Ulf Dittmer und die Verteidigung der Wissenschaft

NRW Ministerpräsident Hendrik Wüst und Ulf Dittmer Foto: Land NRW / Josua Dunst

Der Essener Virologe Ulf Dittmer schlägt Alarm. Was sich derzeit in den USA abspielt, bedroht nicht nur einzelne Forschungsprojekte, sondern das Fundament der Wissenschaft: ihre Freiheit. Dittmer war Postdoktorand am Rocky Mountain Lab in Montana – einem angesehenen Institut der National Institutes of Health (NIH). Und genau diese NIH werden nun von der Regierung Trump abgesägt. Kein Geld mehr für neue Forschungsvorhaben, Reiseverbote für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Bestellstopp für Materialien, Stellenstreichungen. Es ist kein schleichender Prozess. Es ist Absicht.

Wie Dittmer in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 10. April 2025 schildert, wurde die Direktorin des Labors in Washington bereits entlassen, ebenso rund zehn Prozent der Belegschaft – teilweise durch vorzeitige Vertragsbeendigungen. Projekte, etwa zur Bekämpfung des durch Mücken übertragenen La-Crosse-Virus, an dem Dittmer gemeinsam mit einer Kollegin in den USA arbeitet, dürfen zwar noch fortgesetzt werden – doch was danach passiert, ist völlig offen. Er beschreibt eine Forschung auf Abruf, ausgehöhlt durch politische Willkür. Was ihn weitermachen lässt, ist nicht die Illusion auf stabile Verhältnisse, sondern das Wissen: Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt aufgeben, verliert die Aufklärung ihr Fundament.

Die Angriffe der Trump-Regierung gehen dabei über reine Kürzungen hinaus. Dittmer berichtet, wie die republikanische Regierung in Texas aktiv Daten zum Ausbruch der Vogelgrippe H5N1 unterdrückte, Analysen von Milchproben verhinderte und Ergebnisse zurückhielt – bis das Virus Kalifornien erreichte. Erst dort, im von Demokraten regierten Westen, wurden verlässliche Virussequenzen öffentlich. Selbst die CDC (Center of Desease Control and Prevention), einst Symbol wissenschaftlicher Integrität, wurde zum Instrument politischer Zurückhaltung. Informationen zu H5N1-Fällen bei Hauskatzen und Menschen wurden laut Dittmer per Regierungsdekret von der CDC-Website entfernt.

Dittmer selbst reist im Juni wieder in die USA – aus privaten Gründen. Ursprünglich wollte er die Gelegenheit für einen Vortrag bei Kolleginnen und Kollegen nutzen, verzichtet nun jedoch, weil dies ein anderes Visum erfordern würde. Für ein Gespräch über Viren mit Fachpublikum wäre eine offizielle Einladung nötig – und die Diskussion mit dem Grenzbeamten darüber schlicht zu aufreibend.

Dass Dittmer nicht schweigt, wurde kürzlich auch in Nordrhein-Westfalen gewürdigt: Die Landesregierung verlieh ihm den Verdienstorden für seinen unermüdlichen Einsatz während der Corona-Pandemie und darüber hinaus. Er hatte frühzeitig am Universitätsklinikum Essen die Diagnostik aufgebaut und sich für Impfangebote für das medizinische Personal stark gemacht – eine Arbeit, über die auch wir Ruhrbarone berichteten.

Dittmer sagt auch: Die Wissenschaftsfeindlichkeit, die in den USA grassiert, ist keine Randerscheinung.

Verschwörungsideologien, Fake News, Maskenskepsis, Klimawandelleugnung, Rassentheorien im neuen Gewand – all das hat sich während der Pandemie auch in Deutschland Bahn gebrochen und bleibt. Wenn Querdenker zu Querschlägern werden, ist es nur ein kleiner Schritt zur Delegitimierung jeder faktenbasierten Auseinandersetzung. Wissenschaftsfeindlichkeit ist mehr als Unkenntnis. Sie ist Rückzugsgefecht und Angriff zugleich. Sie ist der Wunsch, die Welt wieder in einfache Kategorien zu pressen. Und sie ist brandgefährlich.

Umso mehr braucht es Menschen wie Prof. Ulf Dittmer. Menschen, die forschen, warnen, sich einmischen – und bleiben. Nordrhein-Westfalen hat ihm dafür einen Orden verliehen. Gut so. Denn Engagement wie seines ist heute wichtiger denn je.

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