Wie halten es die Parteien mit Israel und dem Antisemitismus? Die „Initiative 27. Januar“, die sich für die deutsch-israelischen Beziehungen einsetzt, hat den im Bundestag vertretenen Parteien auf den Zahn gefühlt. Ein Überblick.
Insgesamt wurden den Parteien fünf Fragen zugeschickt. Darin geht es um den Holocaust, die Bedrohung Israels durch Hamas und Hezbollah, den Antisemitismus der deutschen Gesellschaft, um die EU-Nahost-Politik und um die Förderung der Beziehungen beider Länder auf politischer Ebene. Herausgekommen ist ein erwartbares Ergebnis: Je konservativer die Parteien, desto israelfreundlicher fielen die Antworten aus.
Beginnen wir mit der Linkspartei. Diese betont zunächst, dass der „von Deutschen durchgeführte Holocaust (…) singulär“ sei. Die Gründung Israels sei eine Reaktion auf den Holocaust gewesen. Dann wird es merkwürdig: „Schon deshalb“ trügen „wir“ eine „besondere Verantwortung gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern.“ Der Zusammenhang wird nicht ganz klar. Weil Deutsche sechs Millionen Juden ermordet haben, tragen sie („wir“) nun eine „besondere Verantwortung“ für Palästinenser? Diese Formulierung legt nahe, dass nun die Palästinenser die neuen Juden seien, was in logischer Konsequenz die Israelis (oder die Juden?) zu den neuen Deutschen macht. Ein seltsames Verständnis von „Never Again“.
Zur Lösung des Konflikts setzt Die Linke auf Verhandlungen, die eine Zwei-Staaten-Lösung anstreben sollen. Von der EU fordert die Partei, „die Förderung von israelischen Institutionen, deren Sitz in den besetzten Gebieten ist, wäre ebenso wie der Vertrieb von Waren unter dem Label ‚Made in Israel’, die aber in den besetzten Gebieten hergestellt wurden“, einzustellen. Dies sei völkerrechtswidrig.
Die Grünen verurteilen zwar „uneingeschränkt militärische und verbale Angriffe von Hamas und Hizbollah gegen Israel“, sind sich dann aber nicht so ganz sicher, was dagegen zu tun ist. Eins ist für die Partei klar: „Deutschland (sollte) keine Politik unterstützen, die versucht, Hamas und Hizbollah durch einen Boykott bzw. militärisch zu beseitigen.“ Dies sei „kontraproduktiv“. Stellt sich die Frage, wie die ausgewiesenen Terrororganisationen sonst zu „beseitigen“ sind wenn nicht durch Boykott oder militärisch. Oder will die Partei dies am Ende gar nicht?
Die Grünen fordern die Räumung der „besetzten Gebiete“ und tritt ebenfalls für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Um dem Antisemitismus in Deutschland beizukommen setzt sie auf Begegnungen von Jugendlichen beider Staaten, und empfiehlt den Dokumentarfilm „Die Wohnung“ von Amon Goldfinger, über den diese dann zu diskutieren hätten.
Die SPD stellt ihren Antworten ein Zitat des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck voran: „Das Existenzrecht Israels steht für uns außerhalb jeder Diskussion. Dieses Recht darf von niemandem in Frage gestellt werden. Deshalb weisen wir die wiederholten Drohungen gegen Israel aus dem Iran und andren Richtungen mit Nachdruck und Entschiedenheit zurück.“ Damit bringen die Sozialdemokraten erstmals einen Faktor ins Spiel, den Linke und Grüne „übersehen“ haben: Den Iran.
Und weil ja Wahlkampf ist, kopiert die Partei einfach ausführlich aus ihrem Wahlprogramm. Darin betonen die Genossen die Wichtigkeit einer wachen Zivilgesellschaft, die nicht durch die „groteske Extremismusklausel“ in ihrer ehrenamtlichen Antifa-Arbeit behindert wird. Auf EU-Ebene wird Israel aufgefordert sich „stärker für eine engere Zusammenarbeit“ mit der EU zu öffnen. Angesichts der europäischen Boykott-Politik, sowie eine drohende Aufnahme des Israelhassers Türkei, eine wohlfeile Forderung. Es ist die EU, die sich auf Israel zubewegen muss.
