitti Schwantes, die sich im Rosengarten befand, um sie als Zeugin anzuführen und fragte: “Kennen Sie sie?” Der Imam, so steht es im Buch, brach daraufhin sofort das Gespräch ab und sagte: “Ich muss jetzt gehen.” Es sind die folgenden Worte im Buch, die Gitti Schwantes Hauptgrund zur Klage sind:
“Gitti, die stets wachsame Moscheeapologetin, sieht dies voll Kummer. Und doch braucht sie keine Minute, um mit einer weiteren Theorie aufzuwarten: “Vielleicht”, sagt sie, “ist der Imam betrunken. Er hat kein Wort von dem gemeint, was er sagte. Er hat einfach ein Bier über den Durst getrunken.”
Seitdem diese Worte veröffentlicht wurden, kann Gitti Schwantes nicht mehr ruhig schlafen. In einer Verhandlungspause erklärte mir ihr Anwalt auch warum:
“Mal nur angenommen, meine Mandantin hätte wirklich gesagt, der Imam habe ein Bier über den Durst getrunken, dann hätte sie damit einen Imam beleidigt, weil sie behauptet hat, er würde Bier trinken. Das ist eine sehr grobe Beleidigung im Islam. Tuvia Tenenbom hätte das niemals schreiben dürfen. Er bringt damit meine Mandantin in Gefahr.”
Gitte Schwantes hat somit Angst, weil sie glaubt, ihre vermeintlich getätigt Aussage, der Imam hätte ein Bier über den Durst getrunken, könne einige Muslime so erzürnen, das sie zur Gewalt greifen. Das lässt in mir drei Fragen aufkommen. Erstens: Was für ein Bild hat Gitti Schwantes eigentlich vom Islam? Dafür, dass Islam angeblich Frieden bedeutet, sind die Muslime in ihrer Welt aber verdammt schnell mit Gewalt an der Hand. Käme diese Aussage nicht von Gitti Schwantes, ich müsste annehmen, sie wäre islamophob. Zweitens: Was kann Tuvia Tenenbom dafür? Wenn Gitti Schwantes wirklich Angst hat, sie könne von Muslimen bedroht werden, nur weil sie vielleicht gesagt hat, der Imam von Duisburg hat wohl ein Bier über den Durst getrunken, dann sollte sie sich lieber mal mit der muslimischen Gemeinde auseinandersetzen, statt den Suhrkamp Verlag zu verklagen. Drittens: Was soll das heißen: Selbst wenn sie es gesagt hat? Soll es etwa ein Urteil geben, in dem steht, dass das Sprichwort, “er hat vermutlich einen über den Durst getrunken”, nicht in Verbindung eines Imams gebraucht werden darf? Ach, wäre doch bloß Tuvia Tenenbom im Saal gewesen. Leider saß er während der ganzen Verhandlung draußen vor der Tür und wartete darauf, als Zeuge gehört zu werden.
Drinnen schlugen die Wellen jedoch so hoch, dass mir die Notizzettel ausgingen und die Anhörung der Zeugen vertagt werden musste. In ein paar Wochen geht es weiter. Es bleibt also spannend:
“Trinkt der Imam von Duisburg Bier?”
***
In der Verhandlungspause fragte mich Gitti Schwantes übrigens, woher ich Tuvia Tenenbom kenne. Ich sagte nur, er sei ein Theaterkollege von mir. Ich behielt lieber für mich, dass ich im März 2013 bei einer Lesereihe mit Tuvia Tenenbom in Bonn das Kapitel über “Rosen im Marxloh” einmal öffentlich vorgetragen hatte. In meiner Funktion als Schauspieler habe ich somit einmal Gitti Schwantes gespielt. Ich hätte also sagen können: “Ich war mal Gitti Schwantes!” Dann wäre die Situation aber vermutlich vollkommen eskaliert High Noon im Raum 222 des Landgericht Köln.
Crosspost: Der Text erschien bereits auf dem Blog Tapfer im Irgendwo
Das Buch „Allein unter Deutschen“ ist eines der besten Bücher die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Es trifft die Sache auf den Punkt ohne je belehrend zu sein und amüsant ist es auch noch. Wer über ein bisschen nationale Selbstironie verfügt wird einen Heidenspaß beim lesen haben.
Ich kann nur beipflichten – ein sehr aufschlussreiches Buch, das auch in keiner Sekunde langweilig wird. Allerdings manchmal reichlich gruselig.
Verstehe ich das richtig, dass die Muslime an der Merkez Moschee (und nicht nur die eine, von der Tevenboom berichtet) für Tevenboom allesamt Judenhasser sind, eben weil sie Muslime sind, und deswegen die Moschee angemessen mit einem NPD-Büro verglichen werden kann? Und dass wiederum deswegen Leute, die in Dialog mit Leuten von der Moschee treten, angemessen als Leute bezeichnet werden dürfen, die mit dem Herzen Sieg Heil singen?
Sorry, das ist eine per reinem Kontakt und ohne tatsächliche Belege arbeitende Verdachtsrhetorik, mit der man jedem alles unterstellen kann.
Paule T. Vielleicht liegt es an der verkürzten Wiedergabe im Text, vielleicht aber lief das Gespräch wirklich so.
Nur ich lese nichts „von allen“. Die Textpassage ist wohl so zu verstehen, daß aus Sicht des Autors eine genügende Anzahl von judenhassenden Moslems existiert, um da nicht einfach hinzugehen, wenn man zufällig Jude ist.
Das kann man bedauern, weil es dann nicht zu den erwünschten Dialogen kommt, aber mehr ist da auch nicht rauszuholen.
