Elf Mitglieder des linken Fanclubs Beleştepe des türkischen Erstligisten Beşiktaş Istanbul wurden in den vergangenen Tagen festgenommen und in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Hauptstadt Ankara inhaftiert. Wie vielen Oppositionellen wird auch ihnen “Terrorpropaganda” vorgeworfen. Sie hatten sich zuvor bei einem Fußballspiel mit zwei inhaftierten Akademikern solidarisiert.
“Nuriye Semih yaşasın! – Nuriye und Semih leben hoch!” ist auf das weiße Stoffbanner gesprüht. Mitglieder des Fanclubs Beleştepe haben es am 6. August bei einem Fußballspiel von Beşiktaş gegen Konyaspor im türkischen Samsun hochgehalten.
Mit dem Banner solidarisierten sie sich mit Nuriye Gülmen und Semih Özakça, einer Literaturdozentin und einem Grundschullehrer. Beide wurden im Zuge der Säuberungswellen nach dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Jahr aus dem Staatsdienst entlassen. Beide wehrten sich öffentlichkeitswirksam dagegen. Sie traten in den Hungerstreik, entfachten Proteste und Solidarisierungswellen. Die beiden wurden zu neuen Ikonen des Widerstands. Nach 75 Tagen im Hungerstreik wurden sie festgenommen.
Solidarisierung führt zu neuen Verhaftungen
Die Solidarisierung mit den beiden inhaftierten Akademikern wird den Mitgliedern des Fanclubs Beleştepe jetzt zum Verhängnis. Ihnen werfen die türkischen Behörden “Terrorpropaganda” vor, wie ein Mitglied der Gruppe den Ruhrbaronen am Donnerstag berichtete. Mit ihrem Banner hätten sie nicht nur Nuriye Gülmen und Semih Özakça, sondern auch die verbotene linksterroristische Vereinigung DHKP-C unterstützt. Den beiden Akademikern wird von den türkischen Behörden eine angebliche Mitgliedschaft in der Vereinigung vorgeworfen. Beobachter halten diese Vorwürfe jedoch für konstruiert.
“Die Ermittlungen gegen uns wurden eigentlich nur als Ablenkungsmanöver gestartet”, glaubt Ozan A. (Name geändert) vom Fanclub Beleştepe, der an der Solidaritätsaktion im Stadion beteiligt war. Bereits während des Spiels hätten Konyaspor-Fans im Stadion islamistische Parolen gebrüllt. Nachdem Konyaspor das Spiel gewonnen hat, seien aus deren Fanblock Gegenstände auf das Spielfeld geworfen worden. “Die haben unser Banner vor allem thematisiert, um von der Randale abzulenken. Angeblich hätten wir damit das Verhalten der Konyaspor-Fans provoziert”, so Ozan A.
Mittlerweile wurden bereits elf Mitglieder des linken Fanclubs Beleştepe verhaftet und im Typ-F-Gefängnis Sincan, einem Hochsicherheitsgefängnis in einem Bezirk der türkischen Hauptstadt Ankara inhaftiert. Wie es für sie weitergeht, weiß Ozan nicht. Auch was ihn jetzt erwartet ist bislang unklar. “Bisher war die Polizei noch nicht bei mir zuhause. Ich bin mir aber sicher, dass die auch mich verhaften wollen. Ich warte jetzt erstmal ab”, sagt er.
Politische Fußballfans im politikfreien Stadion
Der von den Inhaftierungen betroffene Fanclub Beleştepe ist eine vergleichsweise kleine und explizit politische, linke Gruppe von Fans und Ultras des Istanbuler Erstligisten Beşiktaş. Sie verstehen sich als Teil der großen und über die Grenzen der Türkei hinweg bekannten Fangruppierung Çarşı, die nicht nur während der Gezi-Proteste 2013 immer wieder politische Proteste auch in das Beşiktaş-Stadion getragen hat.
Politik – zumindest oppositionelle – wurde in den vergangenen Jahren mehr und mehr aus den türkischen Stadien verdrängt. Politische Banner wurden verboten, seit mehreren Jahren existiert außerdem ein E-Ticket-System. Seitdem kommen Fans nur noch mit einer personalisierten Chipkarte ins Stadion, auf der nicht nur die persönlichen Daten, sondern auch ein Foto gespeichert ist. Auch das einst so politische Beşiktaş-Stadion ist seitdem zu einem mehr und mehr politikfreien Raum geworden.