Am 19. August wurde Dogan Akhanli auf Betreiben der Türkei und mithilfe von Interpol von der spanischen Polizei festgenommen; der deutsch-türkische Schriftsteller sitzt noch immer in Madrid fest.
Wie jetzt bekannt wurde, hatte Interpol Ankara gegenüber der Zentrale in Lyon erklärt, Akhanli sei nicht nur ein Mörder, sondern auch ein Vergewaltiger, bewaffnet und hochgefährlich. Diese abstrusen Behauptungen hatten Interpol anscheinend ausgereicht, eine politische Verfolgung von Dogan Akhanli gar nicht erst in Betracht zu ziehen und die Zuarbeit für die türkischen Behörden satzungsgemäß zu verweigern.
Angesichts der öffentlichen Kritik unsicher geworden fragte die Zentrale der Organisation, viel zu spät, in Ankara an, ob es denn irgendwelche Beweise für die gegen Akhanli erhobenen Vorwürfe gebe. Von dieser Anfrage hat der Verteidigung von Dogan Akhanli gerade erfahren. Ob oder was Ankara geantwortet hat, ist bislang nicht bekannt.
Die Verteidigung stellt angesichts dieses ungeheuerlichen Vorgangs fest:
„Seit Neuestem soll Dogan Akhanli nun also auch noch ein Vergewaltiger sein. Von diesem Vorwurf haben weder der Beschuldigte selbst noch seine Verteidiger jemals gehört. Den Vorwurf in die Welt zu setzen, ohne überhaupt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, geschweige denn eine Anklage erhoben zu haben, entlarvt das Auslieferungsbegehren der Türkei endgültig als Versuch, einen missliebigen Oppositionellen mundtot zu machen. So wird politische Gesinnungsjustiz betrieben. War schon der Mordvorwurf der Türkei gegen Dogan Akhanli absurd und endete 2010 selbst vor einem Istanbuler Gericht mit einem kompletten Freispruch, so ist der Vorwurf einer Vergewaltigung noch absurder. Er ist nicht nur falsch und verleumderisch, er ist absichtsvoll nachgeschoben. So viel kriminelle Energie die türkischen Verfolger auch einsetzen: sie desavouieren sich nur selbst“, bewertete Rechtsanwalt Ilias Uyar den Vorgang.
Ob die abstrusen Vorwürfe aus Ankara Eingang in den Rechtsstreit über das Ausreiseverbot für Akhanli oder gar das eigentlich Auslieferungsverfahren gefunden haben, ist unklar. Fest steht allerdings, dass das zuständige spanische Gericht das Ausreiseverbot für Akhanli entgegen den Forderungen der Verteidigung vor zwei Tagen zurückzunehmen sich geweigert hat.
Die Verteidiger von Dogan Akhanli wiederholen angesichts des nicht mehr berechenbaren Verfolgungswahns der türkischen Behörden ihre Forderungen: „Die Türkei kriminalisiert unseren Mandanten aus politischen Motiven. Es geht ihr nicht um Strafverfolgung, vielmehr will die Türkei unseren Mandanten wegen seiner Kritik an der aktuellen Politik und Menschenrechtslage in der Türkei sowie an der Leugnung des Völkermords an den Armeniern einschüchtern und mundtot machen. Es ist offenkundig, dass unser Mandant in der Türkei kein faires Verfahren erwarten kann. Wir fordern von der spanischen Regierung, dass sie das Auslieferungsgesuch der Türkei umgehend abweist.“, erklärt Akhanlis Rechtsanwalt Ilias Uyar.