Es ist kurz vor 6. Ich renne los. Durch den strömenden Regen. „Ich muss es schaffen“, denke ich.
Am Wahllokal angekommen, sagt man mir nüchtern. „Sie dürfen hier nicht wählen. Falscher Bezirk.“ Verdammt. Wieder raus. Weiter rennen. Es sind nur ein paar Straßen. Ich gebe alles. Der Regen benetzt meine Brillengläser. Ich kann kaum etwas sehen. Halte aber meine zerknüllte und tropfnasse Wahlbenachrichtigung fest in der Hand. Ich mache einen Satz über die Ampel und brülle: „Für Europa!“. Nur noch ein paar Meter. Ja da steht es: Evanglisches Gemeidehaus. Hier bin ich richtig. Ich stürme rein. Die Wahlhelfer gucken mich unbeeindruckt an: „Sie dürfen nicht mehr. Es ist fünf nach sechs.“ Ich pruste, putze meine Brille und sage: „Bitte, geben Sie mir den Zettel. Es sind doch nur fünf Minuten. Ich bin hergejoggt. War beim falschen Lokal.“ „Nein, das geht nicht. Da haben wir unsere Regeln.“ „Ach kommen Sie. FÜNF Minuten?! Wissen Sie überhaupt wozu das gut sein soll. Solche Regeln.“ Man weiß es offenbar nicht und sagt nur: „Wir diskutieren nicht.“ Wie schade. Das gehört doch zur Demokratie. Ach nein, ich vergaß: Um fünf nach sechs ist ja die Demokratie vorbei.
Kleiner Tipp: Beim nächsten Mal einfach etwas früher losjoggen. Mancherorts muss für das Recht zu wählen sogar Schlange gestanden werden.
Noch ein Tipp: Vorher mal auf der Wahlbenachrichtigung nachgucken, in welches Wahllokal man muss.
Vielen Dank für die Ratschläge. Komisch, dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin.
Das ist jetzt nur so ne fiktive Geschichte, oder?
Ich hoffe, daß das nur Fiktion ist. Falls nicht, wäre es leider ein
Indiz dafür, daß die Netzgemeinde nicht Realitätsfähig ist. Man kann nicht
auf der einen Seite Witze über „was-ist-ein-Brauser“Zypries machen, und dann den
Beweis dafür liefern, daß man selbst nicht in der Lage ist, einen fähigeren Politiker zu wählen. Es gibt auch im wirklich wahren Leben Spielregeln,
an die man sich halten muß. Aber auch wenn die Geschichte nur Fiktion sein sollte ist sie nicht lustig, sondern peinlich.
Das ist ungefähr so, wie der Trinker, der sich wundert, warum er mit 2 Promille nicht mehr Auto fahren darf. Das hat mit Demokratie nichts zu tun, sondern mit persönlicher Unzulänglichkeit.
Fremdschämen ist ein schönes Wort, das in manchen Situationen absolut zutrifft.
die mundfaulen wahlhelfer hättn gut daran getan einer wahlwilligen zu erklären, dass diese regeln unter demokratischen bedingungen in der eu-wahlordnung festgehaltn worden sind& wenn um punkt 6 die tür der wahllokalität zufällt, beginnt die stimmzählung unmittelbar.
aber dein abenteuerliches gebaren&engagement in ehren:
leddi war selbs nich wählen,als eu-ausländerin hätt ich mich im wahlbezirk früh genug anmeldn müssn um die wahlberechtigung zu erhaltn.
ob sich die deutschen alle verspätet haben? die wbeteiligung war diesmal sehr gering.
/die pizza war köstlich,}
@ leddi: Sehr richtig. Es geht eben nicht darum, dass es möglich ist, sich an die Regeln zu halten. Und auch nicht darum, dass es womöglich peinlich sein könnte, die Wahl zeitlich zu verpassen. Sondern darum, dass in unseren bürokratischen Strukturen offenbar immer dann, wenn die Argumente und das Wissen zu Neige gehen, auf die ?Regeln? verwiesen wird. Unabhängig davon, ob diese überhaupt von den Ausführenden verstanden oder jemals hinterfragt wurden?
