Trump: heldenhaft psychopathisch

Die Reaktion von Donald Trump auf das Attentat ist beeindruckend. Es wäre unehrlich, das zu leugnen. Zu sehen, wie er die Nerven behält, nachdem eine Gewehrkugel zwei fingerbreit von seinem Schläfenlappen entfernt sein Ohr streift, kann kaum einen Beobachter kalt lassen.
Es entspricht unseren Klischees von Helden, dass sie im Angesicht der Gefahr gelassen bleiben und sich kämpferisch präsentieren. Die gereckte Faust, das Aufrichten inmitten der Personenschützer, wirken mutig, dem Tode trotzend, fast übermenschlich. Die Haltung eines Actionhelden. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Bilder Trump nutzen werden.
Wenn man es psychologisch betrachten will, könnte man leicht auf die falsche Fährte geraten. Manch einer, der Trump für einen Narzissten hält, mag insgeheim darauf gehofft haben, dass er sich eines Tages als feige entlarvt. Das Klischee eines Narzissten beinhaltet, dass er, wenn man ihn seiner Sicherheit beraubt, plötzlich schwach dastehen wird. Dass er aufgrund seiner Selbstliebe verletzlich ist. Bei klinisch auffälligen Narzissten ist das häufig wirklich so. Sie erscheinen nicht wegen ihrer Großartigkeit in der Therapie, sondern wegen der Depression, die folgt, wenn die Großartigkeit erschüttert wird.
Den Selbstverliebten fallen zu sehen kann befriedigend sein. Im Film wird der Bösewicht deswegen am Ende gerne gedemütigt und feige dargestellt, weinend, mit eingenässter Hose, vom Thron gestoßen. Tatsächlich bedient dieses Bild aber nur seinerseits die machohafte Denkweise, nach der nur ein Mann stark wäre, der keine Angst kennt. Dass Trump nicht in Panik geraten ist, beweist vielleicht tatsächlich, dass er kein instabiler Narzisst ist, der angesichts von Rückschlägen oder Angriffen in sich zusammenfällt. Oder wenigstens, dass die eigene Grandiosität gigantisch genug ist, um selbst von Lebensgefahr nicht erschüttert zu werden.
Die Reaktion zeigt aber auch, wie dieser Mann denkt, beziehungsweise wie seine Instinkte funktionieren. In diesem Moment keine Angst zu haben, ist nämlich nicht normal. Erhöhte Risikobereitschaft ist ein psychopathischer Wesenszug. Trump hat den Schuss zum einen als Herausforderung aufgenommen, zum anderen sofort als Chance erkannt, sich zu profilieren und sein Bild in der Öffentlichkeit zu formen. Darin ist er zugegebenermaßen sehr gut.
Es wäre viel verlangt, zu fordern, einen Schuss auf den eigenen Kopf nicht persönlich zu nehmen. Aber es wäre etwas, dass man von einem Präsidenten der Vereinigten Staaten tatsächlich erwarten müsste. Trump fühlt sich verständlicherweise herausgefordert, wenn man auf ihn schießt, und er stellt sich dieser Herausforderung mit erhobener Faust. Es macht ihm möglicherweise sogar Spaß.
Das ist keine besonnene, angemessene Reaktion. Angemessen wäre es, möglichst in Deckung zu bleiben. Die Frage, wie man dasteht, sollte hinter einer sachlichen Analyse der Situation und der zweckmäßigen Reaktion zurückzustehen. Und fürsorglich und eines Regierungschefs würdig gewesen wäre es, sicherzugehen, dass alle Zuschauer in Deckung gehen. Dazu hätte er aufrufen können, statt „fight“ zu rufen.

Wer der Ansicht ist, Trump wählen zu wollen, weil er so mutig ist, der sollte sich fragen, ob er von einem Präsidenten tatsächlich erwartet, im Angesicht einer Herausforderung mit kämpferischen Trotz zu reagieren. In internationalen Beziehungen kann das nämlich Krieg bedeuten.

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Arnold Voss
4 Monate zuvor

Wer kann sich noch an Boris Jelzins erhobene Faust auf einem Panzer der Militärputschisten im August 1991 in der sich auflösenden Sowjetunion erinnern? Das war mindestens so riskant und Boris Jelzin war amtierender Präsident und ehemaliger Boxer und wahrscheinlich auch betrunken, weil er eigentlich immer betrunken war. Korrupt sollen er und seine Familie auch gewesen sein. Nach Jelzin kam übrigens, von Jelzin ausdrücklich gefördert, Putin.

vormals SvG
vormals SvG
4 Monate zuvor

Ich habe mir just noch einmal das Video angeschaut. Trump geht zu Boden und wird dort länger als zwei Minuten vom Secret Service gedeckt. Während dieser Zeit wurde die Situation befriedet, zudem sind mit Sturmgewehren bewaffnete Sicherheitskräfte zu sehen, die sicher auch zum Schutz aller Anwesenden eingesetzt waren. Erst als Trump von den Sicherheitsbeamten wieder erlaubt wird, sich zu erheben, reckt er die Faust und ruft. Ich sehe da in erster Linie, daß er seinen Anhängern zeigen will, daß er wohlauf ist. Das „Fight,fight“ sollte man auch im amerikanischen und nicht im europäischen Kontext sehen. Dort wird dies wohl eher als Anfeuerung, Durchhalteparole und zusammhaltsfördernd denn als Aufforderung zu einer körperlichen Auseinandersetzung verstanden werden. Und von Trump in dieser Situation ein „besonnenes und angemessenes Verhalten“ zu erwarten, halte ich für mindestens herablassend, wenn nicht böswillig. Jeder, der bereits einmal einen Unfall miterleben mußte oder gar Opfer einer Gewalttat wurde, weiß, daß man seine eigene Reaktion darauf nicht so gut steuern kann. Deshalb werden Soldaten, Polizisten und andere ja auch darin geschult. Ich halte Trump für einen Hasardeur, der eine gute Gelegenheit erkennt und für sich zu nutzen weiß. Über seine geistige Verfassung oder seine psychischen Defekte habe ich zwar eine Ansicht, aber kein Wissen. Aber in einem bin ich mir ganz sicher: Der Mann könnte sein ganzes Geld (so er denn noch welches hat) an die deutsche Umwelthilfe spenden und sich für den Rest seines Lebens zur inneren Einkehr nach Maria Laach zurückziehen; dann würde ihm imer noch vorgeworfen, kein Katholik zu sein.

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