Bei der FDP scheint man vom Iran, wie bei Linken und Grünen, ebenfalls nichts gehört zu haben. Nur eine „ausverhandelte Zwei-Staaten-Lösung“ könne „dauerhaft Frieden in die Region bringen.“ Dass es dem Iran, und übrigens auch anderen islamischen/arabischen Staaten wie dem Libanon und Syrien, herzlich egal ist, ob die Palästinenser nun einen eigenen Staat haben oder nicht, ist wohl auch bei den Liberalen noch nicht angekommen. Die haben nämlich vorrangig die Vernichtung Israels im Sinn, die Palästinenser sind ihnen nur politische Manövriermasse in einem Stellvertreterkonflikt, in dem auch Saudi-Arabien eine Rolle spielt. Aber man soll die „Dummheit-kann-man-nicht-verbieten“-Partei ja auch nicht überfordern.
Dafür machen die Liberalen gute Vorschläge in Sachen EU-Israel-Beziehungen. Hier fordert die Partei, die Zusammenarbeit, gerade auch auf der Ebene der Forschung, zu intensivieren. Vom technischen Know-How hätten schließlich beide etwas. Auch unterstützt die FDP „die Einbindung Israels im Rahmen der Assoziierungspolitik“ innerhalb der EU.
Bleibt die CDU/CSU, die als verlässlichste Partnerin Israels auftritt. „Die Existenz eines atomaren Irans hätte unabsehbare Folgen für die Sicherheit und Existenz Israels, den gesamten Nahen- und Mittleren Osten sowie auf Europa und die gesamte Weltgemeinschaft“, schreibt die Union und hat damit völlig recht. Aus sicherheitspolitischem Interesse sei eine atomare Bewaffnung des Irans daher zu verhindern. Eins müsse klar sein: „Nicht die Welt muss Iran beweisen, dass der Iran die Atombombe baut. Der Iran muss die Welt überzeugen, dass er die Atombombe nicht will.“
Auf EU-Ebene distanziert sich die Union von Leitlinien, denen zufolge die Finanzierung israelischer Projekte im Westjordanland, im Gazastreifen, in Ostjerusalem und auf den Golanhöhen ab Januar 2014 eingestellt werden soll. Außerdem sei Israel dort Verwaltungsmacht, ohne deren Genehmigung „Entwicklungsprojekte wie etwa Solaranlagen oder Klärwerke nicht errichtet werden könnten.“ Zum Abschluss freut sich die Union darüber, dass eine Deutsch-Israelische Schulbuchkommission auf den Weg gebracht wurde. Dies ist eine überaus wichtige und konstruktive Sache, da Israel in deutschen Schulbüchern recht einseitig zum Täter erklärt und dämonisiert wird.
Fazit: Die Fragen des Vereins Initiative 27. Januar bieten einen wichtigen Überblick über die Positionen der deutschen Parteien im Bundestag. An dieser Stelle können diese nur bruchstückhaft behandelt werden. Viel neues kommt freilich nicht dabei heraus: Dass vor allem Linke und Grüne unterm Strich mit dem Judenstaat hadern, ist bekannt und kommt immer wieder hoch, wenn es etwa um „Friedensflotillen“ oder Kennzeichnungsforderungen für israelische Waren geht. Dass die Nahost-Analyse der FDP ebenfalls reichlich unterkomplex ist, erstaunt, stellen die Liberalen doch derzeit den Außenminister. Und die SPD scheint mit der Erwähnung des Iran ein wenig über den Grass-Schock hinweggekommen zu sein. Dennoch: Deutschland unter Rot-Grün wäre für Israel ein mehr als wackeliger Partner.
Ohne Partei für irgend eine Seite zu ergreifen!!!!!
Die Aussage der Linken: „Diese betont zunächst, dass der „von Deutschen durchgeführte Holocaust (…) singulär“ sei. Die Gründung Israels sei eine Reaktion auf den Holocaust gewesen. Dann wird es merkwürdig: „Schon deshalb“ trügen „wir“ eine „besondere Verantwortung gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern.““
Man könnte es auch so verstehen und auslegen:
Da der Holocaust stattgefunden hat und mehr als 6 Millionen Juden getötet worden sind, konnten/wollten die Überlebenden nicht mehr in Deutschland bleiben oder nach dem Krieg dorthin zurückkehren. Andere Staaten wollten vielleicht auch nicht alle Flüchtenden dauerhaft aufnehmen. Daher wurde der Staat Israel gegründet. An der Stelle wo die Palästinenser lebten.