@Meriem: Wahlhelfer haben zum Glück nicht die Aufgabe Regeln zu hinterfragen sondern nur die Aufgabe Regeln möglichst genau zu befolgen. Das alles hat auch nichts mit irgendwelchen „bürokratischen Strukturen“ zu tun, sondern mit Recht: Nur 100 % korrekte Wahlen sind gute Wahlen. Oder anders ausgedrückt: Bei Wahlen gilt das Prinzip: Legitimation durch Verfahren
welch dunkler gedanke,dass träger politischer aufgaben verständnis&wissen zur sache erst nach befehl entwickeln solln. ohne hinterfragung keine verbesserung. selbst ein regelwerk wie das der wahl ist optimierbar.
@leddi: Wahlhelfer sind keine Träger politischer Aufgaben sondern haben nur dafür zu sorgen, dass die Wahl korrekt nach den Regeln verläuft.
wahlhelfer sind amtsträger & gemeint war nicht,dass diese als solche regeln ohne legitimation verändern sollen oder dürfen nech
Also die Wahllokale waren von 8.00 – 18.00 Uhr geöffnet,dass sind 10 Stunden. Wer so dxxf ist und das verpasst ist selber schuld und nicht die Wahlhelfer….
@ m.b.
dein text legt nahe, dass es undemokratisch sei, wenn man um 18:05 Uhr nicht mehr wählen darf, und dass die wahlhelfer blind die regeln befolgen ohne sie zu reflektieren oder gar zu verstehen. diese rechnung geht jedoch nicht auf, sie stimmt hinten und vorne nicht, weil:
1) der wahlhelfer hat nicht die aufgabe, dir die demokratie zu erklären. er ist zuständig für den ablauf der wahl – mehr nicht.
2) auch oder gerade die demokratie basiert auf regeln und gesetzen, die unantastbar sind (Grundgesetz etc.). und das ist keineswegs undemokratisch. demokratie heißt nicht anarchismus. und das wahlgesetzt sieht einen klaren rahmen zur wahl vor.
3) 10 stunden um wählen zu gehen müssten doch eigentlich reichen. ich kann daran nichts totalitäres oder undemokratisches erkennen, wenn man diese regel umsetzt.
der text ist nicht schlecht geschrieben, ihm mangelt es aber an selbstkritik. du versuchst andere für dein fehltiming verantwortlich zu machen und ziehst daraus die falschen schlussfolgerungen. das wäre eigentlich nicht so schlimm, aber von deinem fehltiming auf ein demokratiedefizit zu schließen ist nicht nur falsch sondern auch gefährlich.
@ sepp: Es war sicherlich nicht mein Anliegen, Rückhalt in Sachen Wahlversäumnis zu bekommen. Es wurde ganz offensichtlich durch meine überspitzte Darstellung so verstanden -weshalb ich nun großzügig belehrt werde, demnächst früher zur Wahl zu gehen und außerdem darüber in Kenntnis gesetzt werde, dass ich an nicht zureichender Intelligenz leide.
Eigentliches Anliegen war es, über das unwissende Befolgen von Regeln nachzudenken.
Ich bin der Ansicht, dass zum Befolgen vielerorts, vielleicht sogar grundsätzlich, ein Verstehen gehören sollte. Womöglich hast Du Recht, wenn Du sagst, dass es nicht die Aufgabe der Wahlhelfer ist, meine Fragen zu beantworten. Aber es wäre gut, zu kommunizieren. Und es wäre vor allem gut zu wissen, dass sie Wissen haben und nicht nur unwissend befolgen. Es ging darum, dass ich es für fragwürdig halte, dass Aufgaben ausgeführt werden ohne sie zu verstehen. Warum dieser Gedanke gerade für Wahlhelfer als abwegig und wenig relevant erachtet wird, ist mir wiederum unklar. Vielmehr reiche es offenbar aus, dass die Wahlhelfer glücklicherweise nicht genau wissen wollen oder wissen sollen, warum welches Regelwerk besteht.