Hm. Jetz bin ich verwirrt.
Die Zeit-Kolumne von Tenenbom ist nämlich wenig humorvoll. Sollte das Buch hingegen wirklich humorvoll sein? Hm.
Oder anders: wenn man die Kolumne langweilig und belanglos findet, kann das Buch dennoch unterhaltsam sein? Dann würd ich mich mal damit beschäftigen.
@ #5 | TuxDerPinguin
Kein Grund zur Verwirrtheit.
Das Buch ist nicht lustig. Es ist ironisch und sarkastisch ohne dabei bösartig zu sein, arbeitet aber fein heraus, daß die selbsternannten „Guten“ oder „Besseren“, wie z.B. besagte Dame in einer selbst geschaffenen „Welt, wie sie ihnen gefällt“ geschaffen haben.
Darüber hinaus entlarvt es so manches wohl gut klingende Slogans als das was sie sind, Plattitüden, wo man besser vielleicht geschwiegen hätte.
Süffisant, das ist ein passendes Wort, zerlegt Tenenbom das deutsche Wesen (die Weltgenesung daran liegt niemals fern) ohne bösartig zu sein.
Es lohnt sich es zu lesen, falls Du es nicht kaufen möchtest, leih‘ es Dir aus, oder lass es Dir zum nächsten Geburtstag schenken.
@ Paule T # 3
Die Mehrzahl der Muslime ist antisemitisch eingestellt. Nicht weil sie Muslime sind, sondern wil sie von ihren muslimischen Eltern und kirchlichen Lehrern mehrheitlich so erzogen werden. Gewöhnen sie sich einfach an diese religiöse Tatsache, dann sehen sie die Welt etwas realistischer. 🙂
„Deutsche, …die Judenmörder von gestern..“ – „Die Juden haben Jesus getötet” – „Mit zwei Fingern machen Sie das Friedenszeichen, ihre Herzen aber singen „Sieg Heil.“ – „Juden stiften Unruhe und sind Kriegstreiber“ – „Die Mehrzahl der Muslime ist antisemitisch eingestellt“ usw. usw.
Klischees, und nochmal Klischees! Es gilt offenbar, die jeweiligen Ressentiments zu bestärken – von einem konstruktivem Dialog sind wir offenbar noch weit entfernt.
Die Moschee mit einem NPD-Büro zu vergleichen finde ich schon hart…
@ Nansy # 8
Ich weiß nicht wo sie leben, aber ich lebe seid über 20 Jahren in mehrheitlich muslimischen Stadtvierteln und habe eine Menge muslimischer Freunde und Freundinnen, die das genauso sehen. Nochmal zum mitschreiben, Nansy: Die Mehrheit der Muslime ist antisemitisch eingestellt. Alles andere ist ein Klischee!
Es gibt sogar Muslime die sich, etwas abgeschwächt natürlich, trauen das auch öffentlich zu machen:
„Betrachtet man muslimischen Antisemitismus allerdings nicht vor dem historischen, sondern vor einem aktuellen Hintergrund, muss man sagen: Wir Muslime haben ein ernst zu nehmendes Problem. Offener Antisemitismus ist fester Bestandteil der meisten islamistisch-fundamentalistischen Gruppen. Zumindest latenter Antisemitismus ist vor allem unter ganz normalen Muslimen verbreitet. Auch wenn empirisches Zahlenmaterial noch Mangelware ist, reichen die Indizien aus, um festzustellen, dass hier eine kritische Größe erreicht ist.“
Aus:https://www.zeit.de/2013/49/muslime-antisemitismus
Oder siehe: https://www.tagesspiegel.de/mansour-ahmad/8388280.html
Geschichtlich siehe: https://www.zdf.de/Forum-am-Freitag/Die-Geschichte-des-muslimischen-Antisemitismus-5251160.html
…googeln sie einfach selbst weiter.
@Arnold Voss #10:
In der Tat bin ich etwas weiter weg „vom Geschehen“ – der Rhein-Sieg-Kreis dürfte nicht die Probleme haben, wie „das Revier“.
Ich bin nicht überzeugt, dass die Mehrheit der Muslime antisemitisch eingestellt ist – aber natürlich ist das auch eine Frage der Definition. Das Problem dürfte mehr im religiösen Fundamentalismus unter Muslimen liegen – das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin beschreibt das so: Menschen mit fundamentalistischer Haltung stehen Gruppen, die von ihrem Standard abweichen – wie Homosexuelle oder Juden –, feindselig gegenüber.
„Fast 60 Prozent der befragten Muslime lehnten Homosexuelle als Freunde ab, 45 Prozent denken, dass man Juden nicht trauen kann, und ebenso viele glauben, dass der Westen den Islam zerstören will.“
Es ist also etwas komplizierter!
Und deshalb halte ich Aussagen wie „Die Mehrheit der Muslime ist antisemitisch eingestellt“ für verallgemeinernd und wenig hilfreich – und ja, ich finde solche Aussagen (wie auch “Juden stiften Unruhe und sind Kriegstreiber“) bedienen ein Klischee…
@ Bochumer # 9
Pauschal haben sie natürlich recht. Aber es gibt Moscheen in Deutschland in denen Predigten gehalten werden, die zu recht den Verfassungsschutz auf sich aufmerksam gemacht haben und in denen mindestens ein solcher Antisemitismus herrscht wie in einem NPD Büro.
