Es ist schlicht nicht zu fassen: Zwei Wochen nach dem furchtbaren Terror-Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist der Hauptzugang zum Kölner Weihnachtsmarkt offen wie ein Scheunentor und völlig ungeschützt. Fehlt nur noch das Schild „Open for Business für Amok-Fahrer“. Ein bebildeter Bericht.
Es ist Freitag, der 3. Januar 2025, einer dieser eher ruhigen Tage in der Zeit, die man „zwischen den Feiertagen“ nennt. Noch hat das neue Jahr nicht richtig angefangen, noch ist die übliche Alltagshektik nicht losgebrochen. Ich nutze einen freien Nachmittag, um nach Köln zu fahren auf den immer noch offenen Weihnachtsmarkt.
Dort, auf dem berühmten Heumarkt mitten in der Altstadt und ein Steinwurf vom Dom entfernt, finde ich einen gut besuchten Weihnachtsmarkt vor, der noch auf vollen Touren läuft. Der Platz ist besetzt mit unzähligen Bratwurstbuden, Glühweinständen und Waffelbäckern. Sogar eine Eislaufbahn gibt es, besonders bei Kindern sehr beliebt.
Und ich bin nicht alleine dort, denn viele Menschen wollen wie ich ein letztes Mal in diesem Winter einen Weihnachtsmarkt genießen. Die Stimmung ist locker, es ist voll, aber nicht zu gedrängt. Im langsamen Schritttempo komme ich voran. Vor mir, hinter mir, neben mir Menschen jeglichen Alters, Eltern mit ihren Kindern, junge und ältere Paare schlendern von Stand zu Stand, lachen, trinken, essen und sind nett zueinander. Eine friedliche, entspannte Stimmung liegt in der Luft.
Kein Mensch, so scheint es, denkt mehr an das hässliche Ereignis von Magdeburg, an die fürchterlichen Fernsehbilder und Schreie als ein Amok-Fahrer mit einem SUV der Marke BMW durch die engen Gassen des Weihnachtsmarkts pflügte, fünf Menschen tötete und 200 verletzte.
Kein Mensch denkt mehr an Magdeburg? Kein Mensch erinnert noch, was genau vor zwei Wochen passierte? Ganz offensichtlich erinnern sich die Ordnungsbehörden und die Polizei der Domstadt nicht mehr daran. Keiner vom Sicherheitsdienst und kein Verantwortlicher bei der Stadt denkt daran. Anders kann ich es mir nicht erklären. Denn für jedermann klar ersichtlich ist einer der beiden Hauptzugänge zum Weihnachtsmarkt völlig ungeschützt. Offen für noch den ungeschicktesten Amok-Fahrer, „Open for Business“ für Terroristen halt.
Zuerst ist mir dies gar nicht aufgefallen. Erst als ich zum zweiten Mal den Torbogen mit der schönen Überschrift „Heinzels Wintermärchen“ durchschritt, sah ich, wie ungeschützt der dahinter liegende Weihnachtsmarkt ist. Kein einziger Poller blockiert den Zugang, keiner dieser großen Wassertanks oder gar einer der grimmig-grauer Betonblöcke, an deren Anblick wir uns alle schon fast gewöhnt haben. Nichts davon, nada, einfach nichts!
Sechs Meter breit ist der hübsch hergemachte Torbogen zu „Heinzels Wintermärchen“. Er steht direkt am linksrheinischen Ende der viel befahrenen Deutzer Brücke, am südlichen Ende des Heumarkts. Ein Zebrastreifen führt direkt auf ihn zu. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen.
Ein sechs Meter breiter Zugang zum Weihnachtsmarkt und nicht das geringste Hindernis! Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin kein Sicherheits-Experte. Aber zu erkennen, dass ein Auto hier locker durchpasst, das traue ich mir schon zu. Auch dass es selbst für einen dieser monströsen SUVs, dem Mordwerkzeug von Magdeburg, kein Problem sein dürfte, kann ich sehen.
Auf der Abbiegespur zum Heumarkt, gut zehn Meter vor dem Eingang, steht lediglich ein „Durchfahrt verboten“-Schild, denn schließlich muss Ordnung sein in Deutschland! Dazu ein einfaches, unbefestigtes Absperrgitter aus leichtem Plastik, das nur die halbe Fahrbahn abdeckt. Ach! – ich vergaß: Ein vor Kälte bibbernder, einsamer ziviler Posten mit gelber Warnweste stand da auch noch.
Das war’s dann auch schon.
Keine auch nur ansatzweise als ernsthaft zu betrachtende Sicherung, kein Polizist, kein Polizeiauto.
Da ich mir sicher war, dass niemand meine Beobachtung glauben würde – nach Magdeburg doch nicht mehr denkbar! – habe ich Handyfotos aus unterschiedlichen Perspektiven gemacht. Sehen und urteilen Sie selbst.
Gerne stelle ich meine Fotos der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und ihrem Polizeipräsidenten Johannes Hermanns zur Verfügung. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul und Bundesinnenministerin Nancy Faeser können sie haben – kostenlos natürlich.
Und dann sollen sie alle bitte ihre Worthülsen und Phrasen herausholen, die sie nach der Amokfahrt von Magdeburg von sich gegeben haben:
Nancy Faeser, Bundesministerin des Inneren:
„Klar ist, dass wir alles tun müssen, um die Menschen in Deutschland vor solchen entsetzlichen Gewalttaten (Magdeburger Amokfahrt) zu schützen.“
im SPIEGEL am 22. Dezember 2024 (https://www.spiegel.de/politik/magdeburg-innenministerin-faeser-draengt-auf-beschluesse-zur-inneren-sicherheit-a-2a8840db-33fc-4f8c-845c-a36b4f13f9b2)
Herbert Reul, NRW-Innenminister:
„Meine Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen des feigen Angriffs auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Der Schmerz und das Leid der Menschen wird uns alle das ganze Weihnachtsfest und darüber hinaus begleiten. Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden bleiben höchst wachsam. Unsere Sicherheitskonzepte werden nötigenfalls angepasst, derzeit gibt es aber keine Hinweise auf eine konkrete Gefahr.“
Online-Statement auf https://polizei.nrw/artikel/statement-von-innenminister-herbert-reul
Henriette Reker, Kölner Oberbürgermeisterin und selbst Opfer eines Messer-Attentats:
„Köln ist in Gedanken bei den Opfern des Anschlags von Magdeburg und ihren Angehörigen. Wir denken auch an die Einsatzkräfte, die um jedes Leben kämpfen.“
auf X.com am 20. Dezember 2024 (https://x.com/HenrietteReker/status/1870217731347492999?mx=2)
Johannes Hermanns, Kölner Polizeipräsident:
„Bereits seit Jahren besteht eine abstrakt erhöhte Gefährdungslage, die fortlaufend geprüft wird. Die Polizei Köln setzt in diesem Zusammenhang weiterhin auf verstärkte und variable Sicherheitskonzepte. Insbesondere als Reaktion auf den Anschlag in Magdeburg sind die Einsatzkräfte nochmals sensibilisiert worden.“
online am 27. Dezember 2024 (https://koeln.polizei.nrw/presse/jahreswechsel-in-koeln)
Zum Glück ist gestern in Köln auf dem Weihnachtsmarkt am Heumarkt nichts passiert.
Aber wie lange werden wir noch Glück haben? Wann kommt der nächste Terrorist, der eine eklatante Sicherheitslücke sieht und zuschlägt?
Wann werden Politiker und Polizisten ihren Worten endlich Taten folgen lassen?