Nebenbei bemerkt, ist das Reflektieren von Regeln wohl kaum mit einem Umsturz oder einem Anzweifeln dieser gleichzusetzen.
Ok gerne erkläre ich es Dir. Wahlen haben frei, gleich, allgemein und unmittelbar zu sein.
Diese Regeln bestehen damit Wahlen so ablaufen das keine Partei oder Kanidat/in benachteiligt werden und die Möglichkeit der Wahlmanipulation ausgeschlossen wird.
Unmittelbar heisst hier das unmittelbar nach Schliessung der Wahllokale mit dem Auszählen der Stimmen begonnen werden muss.
Wenn gegen diese Regel verstossen wird ist die Wahl zumindestens in dem Wahlbezirk anfechtbar und muss unter Umständen wiederholt werden. Das kommt durchaus vor, in einen Wahlbezirk im Osten wurden Wahlunterlagen vertauscht, dort wird wahrscheinlich der Wahlgang für den Wahlbezirk wiederholt.
Übrigens stimmt es nicht das Du Regeln reflektierst, Du masst Dir eine spezielle Ausnahme für deine Unfähigkeit an. Das ist tatsächlich antidemokratisch und nicht die Regel ist es.
Vielen Dank für die Erläuterungen. Ich wiederhole es gerne noch mal: es ging nicht darum, dass ich eine Veränderung des Regelwerks bewirken will oder wollte. Auch nicht darum, dass ich auf der Grundlage dieser Anekdote antidemokratische Tendenzen entwickelt habe. Und auch nicht darum, dass die Regel des zeitlichen Rahmens der Wahl antidemokratisch ist.
Es ging darum, dass ich (eingebettet in eine Geschichte) Überlegungen darüber anregen wollte, wie sinnvoll es ist, wenn Ausführende nicht wissen, warum sie was ausführen. Da meine Gedanken offensichtlich seit Veröffentlichung des Beitrags und nun auch in der sich anschließenden Diskussion durchgängig missverstanden werden, bleibt nur zu sagen, dass meine Worte ihr Ziel verfehlt haben.
Ok, habe ich verstanden. Allerdings geht dein Standpunkt aus dem Artikel nicht hervor.
Aber warum sollte man sich Gedanken um diese Regeln machen, sie sind das Produkt eines harten Kampfes für Demokratie und nicht bürokratischer Popanz. Jede ernstzunehmende Demokratie der Welt verfährt nach diesen Regeln.
Lass uns doch mal gemeinsam über den Wert der Öffungszeiten von Wahllokalen reflektieren ? Meinst du das wirklich ernst ?!
Zudem enthält deine Reflektion nicht den Hauch von Selbstkritik und Ironie, dafür eine plaktive Überschrift, die eben genau etwas anderes aussagt alles dein erklärter Standpunkt.
Ausserdem lässt dein Beitrag schon erheblich die hier gewohnte Qualität vermissen. Qualität bedeutet namlich auch das das, was man meint auch in dem Beitrag steht.
Tut es aber nicht.
Meine Güte, was für ein Wind um diese Geschichte. Ich sehe das ganze viel simpler: Wahlhelfer sein ist doof. Es frisst einen ganzen wertvollen Sonntag auf, statt gemütlich auf der Couch zu fläzen sitzen die Damen und Herren 10 Stunden auf Grundschulmobiliar in einem Klassenzimmer und lesen sich in beständiger Wiederholung die Wandzeitung zur Seitenlängenberechnung am gleichschenkligen Dreieck durch. Und dann ist auch noch Europawahl und es kommt kaum jemand wählen. Hätte ich dort sitzen müssen, hätte ich auch drauf bestanden, pünktlich um 18.00h Feierabend zu machen – zumindest was die Kreuzchen angeht, meines Wissens muss danach nämlich noch gezählt werden. Aber @M.B. trotzdem Kudos für den Einsatz. Andere bleiben leiden lieber den ganzen Sonntag auf der Couch und gehen garnicht wählen. Da ist dann die Demokratie wirklich vorbei.