Überhaupt sind in der Geschichte dieser Welt, auch in der aktuellen, erhebliche und massenhafte Greueltaten (auch) aus sogenannten Gotteshäusern heraus gefordert und organisiert worden. Da steht leider kaum eine Religion der anderen nach.
Natürlich ist der Islam die allerfriedlichste Religion von allen. Wer das bezweifelt, darf sich nicht wundern, dass auch der allerfriedlichste Muslim oder Muslima die Contenance verliert- und ausnahmsweise- ein wenig durch die Straßen muslimischer Städte randaliert. Wie z.B. im Fall der dänischen Zeichnungen.
Und natürlich ist das gegenseitige in die Luft sprengen von Schiiten und Sunniten von der tiefen Sehnsucht geprägt, dem in die Luft gesprengten Muslimen möglichst schnell zu einem Treffen mit Allah zu verhelfen.
Dass „unser Herr Jesus“ von den Juden umgebracht wurde, ist aber auch in erzkatholischen Kreisen Thema.Obwohl die Juden ja nur das Werkzeug des Auftragsgeber Gott waren. Dieser „Mord“ ist letztlich die Grundlage des christlichen Aberglaubens- seit 2000 Jahren.
#5 Ihre Einschätzung des Tenenbombuches ist völlig richtig. Ein absolut lesenswertes Buch.
Erstmal Danke für die Erinnerung: Das Buch steht jetzt wieder ganz oben auf meiner Wunschliste…
Es ist schon eine seltsame Sache: Je fragwürdiger die Maßnahmen, mit denen einige Deutsche die „Vergangenheit bewältigen“, desto beleidigter reagieren sie, wenn man sie auf ein paar Widersprüche aufmerksam macht.
Eine Eigenheit, die nicht nur bei Friedensaktivisten wie Gitti Sch. grassiert, bei denen aber ganz besonders. Wahrscheinlich in der irrtümlichen Meinung, daß es reicht, „für den Frieden“ zu sein, da muß man sich um Logik nicht auch noch kümmern…
@TuxDerPinguin #5
Natürlich kann Ihnen hier niemand eine Witz-Garantie geben, eine Belang-Garantie leider auch nicht.
Ich habe bisher nur Auszüge aus dem Buch gelesen, das ist sicher nicht die Form von Humor, bei dem man sich ständig geiernd auf die Schenkel schlägt, sondern scheint eher das, was im englischen als „Wit“ bezeichnet wird (was mit dem deutchen Wort „Witz“ nicht adäquat übersetzt ist).
Wenn Sie das Buch nicht interessiert, lassen Sie es doch einfach, niemand zwingt sie!
@ Nansy # 11
Natürlich ist alles immer komplizierter, denn beim Antisemitismus überlagern sich viele Ebenen. Deswegen habe ich auch nicht geschrieben das die Mehrzahl der Muslime aktive Antisemiten sind, sondern antisemitische Einstellungen haben.
Diese Einstellungen sind durch Propaganda und Hetze zwar nicht in jedem Fall mobilisierbar, denn auch die Mehrzahl der Muslime will in Ruhe ihren Geschäften und ihrem sonstigen Leben nachgehen. Aber es sind eben nicht nur die Fundamentalisten unter ihnen sondern auch ein großer Teil der normalen Muslime die antijüdisch denken, bzw. in unüberwindbaren diesbezüglichen Vorurteilen festhängen.
@Nansy, Arnold, merkwürdig ist aus meiner Sicht folgendes. Es gibt sichtbar nur wenige Juden, viele Leute kennen nicht einen Einzigen, und trotzdem sind selbst unter denen einige, die was gegen Juden haben. Also selbst die, die nicht einen einzigen Juden kennen.
Aber jeder kennt Muslime, sei es persönlich, oder aus dem TV, die offen sagen, gegen wen sie alles was haben. Aber da sagen viele Leute schnell, daß eben nicht alle Moslems so sind.
Nehmen wir mal einfach an, daß längst nicht alle so sind und daß es im Gegensatz zu dem was Arnold sagt, nur eine winzige Minderheit wäre. Nur so als gedankliches Beispiel.
Aber dann stellt sich doch die Frage, wieso sagt niemand, daß von den unsichtbaren und dazu noch unbekannten Juden, die niemand kennt, die es aber irgendwo geben muß, evtl. auch nur eine winzige Minderheit sein könnte, die an allem erdenklichen schuld ist. Wieso sagt das niemand von den Juden, daß es wahrscheinlich nur eine Minderheit ist? Für was auch immer.
Nee, es sind immer „die Juden“. Daran meine ich wiederum erkennen zu können, daß die Sprache verräterisch ist. Sie verrät, was der Hinterkopf denkt.
Mir kann man auch nicht sagen, daß die Juden so unheimlich sind, weil es kaum welche in Deutschland gibt. Denn als es noch welche gab, waren sie auch schon an allem schuld.
Also Moslems werden diffenziert und individuell betrachtet, Juden aber pauschal, auch wenn man nicht einen einzigen Juden kennt.
Das habe ich sogar bei Leuten erlebt, die sonst gutmütig und nicht mal blöd sind.
So, jetzt lasse ich Arnolds Gedanken, den ich wegen des Beispiels unterdrückt habe wieder zu und entdecke aber, wie schwer es ist, solch einen Gedanken selbst @Nansy gegenüber zu begründen. @Nansy habe ich bestimmt nicht im Verdacht, was gegen Juden zu haben. Trotzdem nehme ich seine Argumentation in Bezug auf Muslime auf, weil ich sehe, wie hartnäckig der Widerstand gegen eine beinahe Pauschalisierung ist. Es gibt bei normalen Menschen einfach einen Reflex gegen auschale Schuldzuweisungen. Würde Nansy selbst auch machen, wenn es gegen Juden ginge.
