Die bisherigen Verhandlungen zwischen USA und Russland zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass Trump komplett und ohne Not die Narration des Kreml übernimmt.
Ich habe zwar damit Gerechnet, dass der selbst ernannte Dealmaker auf dem Rücken der Ukraine mit Putin einen krummen Deal auszuhandeln versucht. Das Ausmaß, mit dem Trump den russischen Despoten bedingungslos hofiert und gleichzeitig Selenskyj beleidigt sowie ihm die Schuld am Krieg gibt, schockiert dennoch. Trumps offensichtlicher Narzissmus gibt aber eine Erklärung für dieses Verhalten und warum er Selenskyj als Feindbild auserkoren hat:
Meine Ausführungen basieren dabei auf vier Punkten, die sich Stellenweise überlappen:
- Trump bewundert Putin
- Trumps eigene expansionistische Ambitionen
- Putin hat Trump komplett in der Hand
- Trump hegt einen persönlichen Groll gegen Selenskyj
Trumps Bewunderung für Putin
In der Vergangenheit hat Trump immer wieder seine Bewunderung für Putin zum Ausdruck gebracht, was eigentlich nicht weiter verwundert.
Putin ist der gefestigte, unangefochtene Autokrat, der Trump gerne wäre.
Mein geschätzter Mit-Baron Robert v. Cube hat ziemlich gut zusammengefasst, wie sich die Bewunderung eines Narzissten für einen noch größeren Mann als ihn selbst äußert:
Das Großartigkeitsgefühl kann auch durch Identifikation und Solidarisierung mit anderen als großartig wahrgenommenen Personen gesteigert werden. Der Narzisst sonnt sich im Schatten eines Kollegen. Narzissten prahlen häufig mit ihren berühmten Kontakten und sie eignen sich mit schlafwandlerischer Sicherheit von anderen Elemente an, die sie gebrauchen können.
Trumps eigene expansionistischen Ambitionen
Zu Beginn seiner Amtszeit verkündete Trump, Grönland, Kanada, den Panamakanal und mittlerweile auch Gaza annektieren zu wollen.
Wenn er mit diesen Ambitionen die russischen Annexionen verurteilt, schwächt er seine eigenen Ambitionen ((besser: Position)). Es ist dementsprechend durchaus in
Trumps Sinne, wenn Putin mit seinem Eroberungskrieg Erfolg hat. Dadurch würde das für Trump lästige Völkerrecht, das militärische Eroberungen verbietet, zur Makulatur.
Würde er umgekehrt die russischen Eroberungen verteufeln, würde es seine Ambitionen schwächen ((redundant)). Entsprechend sollte es eigentlich niemanden verwundern, wenn Trump davon spricht, dass Russland um die besetzten Gebiete in der Ukraine hart gekämpft und viele Soldaten dabei verloren hat, was impliziert, dass in seinen Augen Russland die besetzten Gebiete behalten soll.
Putin weiß all das
Putin ist – offen gesagt – der Klügere von den beiden. Er weiß, dass Trump ihn bewundert.
Als ehemaliger KGB Agent wird Putin sehr genau wissen, welche Mischung aus Charme und Druck nötig ist, um einen Narzissten wie Trump perfekt zu manipulieren.
Er weiß, dass Trump und er gemeinsam Selenskyj hassen und nichts schweißt so sehr zusammen wie gemeinsamer Hass.
Trumps Groll auf Selenskyj
Für Trump besitzt Selenskyj die Frechheit seine (in seinen Augen) großzügigen Deals abzulehnen. Das (in Trumps Augen großzügige) Angebot amerikanische Hilfen mit einer 50% Beteiligung an ukrainischen Rohstoffen zu finanzieren – was die Ukraine für die nächsten Jahrzehnte de facto Handlungsunfähig machen ((dieser Satz ist nicht vollständig)).Kluge Leute würden sagen, dass sich Selensksij nicht von Trump erpressen lassen will.
2019 hat Trump versucht einen – damals noch relativ unbekannten und frisch gewählten – Selenskyj unter Druck zu setzen und Ermittlungen gegen die Bidens aufzunehmen, was Trump im Wahlkampf Vorteile gebracht haben ((hätte?)). Auch damals wollte sich Selenskyj nicht erpressen lassen.
Die Ukraine Affäre führte zum ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.
Diese Kränkung hat er nie überwunden und erklärt auch, warum er komplett die russischen Narrative übernimmt und diese Täter-Opfer Umkehr gegen Selenskyj vornimmt.
Robert v. Cube fasst das treffend folgendermaßen zusammen:
Trumps Kniff, kurzerhand Selenskyj zum Sündenbock zu erklären, ist ein Mechanismus, den ich bei Narzissten schon häufig gesehen habe. Er kann sein Versprechen, den Krieg rasch zu beenden, nicht halten. Er hat keinen Hebel gegen Putin. Das stellt eine Kränkung dar, die das fragile Selbstbild nicht ertragen kann. Die Lösung kommt in Form einer plötzlichen Umdeutung der Realität. Motive, Ziele, Gegnerschaften werden einfach ausgetauscht und eine Erzählung verbreitet, die die Großartigkeitsillusion wiederherstellt. Für Außenstehende wirkt das überraschend. Ich glaube aber, dass der betroffene Narzisst wirklich nicht merkt, was passiert. Er kann sein Verhalten ja nicht kritisch hinterfragen, weil die Selbstkritik eine existentielle Bedrohung ist. Ich stelle mir vor, dass es sich anfühlt, als würde etwas mit erleichterndem Druckabfall mental an einen neuen Platz geschoben.
Damit es funktioniert, muss die neue Erzählung besonders offensiv verbreitet werden, der neue Gegner besonders dämonisiert werden. Auf alltäglicher Ebene kann das zum Beispiel eine nicht eroberte Frau sein. Auf Ebene von Staatschefs leider ein (noch) nicht eroberter Staat.
Anders lässt sich nicht erklären, warum Trump das Narrativ des Kremls übernimmt.
Diplomatische Höflichkeit ist das Eine, Propaganda übernehmen etwas anderes.
Dass Trump auf die Linie des Kremls einschwenkt, die Postion der USA damit schwächt und sämtliche europäischen Verbündeten verprellt, lässt sich nur durch Trumps narzisstische Kränkung erklären.
Als Europäer dürfen wir uns nicht auf die narzisstischen Launen eines US Präsidenten verlassen und müssen eigenständig verteidiguns- und handlungsfähig werden.