Unser Gastautor Thomas von der Osten-Sacken hat sich mit dem Elitebashing des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland in der FAZ beschäftigt.
Alexander Gauland weiß es aus Erfahrung, schließlich gehörte er selbst jahrelang dazu, wie traurig es um die so genannten Eliten in Deutschland bestellt ist. Nein, die tollen, fließend Fremdsprachen beherrschenden, auf internationalem Parkett souverän auftretenden Frauen und Männer von Welt sind das meist so gar nicht, die da eher verhuscht und in gebrochenem Englisch mit schwerem Akzent versuchen, sich irgendwie durchzuwursteln. Die Deutschen wirken oft, egal wo sie auftreten, furchtbar provinziell und zu ihnen passte ganz das Ambiente Bonns in der alten Bundesrepublik: Waschbeton und Saumagen. So mochte man sie und belächelte sie zugleich, die vorher noch aufgebrochen waren, die Welt zu erobern. Wenn wer diese Atmosphäre von Muffigkeit kennt, dann der ehemalige Staatssekretär aus Hessen. Wenn er also diese neuen Eliten beschreibt, so sicher nicht die Kreise in denen er sich einst bewegte:
„Im Zuge der Globalisierung“ hat sich „eine neue urbane Elite gebildet“ „aus Wirtschaft, Politik und Kulturbetrieb. Diese globalisierte Klasse sitzt in den international agierenden Unternehmen, in Organisationen wie der UN, in den Medien, Start-Ups, Universitäten, NGOs‘, Stiftungen, in den Parteien und ihren Apparaten“
Sicher es stimmt, dass, ob in Frankfurt, Berlin, Luxemburg, Paris oder London es diese mit ihrem Labtop verschmolzenen Starbucks-Konsumenten zuhauf gibt, die sich in irgendwelchen Blasen bewegen und glauben, sie seien unheimlich progressiv und fortschrittlich, aber kaum in der Lage sind, mit einer Supermarktverkäuferin drei Worte zu wechseln, diese eher bemitleidenswerten Leute, die sich in irgendwelchen prekären Unijobs oder bei ziemlich nutzlosen NGOs einen abrackern und auf seltsamen Konferenzen in Fachchinesisch sich gegenseitig Papiere vorlesen, die ansonsten kein Mensch liest, mag man aber kaum als funktionsfähige Elite sehen.
So scheint es doch eher so, dass, was Gauland und die anderen, da als Elite halluzinieren ein ziemlich abgewracktes Unternehmen ist, das sich ein paar Gelder hin- und herschiebt und furchtbare Angst hat, in Bedeutungs- bzw. Arbeitslosigkeit zu enden.
Ich mag mich täuschen, aber mit der Elite, von der sie da alle schwadronieren, hat diese Realität wenig gemeinsam. Da fällt einem eher eine Beobachtung ein, die Hannah Arendt einst tätigte: Dass das Elitenbashing dann losgeht, wenn diese alten Eliten schon am Ende sind und es nur noch darum geht, sie abzuräumen. Dann kommen als Führer des vermeintlichen Volkswillen die plötzlich aus ihren Löchern, die eigentlich genau Teil dieser Eliten waren, die Spielregeln kennen und wissen wie es um den Betrieb steht und verbünden sich mit dem Mob, um abzuräumen. Das ganze wirkt so, als wolle man den Herrschenden die Maske vom Gesicht reißen, es inszeniert sich furchtbar rebellisch und tut, als wolle man „denen da unten“ zu ihrem Recht verhelfen. Darum geht es selbstredend nie, die „da unten“ dürfen ihren Ressentiments ein wenig freien Lauf lassen, so lange die neuen Eliten sich noch nicht installiert haben. Ein paar werden aufsteigen, der Rest leer ausgehen und sich dann an irgendwelchen noch Schwächeren schadlos halten und einem „Wir“-Gefühl berauschen, in dem viel Hass, Neid und Gewalt steckt und wenig bessere Zukunft.
Eines jedenfalls spüren, ja wittern diese Typen: Wenn die Verhältnisse, vor allem die ökonomischen, sich krisenhaft so entwickeln, dass die alten Eliten schwächeln, eben gar nicht mehr so wirken, als hätten sie es unter Kontrolle (eine Illusion, die jede Elite Aufrecht erhalten muss) und deshalb plötzlich so lächerlich und bigott wirken, wie sie es eigentlich schon immer waren.
Sie sind eben keinesfalls stark, sondern schwach. Das wissen die Agitatoren und Populisten, nur müssen sie eben so tun, als kämpften sie in Wirklichkeit wie der einsame Held gegen einen übermächtigen Feind. Das nur täten sie niemals, denn sie sind autoritäre Charaktere, die bestenfalls gegen den Schwund von Autorität rebellieren.
Wenn ihre „Kritik“ dann jedesmal so klingt, als beschrieben sie nicht die reale Tristesse der Eliten, sondern schöpften aus der Bilderwelt der Protokolle der Weisen von Zion, steckt natürlich sowohl Kalkül als auch Wahn dahinter. Ihre Anhängerschaft nämlich glaubt, sie als ehemalige Insider, wüssten ja wie der Hase läuft und imaginieren sich mit wohligem Schauder was in den Hinterzimmern der Herrschenden so vor sich geht.