Daraus folgert: Ohne Holocaust (den es aber gegeben hat)/ Ohne Verfolgung der Juden, wäre die Gründung dieses Staates nicht nötig geworden, da die Juden nicht hätten fliehen müssen. Somit auch keine „Verdrängung“ der Palästinenser.
Da dies nicht der Fall war, so die Linke, trägt Deutschland eine Verantwortung für die Palästinenser.
(Könnte auch so gemeint sein,oder Martin? Nur eine Überlegung.)
Warum, Martin, misst du stets mit zweierlei Maß, wenn es um Israelis und Palästinenser geht?
Martin,
danke für die Information über die „Befragung“ und deren Ergebnisse.
Ob und inwieweit die Antworten, die ja nur auszugsweise wiedergegeben werden, überhaupt ein Fazit zu lassen, erscheint mir zumindest bedenklich, und wenn, dann nicht unbedingt, nicht zwingend das Fazit:“…..unter Rot-Grün ein mehr als wackeliger Partner.“
@Justin, den Eindruck habe ich nicht. Was genau meinst du damit?
Der Autor scheint offenbar ein stramm konservativer Unionsanhänger zu sein, der um jeden Preis darum bemüht ist, die FDP nicht zu gut dastehen zu lassen. Es scheint so, als ob der Autor dieses Artikels wichtige Antworten der FDP einfach weggelassen hat, weil diese ihn unglaubwürdig erscheinen ließen, wenn er die FDP intellektuell angreift am Ende.
Warum sind nicht auch Piraten und AfD befragt worden?
Der Autor wäre irgendwo zwischen Clemens Wergin, Richard Herzinger und Henryk Broder an der transatlantischen AIPAC-Front am besten aufgehoben. Aber da sein Ruhm leider nicht hell genug strahlt, heißt es erst einmal strammstehen in der 2. Reihe.
@Harald #1
Ihre Argumentation erinnert an das beliebte Assoziationsspiel, bei dem man in 5 Schritten von „Mona-Lisa“ auf „Brawurst“ kommen muß.
Zu Gunsten der Linken könnte man höchstens annehmen, daß sie sich in einem logischen Fehlschluß verpflichtet fühlt, den Schwächeren beizustehen. Das ist an sich eine noble Haltung. Allerdings nicht, wenn der Schwächere sich gebärdet wie der Schwarze Ritter bei Monty Python und es darauf anlegt, daß der Konflikt immer weiter geht.
Und vor allem dann nicht, wenn das Ganze wie im konkreten Fall einer Übersprungshandlung gleicht, bei der so ganz nebenbei auch die Schuld der Deutschen am Holocaust relativiert wird: Je schuldiger Isreal, desto unschuldiger die Deutschen.
Funktioniert übrigens auch prima mit „den Amis“.
@Dolormat23 #7
Wow! Erst im 7. Beitrag fällt der Name Henryk M. Broder. Das wurde aber auch Zeit!
Warum soll man auch Probleme diskutieren, wenn es viel einfacher ist, Feindbilder hoch zu halten?
Was H. M. B. am meisten verübelt wird, sind nämlich nicht seine Übertreibungen, seine Eitelkeit und die Neigung, für eine tolle Formulierung mal alle fünfe gerade sein zu lassen.
Was ihm wirklich verübelt wird ist, daß er äußert eloquent jede Gelegenheit aufspießt, bei der sich die Synapsen in deutschen Hirnen irgendwo zwischen Sündenstolz und Schuldabwehr verheddern.
Was mich an diesem Artikel stört ist wieder einmal, wie fast immer bei diesem Thema, diese ganz oder garnicht Einsteluing. Entweder PRO oder CONTRA Israel. Das dieser Konflikt viel zu Komplex und vielschichtig ist um ihn in schwarz und weis zu betrachten geht oft unter. Israel Existenz muss um jeden Preis geschützt werden ist die eine richtige Aussage. Israel hat trotz der Vergangenheit des Judentums keinen Weltpolitischen Freifahrtschein die andere. Beide sind irgendwo richtig. So sollten, ich nenne sie jetztz mal Antideutsche, nicht bei jeder Isrealkritik gleich „ANTISEMIT, ANTISEMIT“ schreien und Rote Linke nicht bei jeder Militäraktion seitens Israels von den „armen Palestinänsern“ reden. Was richtig und was falsch ist kann ich übrigen nicht bewerten, kann keiner hier! Ich stimme jedoch zu, die Freiheit Isreals muss geschützt werden. Isreal muss sich trotzdem demütiger denen gegenüber verhalten die zuvor dort lebten. Also kein Siedlungsbau und keine Besetzung und Schikane. Achja, und ich würde mich freuen wenn beide Seiten mal aufhören würden ihre Besitzansprüche religiös zu legetimieren! Das ist nämlich echt Kackscheisse!!!