Aber bei vielen Leuten kommt da kein Widerstand. Gar nichts.
Da fehlt jeder Reflex. Ist das krankhaft? Was ist das?
Das es unter Muslimen viele – ja, vielleicht sogar eine Mehrheit – von Antisemiten gibt, mag ja sein. Ebenso, dass es Moscheen gibt, in denen Antisemitismus etc. gepredigt wird. Wenn man aber einer beliebigen Moschee ohne jede weitere Prüfung, ob das auch hier der Fall, genau das einfach unterstellt, gibt man den Leuten erst gar keine Chance und betreibt ausgrenzende, minderheitenfeindliche Pauschalisierung. Eine Moschee deswegen erst einmal pauschal mit einem NPD-Büro zu vergleichen, ist deswegen mE ganz unterste Schublade; gleiches gilt dafür, Leute, die dort dann einen Dialog versuchen, dann gleich selbst zu Antisemiten zu stempeln („Hauptsache, die Juden bleiben draußen“).
Wir reden hier übrigens von einer Moschee, mit der mW auch die Jüdische Gemeinde gemeinsam Veranstaltungen durchführt. Wo bleibt denn dann auch nur die Logik bei diesen Vorwürfen? Hat sich Tenenbom nach sowas überhaupt erkundigt?
Die einzig greifbare Aussage vonseiten der Moschee ist denn ja auch, dass der Imam natürlich Antisemitismus ablehnt.
Sowas scheint Herrn Tenenbom aber irgendwie egal zu sein, seine Unterstellungen, die er aus zweimal um die Ecke verdrehten Aussagen seiner Gesprächspartner gewinnt, sind für seine Wertung irgendwie bedeutender als die konkreten tatsächlichen Aussagen. Und so ist dann nicht nur die Frau mit den tatsächlich antisemitischen Aussagen antisemitisch, sondern auch Leute, die erst mal einfach Gespräche voranbringen wollen, sind dann auch gleich irgendwie TrortallemImmernoch-Nazis, die „mit dem Herzen Sieg Heil singen“.
Es kann ja gut sein, dass die kritisierte Dame zu naiv ist, zu wenig bei problematischen Aussagen der Leute, mit denen sie redet, einhakt, nicht deutlich genug Stellung bezieht etc. Das wäre so mein Eindruck.
Mein Eindruck von Herrn Tenenbom ist aber auch, dass man am besten nicht ohne Zeugen oder ohne eigenes Aufnahmegrät mit ihm redet, wenn man sieht, wie schnell und auf wie unsicherem Boden er zu außerordentlich negativen Wertungen gerät.
@ Helmut Junge #17:
„Also Moslems werden diffenziert und individuell betrachtet, Juden aber pauschal, auch wenn man nicht einen einzigen Juden kennt.“
Sicher gibt es beide Haltungen, klar. Allerdings habe ich sie selten in einer Person so erlebt (sofern derjenige nicht einer der beiden Gruppen angehört) – Leute, die pauschalisierend und diskriminierend einer Minderheit gegenübertreten, tun das meiner Erfahrung nach tendenziell auch gegenüber anderen Minderheiten; das haben mW auch entsprechende soziologische Forschungen ergeben. Sehr schön beobachten kann man das bei den Leuten von PI u.Ä. – bei allem Hassgegeifer gegen Muslime behaupten sie zwar Israelfreundlichkeit, aber wenn man genauer hinschaut, schimmert unter der Oberfläche auch der alte Antisemitismus durch, und Homophobie und Frauenfeindlichkeit feiern da sowieso ständig Urständ.
Und, ja, Leute, die Juden pauschalisierend betrachten, idR dann ja abwertend, sind dann natürlich Antisemiten; ob das nun in der beschriebenen Weise mit der Feindlichkeit gegenüber anderen Gruppen einhergeht oder nicht.
@ Paule T # 18
Klar, die Interviewmethode Tenenboms ist so angelegt, dass er seine InterviewpartnerInnen dazu bringt, zu sagen was sie spontan denken. Also auch Dinge die sie bei genauerer Überlegung vielleicht so nicht sagen würden. Er verwickelt sie durch seine Fragen auch gerne in für sie überraschende Widersprüche, und genau das war die Funktion der Frage bezüglich des NPD Büros.Tenebom würde allerdings nie, und hat das auch ansonsten im Buch nie getan, pauschal Moscheen in einen Topf mit NPD-Zentralen werfen.
Im übrigen steht gerade in Deutschland, mit Ausnahme der Neonazis, kaum Jemand, weder privat noch öffentlich, zu seinem Antisemitismus. Vielen ist er nicht einmal bewusst. Selbst viele der hier lebenden Muslime wissen mittlerweile was diesbezüglich in Deutschland als politisch korrekt gilt.
Wie also sollte ein Schriftsteller und Theatermann denn anders vorgehen als Tenebom. Selbst wissenschaftliche Befragungen zum Thema Antisemitismus müssen mit Zusatzfragen operieren, die keine andere Funktion haben als Widersprüche in den Aussagen der Interviewten zu offenbaren.
Das Buch ist in Teilen sehr wohl pointiert und polemisch, aber nirgendwo rechthaberisch. Es regt also zur eigenen Meinungsbildung an und es trifft, ich bleibe dabei, gerade auf diese Weise immer wieder des deutschen Pudels aktuellen Kern: den Antisemitismus ohne Antisemiten.