Mir scheint, daß Gauland unfähig oder/und unwillig ist, sich a.) mit dem Begriff "Elite" näher zu befassen und b.) mit der Theorie dazu ("…Notwendigkeit der Eliten, Arten der Eliten und ihren allgemein formalsozilogischen Gesetzmäßigkeiten).
Seine Äußerungen in der FAZ sind Kritik "an die da Oben" -deutschland-, europa-,weltweit-, sind Kritik an einer neuen " globalisierte Klasse". Gründe für diese Kritik lassen sich benennen. Über ihre Ursachen und ihre Folgen ist zu streiten.
Das diesbezügliche gaulandsche Problem liegt für mich darin, daß er "die da Oben", daß er "die globalisiert herrschende Klasse" als Elite definiert bzw. diese unter dem Begriff Elite subsummiert, ohne sich vorab ….-sh.einleitend-.
Wenn Gauland festgestellt hätte, daß es heutzutage an einer Elite (an Eliten) fehlt -"da Oben" bzw. im Kreise der "global Herrschenden-, dann wäre das -für mich- eine naheliegende, diskussionsfähige, diskussionswürdige These gewesen.
Meine kritische Anmerkung schließt -insofern (!)- auch den Inhalt des Gastkommentar mit ein -…
"neu Eliten, alte Eliten…..".
Wie definiert denn der Gastkommentar "Elite"? Von welcher Begrifflichkeit geht er aus? Was ist "seine Theorie" dazu?
Mir scheint, daß es dieserhalb nicht nur unterschiedliche Auffassungen zwischen Gauland und dem Gastkommentator gibt, sondern es beiderseits an der m.E. gebotenen grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Begriff Elite mngeln könnte mit der Folge, daß "man" dieserhalb aneinander vorbeiredet bzw. an "Oberflächen kratz" jenseits dessen, was Elite(n) sind, was sie sein könnten, was sie sein sollten.
Wenn man mit Elite auch die Eigenschaft der gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme für die Folgen seines Wirkens verbindet, dann ist gerade auf globaler, aber auch auf nationaler und regionaler Ebene nur (noch) wenig von Elite zu sehen. Diesbezüglich muss, wenn überhaupt, eher von einem allgemeinen Versagen von Eliten , bzw. von deren Umwandlung in Oligarchien gesprochen werden.
Arnold Voss,
ich möchte meinerseits nicht versuchen, den Begriff "Elite(n)" zu definieren und ich will mich jetzt und hier auch nicht auf die Theorie(n) dazu/darüber einlassen; den diejenigen -Gauland, Gastkommentator -, die mit dem Begriff "Elite" hantieren/argumentieren, sind zunächst gefordert, in Vorleistung zu treten, dh., sie haben darzulegen, wie sie den von ihnen verwandten Begriff Elite(n) verstehen und definieren nebst ihrer Theorie(n) dazu.
Erst danach wäre ich dann an der Reihe, mich mit ihren Definitionen/Erläuterungen/Schußfolgerungen auseinanderzusetzen, vor allem mit ihrer gegenwartsbezogenen Kritik.
Deshalb ,
Arnold,
nur soviel zur "gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme" -s.2- als eine möglicherweise die Elite(n) kennzeichnende Eigenschaft:
Ich bin der Auffassung, daß es zwar nicht zwingend geboten, aber durchaus naheliegend ist, die(Herrschafts-) Elite(n)
-als herrschafts – oder führungsberechtig anerkannte, akzeptierte, maßgebende kleine Gruppen von Menschen –
mit der Idee zu verbinden, daß diese sich durch ein besonderes Maß an Verantwortung-, an Verantwortungsbereitschaft, an Verantwortungsübernahme für die Folgen ihres Wirkens auszeichnet.
Wenn das so zu sein hätte, würde es in der Tat zumindest einen Grund geben , z.B. für Gauland, sich über ein allgemeines (über ein wachsendes ) Versagen der (politischen, wirtschaftlichen, kulturellen) Eliten oder gar über deren Nichtvorhandensein kritisch auszulassen. Und wenn Gauland sich selbst reflektierend als Mitglied "der Führungsmannschaft der AFD – als Elite-?" in sein Nachdenken über Elite(n) und über deren besondere Verantwortung einbeziehen würde, könnte das zu einer mir spannend erscheinenden Diskussion führen.
@ Walter Stach
Eitel und Elite haben nur die Buchstaben gemeinsam 😉
Deridadaistische Elitesoziologie …
Die Frage, ob das Establischment versagt hat, wurde damals in den Sechzigern dadurch zerfasert, indem diskutiert wurde, wer überhaupt das Establischment wäre. Heute läuft es bei den "Eliten" ähnlich.
Man will zwar dabei sein, aber nicht dazugehören. Immer dasselbe.