Ümit Han und der poetische Techno

Ümit HanAm kommenden Samstag wird der türkischstämmige Musiker und DJ Ümit Han im Dortmunder Norden ein DJ – Set spielen. Im vergangenen Jahr war der in Oberhausen lebende Künstler das  letzte Mal zu Gast in der Bierstadt. Im Rahmen des U – Topia Festivals präsentierte er den Besuchern eines seiner analogen Techno – Live – Sets. Diese kommen ganz ohne Computer und sonstige digitalen Mittel aus und erzeugen so eine einzigartig dynamische Klangatmosphäre. Und auch die aufgenommenen Musikstücke des Künstlers entstehen auf diese Weise. Doch auch beim Auflegen verzichtet der DJ auf digitale Hilfsmittel. „Bildschirme gehören nicht auf die Bühne“, sagt Han. Zwei Plattenspieler und ein Mixer sind alles, was er als DJ benötigt. Und natürlich die Auswahl seiner Platten.

 

Heimspiel in Dortmund

Zahlreichen Dortmundern und technoiden Musikliebhabern dürfte Ümit Han als Mitglied von BlacksIsBeautifull und ehemaliger Resident – DJ des mittlerweile legendären Vrstck – Clubs im Hoeschpark bekannt sein. Nach mehreren Veröffentlichungen mit BlacksIsBeautifull und unzähligen DJ – Nächten auch jenseits des Vrstcks geht Han seit geraumer Zeit neue Wege und tritt momentan häufiger als Live – Musiker in Erscheinung.

Im vergangenen Jahr  veröffentlichte er bei dem Kölner Musiklabel Traumschallplatten unter dem Titel „Die Rose und die Nachtigall“ seine erste Solo EP. „An einem traurigen Morgen“, „Im Herzens Garten erstarb die Rose“ und „Der Gesang der Nachtigall“ heißen die drei Tracks, und letzterer erinnert dem Namen nach schon stark an die Titel seines Label Kollegen Dominik Eulberg. Anders als bei Eulberg jedoch, der als Inspirationsquelle immer wieder auf seine Beobachtungen der Flora und Fauna verweist, sind Hans Arbeiten vor allem durch türkische Poesie geprägt. So ist der Titel „Der Gesang der Nachtigall“ einem Gedicht des türkischen Dichters Ahmet Haşim entlehnt. Doch zumindest bei diesem Track ist auch eine musikalische Nähe zu Eulberg nicht von der Hand zu weisen, wenn die Sythnteziser – Melodien wie Volgelstimmen anmuten. Oder es – wie bei Eulberg häufiger – auch wirklich sind.

An einem traurigen Morgen

Eigentlicher Höhepunkt der EP ist jedoch „An einem traurigen Morgen“. Mit seinen melancholisch verträumten Melodien besteht das Stück aus unfassbaren 72 Spuren, allesamt analog erzeugt und schließlich – nach unzähligen Versuchen – als zusammenhängender Live – Take aufgenommen. Leider ist das Stück so komplex zu spielen, dass Han es in seine Live – Sets bislang nicht aufgenommen hat. „Vielleicht in zehn Jahren bei meiner ersten Techno Oper“, tröstet er die Hörer. „Dann aber mit Orchester.“

Als ein Mann – Techno – Orchester geht Han aber jetzt schon durch. Wer schon einmal gesehen hat, wie er bei einer Live – Show zwischen seinen vielen Synthesizern, Drumcomputern, Sequenzern & Dynamics hin und her springt und wer gehört hat, was er dann für stimmige Tracks auf seinem riesigen Mischpult zusammenführt, der kann ihn sich sicherlich auch in einem Opernhaus vorstellen. Aber dann natürlich mit viel Schnaps und Zigaretten und jeder Menge Rausch, der sich durch Hans Musik auch bei den nüchternsten Menschen einstellen wird, insofern sie bereit sind, sich auf das von szenefremden Kritikern häufig verteufelte repetitive Moment  in der elektronischen Musik und insbesondere des Techno einzulassen.

 Der DJ vermittelt den Musiker

1994 stand Ümit Han das erste Mal als DJ vor einem Publikum. „Der DJ ist der Vermittler zwischen Schöpfer und Hörer“, sagt er. Und nicht nur das Schöpfen, sondern auch das Vermitteln ist für ihn wie zu einer Sucht geworden. „Wenn mir das Auflegen keinen Spaß machen würde, würde ich es gleich bleiben lassen“, sagt er. „Aber mit so etwas hört man einfach nicht auf.“ Und weil er der Meinung ist, das Bildschirme auf der Bühne scheiße aussehen, spielt er auch als DJ nur analog.

Am kommenden Samstag steht Han mal wieder als Vermittler hinter dem Mischpult. Das Musik- und Kunstkollektiv All The Time hat ihn zusammen mit dem Essener Beatplantation und Reisebureau Resident Marcus Sur in den Dortmunder Norden eingeladen, um einer anstehenden Vereinsgründungsfeier die notwendige musikalische Tiefe zu verleihen. Man darf gespannt sein, wie die beiden Ruhrgebietler sich musikalisch ergänzen, verfolgen sie doch sehr unterschiedliche Ansätze. Sur hat auf dem von Mollono.Bass initiierten Label Acker Records vor wenigen Wochen eine viel beachtete Schallplatte unter dem Namen Zachow EP veröffentlicht und auch zu dem erst diese Woche veröffentlichten Noir Sampler NMC014 einen Track beigesteuert. „Your Tears Look Busy“ heißt das Stück, das sich bruchlos in die übrigen Deep- und Techhouse – Tracks des Samplers einfügt, die von so illustren Künstlern wie Oxia, Marc DePulse und Supernova stammen.

 Neue Platten stehen an

Doch auch Ümit Han hat sich trotz der vielen Live – Shows und seinem Engagement für die regierungskritischen Proteste in Istanbul die Zeit genommen, um an neuen Sounds zu feilen. Und so stehen noch in diesem Jahr zwei Neuerscheinungen an. Im Oktober wird auf MBf ltd. eine Platte veröffentlicht, die Han dem Istanbuler Gezi Park widmen möchte.

Und der kommenden Traumschallplatten-Compilation wird Han ein „melo-poetisches-elektronik-Stück“ beisteuern, was auch immer das heißen mag. „Die Träne fließt im Wildbachlauf“ heißt das Ding, und Hintergrund ist diesmal ein Gedicht des türkischen Volkspoeten Karacaoğlan.

Weil sich über Musik aber schlecht sprechen lässt und man sie in den meisten Fällen lieber hören sollte, anstatt Begriffe darüber zu zerbrechen, sind der vielen Worte nun genug. Doch abschließend sei die bisher letzte Veröffentlichung Ümit Hans erwähnt, die mittels Youtube für sich selbst sprechen kann und bei der Handelskette Beatport auch als hochqualitative Soundfile zu erwerben ist – Kreditkarte vorausgesetzt.

 

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Thorsten Stumm
11 years ago

Also, wo und wann kann man Umit Han nun hören. Die Website des Festivals bewirbt den November 2012…..wäre doch schön wenn soviel Infos nicht umsonst sind und von ein paar zusammengefasste Basics angereichert werden…..oder ist das eine Insiderveranstaltung im „Dortmunder Norden“…..ist ja gross…..der Norden…..

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