@ Helmut #17 + Paule #19
Mit der Pauschalität ist das so eine Sache. Wenn man dem einzelnen Menschen näher kommt, wenn sich also Individuen begegnen und nicht Gruppen, dann merken fast alle Menschen, dass Generalisierungen nicht weiter helfen.
Andererseits gibt es natürlich gemeinsame Eigenschaften, Ähnlichkeiten und Besonderheiten die durch Gemeinschaften, bzw. durch ein gemeinschaftliches Leben und eine drauf bezogene Erziehung erzeugt werden.
Ob wir uns als Einzelne davon lösen können hängt also sehr davon ab, wie tolerant wir erzogen und welche Erfahrungen wir diesbezüglich in unserem bisherigen Leben gemacht haben.
Ich habe das Glück gehabt relativ tolerant groß geworden zu sein und in meinem Leben Menschen aus anderen Kulturen näher zu kommen. Was unser Thema betrifft sowohl Juden als auch Muslimen, wobei mir da speziell mein früher Abschied von jeglicher religiöser Bindung eher geholfen als geschadet hat.
Ich hatte auf diese Weise eine kollektive Identität weniger zu verteidigen und deswegen habe ich mich auch nie als Atheist organisiert. Ich wollte keine neue sondern gar keine religiöse Identität. Das Problem ist nur, das einem die religiösen Menschen trotzdem eine verpassen: die des Ungläubigen oder des Haiden.
Wir kommen also aus den kollektiven Identitäten und der damit verbundenen kollektiven Geschichte nicht einfach heraus, in dem wir uns ihnen als Individuum zu entledigen versuchen. Und umgekehrt neigen wir auch als bewusste Individuen selbst immer wieder dazu, uns und anderen kollektive Eigenschaften zuzuschreiben.
Ich werde nie vergessen wie ich zum ersten Mal einem jüdische erzogenen und sich als jüdisch bekennenden Menschen ernsthaft näher kam. So sehr hatte ich mein Deutschsein nie zuvor an mir selbst wahrgenommen. Erst die erste gegenseitige herzliche Umarmung war in der Lage das damit verbundene Spannungsverhältnis zu lösen und uns so zu einer individuellen Verbundenheit finden zu lassen.
Mag sein, dass es Menschen, die ihrer jeweiligen kollektiven Geschichte weniger bewusst sind, anders gegangen wäre. Aber mir wurde in diesem Moment erst richtig klar, dass selbst eine tolerante Erziehung und eine weltoffene Haltung noch keine Garantie für eine gelungene zwischenmenschliche, geschweige denn interkulturelle Verständigung sind.
@Arnold, ich bin in meiner Kindheit nach dem Krieg in einer Zechensiedlung aufgewachsen. Damals gab es noch Ruinen. Von Juden habe ich gehört, aber die waren alle von den Nazis umgebracht worden. Persönlich gekannt habe ich keinen. Mein Vater war Schuhmachermeister, mußte aber als Kokereiarbeiter sein Brot verdienen. Kontakt zu ausländischen Arbeitern bzw. deren Kinder konnte man damals noch nicht haben. Aber ich bin, nachedem die Katholiken mich als Kind nicht getauft haben, weil mein Vater nicht kirchlich heiraten wollte, von meinem sozialdemokratischen und atheistischen Großvater geformt worden. Und weil ich dann die anderen Kinder atheistisch missioniert habe, geriet ich selbst mehr oder weniger in eine Außenseiterrolle.
Insofern unterscheidet uns beide unsere Kindheitssozialisierung. Trotzdem kommen wir fast immer zu ähnlichen Schlüssen.
Das ist bemerkenswert.
Ich muß allerdings sagen, daß meine Toleranz gegenüber fremden Kulturelementen bzw. Menschen eher vom Kopf als vom Gefühl definiert wird, während ich bei vielen Zeitgenossen mehr ein Bauchgefühl vermute. Und das gilt für Nazis und Gutmenschen. Ein Ausdruck, den Gutmenschen zwar nicht mögen, der aber paßt. Das ist wichtig zu sagen, weil niemand, der vom Bauch her tolerant ist, im wirklichen Sinne ein Vermittler sein kann, denn solche Leute sind meist vom Gefühl her einseitig festgelegt. Das vermute ich auch von der oben genannten Rosengartenfrau, die jetzt eher ein Problem mit der Seite zu haben scheint, der sie sich doch mehr zugewandt fühlt. Wenn sie nämlich jetzt Angst hat, weil sie den Iman beleidigt haben könnte, beschreibt das den mühsamen Weg, den sie innerlich begehen muß, weil es nun im Bauch zwei verschiedene Gefühlsrichtungen gibt. Der Herr Tenenbom hat da durch einen einzigen Satz bei ihr einen Prozeß in Gang gebracht, den sie nicht geahnt hat. Denn normalerweise müßte es doch reichen, dem Imam zusagen, daß sie falsch wiedergegeben wurde. Und gekoppelt mit einer Entschuldigung sollte das ausreichen, um die Wolken in der gegenseitigen Beziehung zu verwischen. Dann wird der heilige Mann sie auch nicht wegen Beleidung anzeigen. Aber ihr Problem hat wohl tiefere Wurzeln.
Helmut,
„vom Bauch her tolerant“?