@ Torti (17): „Unmittelbar heisst hier das unmittelbar nach Schliessung der Wahllokale mit dem Auszählen der Stimmen begonnen werden muss.“
Äh, nein. Der Wahlgrundsatz „unmittelbar“ bedeutet, dass dein Kreuzchen direkt dem betreffenden Kandidaten bzw. der Liste zugutekommt und kein weiteres Gremium dazwischensteht. Die Wahl des US-Präsidenten ist beispielsweise nicht unmittelbar, weil die Wähler nur eine (in vielen US-Bundesstaaten nicht einmal bindende) Willensbekundung an ein Wahlgremium abgeben, welches seinerseits dann den Präsidenten bestimmt.
@Andi
Stimmt, in der Aufzählung missverständlich ausgedrückt.
Aber der Sinn meiner Aussage bleibt denoch bestehen.
Lass es mich so ausdrücken: Sehr schnell ( Ich fand unmittelbar ist hier das bessere Wort, sofort trifft es auch nicht) nach der Schliessung der Wahllokale muss mit der Auszählung der Stimmen begonnen, war nämlich schon mal Wahlhelfer.
Die Urnen werden eben nicht an einen zentralen Ort gebracht, wo man auf dem Transport noch schnell ein paar Wahlzettel einschmuggeln kann.
Fällt dir da ein bessers Wort als unmittelbar ein auch wenn es mehrdeutig ist ?
Danke für deine Ergänzung.
@ Meriem
es ist schon ein starkes stück zu sagen du wolltest nicht auf ein demokratiedefizit in unserer gesellschaft aufmerksam machen.
guck dir bitte nur mal deine überschrift an: um fünf nach sechs ist die demokratie vorbei.
Wie soll man das bitte verstehen wenn nicht als demokratiedefizit?
vielleicht hast du tatsächlich was anderes gemeint, dann bitte aber mit anderer überschriftt!!! denn die demokratiehört um fünf nach sechs keineswegs auf! sie dann erst so richtig an mit auszählen, mandaten, parlamentsarbeit etc.
eigentlich bin ich von diesem blog bessere, intelligentere artikel gewohnt.
@ Torti: Wie wär’s mit „sofort“? 🙂 Die Europawahlordnung drückt es etwas umständlicher aus: „Im Anschluß an die Wahlhandlung ermittelt der Wahlvorstand ohne Unterbrechung das Wahlergebnis“ (§ 60 EuWO). Die EuWO legt auch die Wahlzeit verbindlich fest: „Die Wahl dauert von 8.00 bis 18.00 Uhr“ (§ 40 I EuWO). Im Einzelfall kann ein früherer Beginn beschlossen werden, jedoch ausdrücklich kein späteres Ende; Beginn und Ende müssen eine Woche im Voraus öffentlich bekannt gemacht werden (§§ 40 II, 41 I EuWO). (Für Bundestagswahlen gelten wortgleich §§ 47, 48, 67 BWO.)
Bezüglich einer Stimmabgabe ausserhalb der festgesetzten Wahlzeit kommt die Herbeiführung eines unrichtigen bzw. verfälschten Wahlergebnisses gemäß § 107a I StGB (Wahlfälschung) in den Sinn. Vielleicht liesse sich auch argumentieren, dass es gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verstösst, wenn Einzelpersonen willkürlich Wahlprivilegien ausserhalb der für alle geltenden und rechtlich festgeschriebenen Grundsätze eingeräumt werden. (Der Grundsatz der Allgemeinheit ist eigentlich ein Diskriminierungsverbot, das hier gewissermassen umgekehrt herangezogen werden würde.)