@#5, also die FDP kommt ja nun nicht am schlechtesten weg…
„sowie eine drohende Aufnahme des Israelhassers Türkei, eine wohlfeile Forderung.“
Als ihr deutschen die Juden vergast haben, haben die Türken falsche Pässe für Juden hergestellt und diese rübergeholt.
Die türkische Armee hat mit der israelischen Armee jahrzehnte Lang zusammen trainiert, bis die Israelis auf internationalem Gewässer Menschen erschossen haben.
Die Regierung der Türkei war stets um eine gute Beziehung mit Israel bemüht.
Natürlich auch weil sie ein marionetten Staat der USA sind, aber auch, weil sie Stabilität in der Region wollen.
Deswegen haben auch die Türken 2003 den Einmarsch des US-Militärs über die Türkei in den Irak verboten.
Ich verlange dass das geändert wird.
ich verlange, dass ihr dem autor nicht mehr zuhört. ich zitiere mal a.nahles: „da da da da daaa…“
der dreht sich doch alles wie er will. dass er im kampf gegen pauschalisierungen genau dem selben kopflosen pferd aufstitz, merkt er gar nicht. da ist das was #12 Ismet Inönü sagt ein gutes beispiel für.
der autor stilisiert sich als moralische superinstanz und retter der entehrten. dabei trampelt er auf allen befindlichkeiten rum, verkürzt die zusammenhänge, entscheidet einfach schuldfragen und ätzt gegen linke. linken pauschal israel-hass zu unterstellen find ich ziemlich tendenziös. und diese zusammenstellung von partei-meinungen ist blanker populismus! und gibt auch nur wieder, was der autor vorher schon meinte. die auslegung der linken-meinung kann man mit ein bißchen weniger argwohn nämlich sehr wohl so lesen, wie das #1 Harald getan hat!
1st commandment of dog: we shall overcome!
Was keinem aufzufallen scheint ist die Tatsache, dass die Gründung Israels nicht im Holocaust wurzelt. Weshalb die Argumentation mindestens der Linken absurd ist, allerdings auch Zeugnis ablegt über die selektive Geschichtsbetrachtung, die ihr eigen ist. Wer sich kurz wie kurzweilig informieren möchte, könnte sich dieses YouTube-Filmchen ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=oVsjNzXojCM
Ansonsten schließe ich mich Martin Niewendik an und Frage: Warum wurden die Piraten und die AfD nicht gefragt? Trotzdem ein wichtiger Artikel.
Beste Grüße, Peter Zangerl von suedwatch.de
Hier:
„Damit bringen die Sozialdemokraten erstmals einen Faktor ins Spiel, den Linke und Grüne „übersehen“ haben: Den Iran.“
Und aus der Originalantwort zu Frage 2 der Grünen:
„Deutschland muss sich weiterhin zusammen mit den fünf permanenten
Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates in Verhandlungen mit dem Iran dafür einsetzen, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient.“
Die Brille ist scheinbar nicht nur stark gefärbt sondern an manchen Stellen schon gänzlich undurchsichtig 😉
@Moritätensänger: Guter Hinweis.
Diese entweder gefilterte oder ungebildete Sicht der Linken, Grünen und den von der Antifa übernommen Piraten ist aber auch schon perfide, wenn man seine Geschichtskenntnisse nicht erweitert. Man soll sie dann in der Art lesen: „Sorry, liebe Araber, es ist unsere Schuld, dass Ihr Euch jetzt mit denen abgeben müsst. Eigentlich wäre das ja unsere Aufgabe.“
Linkspartei und Grüne plädieren sonst sehr für Einwanderung, Asylrecht und multikulturelle Nachbarschaft. Aber den Überlebenden des Holocaust -und zwar exklusiv den jüdischen- sprechen sie es ab.
Man muss immer auf der Hut sein und kann dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone recht geben:
„Der neue Faschismus wird nicht sagen:
Ich bin der neue Faschismus.
Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.“