Die Vernunft(!!)
gebietet es, daß jeder von uns ein egoistisches(!!) Interesse daran haben muß, daß es in jeder Gesellschaft -vor Ort, in der Region, im Land, in Europa,weltweit- für jeden Menschen möglich sein muß, seine elementaren Lebensbedürfnisse befriedigen zu können, gegen Bedrohungen seiner körperliche Unversehrheit und seines Lebens d.d.Staat geschützt zu werden und im übrigen leben, lieben, glauben, Glücklichsein zu können so wie es ihm gefällt unter dem Dach eines „kategorischen Imperatives“ : Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füge auch keinem anderen zu“ nebst der Erkenntnis, (mit-)verantwortlich zu sein für diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihr Leben nach eigenem Gefallen gestalten und bewältigen zu können.
Wer Anderes will, dem gegenüber bin ich intollerant, demgegenüber kann ich auch nicht „vom Bauch her“ tolerant sein, und dabei ist es für mich völlig egal, ob der Andere seine Überzeugung stützt auf irgend eine Ideologie, z.B. eine Rassenideologie, eine Religion, eine parteipolitische Orientierung oder……..!
Folglich erwarte ich von dem Staat, in dem ich lebe, daß er im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Ordnung nicht einer vermeintlichen Toleranz wegen menschenunwürdiges Tun gegenüber Mitmenschen duldet oder nicht zu verhindern versucht oder nicht mit den Mitteln des Strafrechtes begegnet. Und das nicht aus emotionalen, sondern aus rationalen Gründen.
Helmut,
ich bin zu dieser Auffassung nicht gekommen, weil das so in meiner Erziehung, in meiner Sozialisation angelegt war,möglicherweise in Winkeln und Hintergründen meiner Erziehung, meiner Sozialisation, die sich mir bisher nicht erschlossen haben, sondern weil ich als ein „vernunftgebates Wesen“, wie es jeder Mensch ist, gelernt und begrifffen habe, daß ein menschenwürdiges Miteinander anders nicht möglich, anders nicht zu gestalten, anders nicht zu organisieren ist.
Arnold -21-,
um zu der von mir skizzierten Auffassung, Haltung zu kommen, war es zudem vermutlich mehr als nur hilfreich, war es möglicherweise so gar ausschlaggebend, wie von Dir beschrieben, daß ich vielen Menschen begegent bin, die sich in ihrem Glauben, in ihrer religiösen, weltanschaulichen Einstellung, in ihrer Hautfarbe, in ihrer politischen Überzeugung, in ihrer Auffassung „vom Sinn des Lebens“ deutlich von mir unterschieden haben, zu denen ich aber nach kurzem Kennenleren ein von großer gegenteiliger Sympathie geprägtes persönliches Verhältnis gefunden habe, also z.B. auch zu Juden und Muslimen.
Warum? Wir sind uns „ganz einfach“ als Menschen begegnet, nicht mehr und nicht weniger und haben uns so verstanden und wahrgenommen.
Mir bleibt nichts Anderes zu tun, als für diese meine Auffassung zu streiten und dabei immer wieder registrieren zu müssen, daß ich selbst oftmals zu bequem, oft zu feige bin, dafür „den Kopf hinzuhalten“, z.B.gegenüber…………………………………,um mich dann zu fragen, ob ich mich denn insofern überhaupt unterscheide von den Menschen in der Nazi-Zeit, in der DDR- Diktatur, die weggesehen haben, die sich weggeduckt haben, wenn Mitmenschen aus Überzeugung oder als willige Vollstrecker staatlicher Gewalt andere Menschen ihrer Würde beraubt , ihnen das Leben genommen haben.
Nicht Antisemitismus, nicht Muslimfeindlichkeit, nicht agressives Anti-christentum, nicht agressiver Anti-atheistismus, nicht Fremdenfeindlchkeit, nicht Rassenhaß, nicht fanatischer Islamismus sind die Substanz des Problemes. Das sind alles nur Symptome ein und derselben Krankheit und die heißt : Menschenfeindlichkeit, die heißt Unmenschlichkeit.
@Paule T. #18
Zitat: (…)Und so ist dann nicht nur die Frau mit den tatsächlich antisemitischen Aussagen antisemitisch, sondern auch Leute, die erst mal einfach Gespräche voranbringen wollen, sind dann auch gleich irgendwie TrortallemImmernoch-Nazis, die “mit dem Herzen Sieg Heil singen”. Zitat Ende
Wenn ich die „tatsächlich antisemitischen Aussagen“ besagter Freundin von Gitti so durchlese (Aussagen die von Gitti ja keineswegs abgestritten werden), dann ist die Grenze des „einfach erstmal zuhörens“ aber sehr deutlich überschritten. Wenn ich anhören muß, wie da jemand praktisch die „Protokolle von Zion“ nachbetet ist das keine Sache, über die man auch mal anders denken kann, über die es ja vielleicht zwei Meinungen geben kann. Wo man dann einfach auch mal tolerant sein muß.
Wenn mir einer mit solchen Kalibern schießt, hilft nur eine klare Ansage, z. B.: „Wenn Du weiter so einen Mist verbreitest, trink Deinen Tee bitte woanders!“
Alles andere ist nicht Toleranz, sondern Prinzipienlosigkeit.
@Helmut, Arnold – in „Telepolis“ gibt es einen interessanten Beitrag über Antisemitismus und Katholizismus in Polen:
https://www.heise.de/tp/artikel/40/40860/1.html
Zitat: “ Mit 67 Prozent glauben beispielsweise über zwei Drittel, dass Juden ihren weltpolitischen Einfluss vergrößern wollen und 44 Prozent sind sogar der Meinung, dass die Juden die Weltherrschaft anstreben.“
Das Problem beschränkt sich nicht nur auf „Muslime“ – Pauschalierungen helfen da nicht weiter….
#24 Ihrem letzten Satz ist nichts hinzuzufügen.
#25 Pauschalisierend sind die Antisemiten, nicht die, die sich dagegen aussprechen. Im vorliegenden Fall geht es doch vor allem um den AS der Muslime, nicht um den der Katholen oder den der Bürgergesellschaft. Muss ich denn, wenn ich den AS der Muslime kritisiere, dann immer sofort auch alle anderen AS erwähnen? Ich habe dies weiter oben ja selbst getan, allerdings erinnert dieses Verhalten an die Verteidiger der DDR, die jede Schweinerei in der DDR damit rechtfertigten, dass in Deutschland ähnliches passiere, Berufsverbote etc.
Eines aber steht fest: der AS hat auch weiterhin eine glänzende Zukunft, nicht nur in D. und nicht nur bei Muslimen.Er ist tief im kollektiven Bewusstsein der Menschen verankert. Ein Gendefekt?
@OWL-BARON #26
Zitat: (…)Eines aber steht fest: der AS hat auch weiterhin eine glänzende Zukunft, nicht nur in D. und nicht nur bei Muslimen.Er ist tief im kollektiven Bewusstsein der Menschen verankert. Ein Gendefekt?(…) Zitat Ende
Nö, kein Gendefekt. Antisemitismus ist deshalb so ungemein beliebt, weil er sich bei Bedarf allen anderen Ideologien und/oder Vorurteilen so prima einpassen läßt.
Jemand hat was gegen den Kapitalismus? Et voilà: Schon wird der Name Rothschild aus dem Hut gezaubert. Kommunistenfresser erwähnen gerne Rosa Luxemburg und Leo Trotzki. Egal obs um die angebliche kulturelle Unterwanderung durch die USA geht oder deren Außenpolitik, alles bekommt durch eine Prise Antisemitismus erst den richtigen Drive.
Da darf der Stammtischgast dumpf wettern und der Intellektuelle süffisant bemerken was man ja noch noch sagen dürfen muß (evlt. mit letzter Tinte…) und letztere dürfen sich dabei sogar noch als Avantgarde und Querdenker feiern.
Das kriegt kein anderes Ressentiment zustande!
Das war m. E. auch der Grund für den Erfolg der Nazi-Ideologie. Mit dem Antisemitismus konnte man Sozialistische Elemente („Brechung der Zinsknechtschaft“) mit Anti-Kommunismus verbinden. Antisemitismus war also keine „Marotte“ von Hitler und wurde leichtfertig mit in Kauf genommen, sondern integraler Bestandteil der gesamten Ideologie. Weshalb man ihn auch nicht einfach abspalten kann nach dem Motto: „Es war ja nicht alles schlecht, nur das mit den Juden…“.
Das haben sehr viele Leute bis heute noch nicht kapiert.
@ Arnold Voss # 20
„Klar, die Interviewmethode Tenenboms ist so angelegt, dass er seine InterviewpartnerInnen dazu bringt, zu sagen was sie spontan denken. Also auch Dinge die sie bei genauerer Überlegung vielleicht so nicht sagen würden. Er verwickelt sie durch seine Fragen auch gerne in für sie überraschende Widersprüche, und genau das war die Funktion der Frage bezüglich des NPD Büros.Tenebom würde allerdings nie, und hat das auch ansonsten im Buch nie getan, pauschal Moscheen in einen Topf mit NPD-Zentralen werfen.“
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Nun, so eine Methode kann unter ganz bestimmten Umständen nützlich sein, um aus Leuten unterbewusste Einstellungen herauszukitzeln, die irgendwo da sind und für ihre Handlungen auch Konsequenzen haben, die sie bewusst aber nicht vertreten würden. Durch Aufdeckung solcher Widersprüche kann man dann seine Gesprächspartner – und Leser, bei denen ähnliche Widersprüche vorhanden sein mögen – zur Selbstrefdlexion anregen und Standpunkte hinterfragen lassn.
Dass es sowas gibt, weiß ich selbst recht gut; mir ist es öfters passiert, dass ich bei mir selbst feststellen musste, dass bestimmte spontane Reaktionen auf unbewussten, z.B. rassistischen Kategorisierungen u.Ä. beruhen, die mir selbst unangenehm sind. Auf so etwas hingewiesen zu werden, ist nützlich.
Nur:
1. So etwas taugt dann nicht mehr zur moralischen Beurteilung und Abwertung der Leute, mit denen man spricht und über die man dann schreibt. Moralisch verantwortlich machen kann man Leute nur für das, was sie bewusst vertreten. Die meinem Empfinden nach ziemlich harschen Beurteilungen Tenenboms sind auf dieser Grundlage dann nicht mehr angemessen.
2. Diese Methode rechtfertigt nicht, dazu Falschbehauptungen oder diskriminierende Vergleiche zu benutzen – und das ist der Vergleich mit dem NPD-Büro innerhalb dieser Frage, was immer Tenenbom sonst vertritt. Welchen Erkenntniswert soll es denn haben, wenn man Interviepartner mit so einem Blödsinn in Verwirrung bringt?
Mag sein, dass Tenenbom sonst solche Vergleiche fern lägen – da ich sonst nichts von ihm kenne, kann das wohl sein. Zu sinen Gunsten das mal angenommen: Vielleicht kommt dann in dieser Frage ein bei ihm nur unbewusst vorhandenes diskriminierendes Vorurteil zum Vorschein. Dann wäre er in seine eigene Interviwmethodenfalle getappt.
@28: Gotteshäuser als Horte der Reaktion – in der Tat ein völlig abwegiger Gedanke, dem in jedem Fall ein diskriminierendes Vorurteil zugrunde liegen muss.
Natürlich gibt es Gotteshäuser, die ein „Hort der Reaktion“ sind. Ebenso gibt es welche, die das nicht sind. Also?
Wenn das bei einem ganz bestimmten Gotteshaus einfach so behauptet wird, ohne das irgendwie nachzuprüfen, und die Annahme „Hort der Reaktion“ so weit geht, dass ein Vergleich mit einem NPD-Büro vorgenommen wird, dann, ja: ist das sehr wohl „ein völlig abwegiger Gedanke“, dem dann, da nichts anderes in Frage kommt, wohl „ein diskriminierendes Vorurteil zugrunde liegen muss“. Sie haben ganz recht.
Der Autor des Textes, Gerd Buurman, war selber bei einer Kabarett-Veranstaltung in der Merkez-Moschee und war recht begeistert. Mir erscheint in diesem Fall der Vergleich der Moschee mit einem NPD-Büro auch recht unfair/unverschämt.
Hier Gerd Buurmanns Bericht über „Kabarett am Minarett“
https://tapferimnirgendwo.com/2012/03/23/heidewitzka-herr-kapitan/
@ Paule T. # 28
Schriftsteller benutzen die Realität die ihnen begegnet, Menschen und ihr Verhalten eingeschlossen, zu ihren Zwecken. Das ist ihr Recht, aber es ist natürlich keineswegs immer persönlich fair und sachlich angemessen. Da stimme ich dir zu.
Andererseits setzen sie sich, im Gegensatz zu Leuten die die Realität individuell und privat verarbeiten, damit auch, wie gerade hier, der öffentlichen Kritik aus und setzen genau damit öffentliche Diskussionsprozesse in Gang. Ja sie müssen sich eventuell sogar einer gerichtlichen Klärung über die Fairniss und Angemessenheit ihrer Methode stellen.
Ich halte die Reaktion der Klagenden zwar für übertrieben, aber doch für nachvollziehbar. Weswegen hat aber die Merkez Moschee, bzw. die dort Verantwortlichen, obwohl mit einem NPD-Büro verglichen, nicht geklagt? Ich habe dafür nur eine Erklärung: Sie wollen, aus eben so nachvollziehbaren Gründen, jede öffentliche Diskussion vermeiden.
@Arnold Voss:
„Ich halte die Reaktion der Klagenden zwar für übertrieben, aber doch für nachvollziehbar. Weswegen hat aber die Merkez Moschee, bzw. die dort Verantwortlichen, obwohl mit einem NPD-Büro verglichen, nicht geklagt? Ich habe dafür nur eine Erklärung: Sie wollen, aus eben so nachvollziehbaren Gründen, jede öffentliche Diskussion vermeiden.“
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Das ist wohl Kaffeesatzleserei und folgt auch ein wenig dem Grundsatz „damned if they do damned if they don’t“- klagen sie, ist es ein Zeichen, dass sie Tenenbom seine berechtigte Meinung verbieten wollen und bestätigen so seine Vorwürfe, klagen sie nicht, wollen sie die Diskussion vermeiden, weil sich herausstellen würde, dass Tenenbom recht hat.
Ein Moscheediskussion, genauer gesagt darüber, was in ihr geschieht, ist in Deutschland so oder so schwierig. Das meinte ich mit nachvollziebaren Gründen.
Ansonsten hilft einfach nur mehr Transparenz.
#Puck Natürlich ist es kein Gendefekt, das war hilflos-ironisch gemeint. Ein Gendefekt ist möglicherweise heilbar, behandelbar. Aber der AS?? Die Stärke des AS liegt, wie sie richtig bemerkten, darin, dass er in allen Bevölkerungsteilen, in allen politischen Lagern und in den drei großen Aberglaubensgemeinschaften vorkommt. Und auch bei Lehrern. Und nicht zu knapp. Am wenigsten noch bei der SPD, jedenfalls ist das mein Eindruck, bezogen auf die Weimarer Republik und die Kaiserzeit gilt letzteres auf jeden Fall.
Dass ausgerechnet die politische Linke-innerhalb und außerhalb der PDL- besonders anfällig ist, die sich doch immer an die Spitze des gesellschaftlichen Fortschrittes fantasiert, zeigt die Schwere dieser Geistesstörung. Oder wie immer wir es auch nennen werden.
„Der Kampf gegen Israel ist Teil des Kampfes gegen den westlichen Imperialismus“, wird nicht nur in der PDL halluziniert. Bei Goebbels hieß das „Kampf dem Finanzjudentum und den Oligarchien in England und Amerika“.
In einigen neueren Werken zur blutigen Geschichte des Marxismus-Leninismus wird-eher nebenbei-bemerkt, dass Lenin und Stalin bei besonders unpopulären Aktionen, wie der Ausplünderung der Bauern 21/22 gerne jüdische Mitglieder der Partei mit der Führung dieser Aktionen betrauten. Eine besonders hinterhältige Form des AS. So konnte man später, bei den Prozessen, auch die Karte AS ziehen. Und die Juden des Kosmopolitismus, des Zionismus, der Spionage, der Sabotage beschuldigen. Und ermorden.
Gotteshäuser als „Hort der Reaktiom“? Weiß ich nicht. Aber ist nicht eine bekannte zweitürmige Kirche Arbeits-und Amtssitz eines über die Grenzen seines Bistums bekannten Reaktionärs, der gerne auch in roten Kleidern seinen Amtsgeschäften nachgeht?