Die Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland habe ich bisher nur beiläufig verfolgt. Als langjähriger Beobachter der Sportszene ist das Thema aber natürlich trotzdem nicht komplett an mir vorbeigegangen. Das geht auch schlecht, denn das öffentliche Interesse am ‚Frauenfußball‘ ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, die mediale Präsenz dementsprechend mit. Selbst wenn man wollte, man kam an dem Thema in den vergangenen Tagen und Wochen gar nicht vorbei.
Mir fiel dabei auf, dass
der öffentlich gezeigte Optimismus in Bezug auf das Abschneiden der DFB-Auswahl im Vorfeld des Turniers riesengroß war. Entstanden ist dieser Eindruck durch die ungewöhnlich zuversichtlichen Protagonisten des DFB, aber auch durch die verbreitete Zuversicht und Erwartungshaltung in vielen Medien. Nach dem Finaleinzug der Deutschen Mannschaft bei der ‚Frauen-EM‘ im Vorjahr in London, war das Selbstbewusstsein auf allen Ebenen groß, wurde den kickenden Damen in diesem Lande insgesamt eine grandiose Zukunft vorhergesagt.
Ich habe mit ungewöhnlich forschen Tönen und Vorschusslorbeeren im Sport im Vorfeld einer Entscheidung grundsätzlich so meine Probleme. Mir gefällst es zum Beispiel schon seit Jahren nicht, dass Spieler und Offizielle ‚meines BVB‘ immer wieder mehr durch große Worte als durch große Taten auffallen. Das Ganze hat bei mir also nichts mit einer mir womöglich jetzt von einigen unterstellten ‚Frauenfeindlichkeit‘ zu tun, wenn ich jetzt hier im Blog schreibe, dass ich nach dem Ausscheiden der DFB-Elf am Donnerstag in Australien aktuell wieder einmal sehr erstaunt bin, wie krass die Stimmung rund um ein Team nach einem sportlichen Misserfolg von einem Extrem ins andere umschlagen kann.
Denn am Tag nach dem Vorrunden-Aus der DFB-Auswahl in Australien wird in der Öffentlichkeit heute vielerorts plötzlich alles in Grund und Boden geredet und geschrieben, was kürzlich noch der ganze Stolz des Landes gewesen sein soll. Auf einmal ist überall zu vernehmen, dass der DFB eh seit Jahren keinen Plan hat, die Bundestrainerin keine Ahnung hat, der bis gestern hoch gelobte Kader der DFB-Frauen über zu wenig Tiefe verfügt und der Deutsche Fußball insgesamt im Internationelen Fußball eh keine Perspektive mehr hat, von allen anderen Nationen längst ein- und überholt wurde etc.. Das erstaunt mich in dieser Ausprägung sehr, um ehrlich zu sein.
Plötzlich sieht man im Fernsehen Experten über die Entwicklung herziehen, die noch vor wenigen Tagen scheinbar vollauf überzeugt in die Kameras und Mikrofone sprachen, dass die Zukunft des deutschen Frauenteams so toll, die Titelchancen des DFB so groß und die Frauen- der Männermannschaft im Fußball aus verschiedenen Gründen inzwischen ohnehin weit überlegen sei.
Klar, hinterher ist man immer schlauer. Das Sprichwort trifft natürlich auch hier zu. Aber mich erinnert das mediale Gewitter, das in diesen Stunden auf den DFB insgesamt und die Frauennationalmannschaft im Speziellen einprasselt, ein Stück weit an eine Gruppe von Wetterhähnen, die ihre Richtung schnell entsprechend des aktuellen Geschehens ausrichtet.
Jetzt haben es scheinbar schon immer alle gewusst. Und dabei erinnern sich die, die nicht unter Gedächtnisschwund leiden, sicher noch gut an die geradezu überschwängliche Einschätzung der Mannschaft, die noch nach dem 6:0-Auftaktsieg gegen Marokko vor wenigen Tagen vorherrschte….Manchmal kann man sich echt nur noch wundern!
Wir verfolgen den FF seit mehr als zehn Jahren zwar nicht intensiv, aber beständig. Die Kritik unmittelbar nach dem Spiel war noch von dem onebigfamily-feeling, das leider die Berichterstattung zumindest im ÖRR prägt, weichgespült. Ansonsten gilt doch hier wie überall im Sport: Der Erfolg hat viele Freunde.Die Frauen wollen die gleichen Bedingungen wie die Männer erreichen. Zumindest was den Erfolg und die nachfolgenden Reaktion betriftt, ist das doch ganz gut gelungen.
Voss-Tecklenburg wird wahrscheinlich ebenso auf Ihrem Platz bleiben wie HansimGlück Flick, und auch die meisten Spielerinnen, die eher unterdurchschnittlich agiert haben, aber von den ehemaligen Kolleginnen und jetzigen Medienschafferinnen immer hoch gelobt werden, werden in der Mannschaft bleiben. Deutschland eben: Medioker, aber stolz darauf.
Was die allgemein Entwicklung des FF angeht, sehe ich eine begeisternde Entwicklung der s.g. „Kleinen“, die in dem Rauskicken von Brasilien und Deutschland einen ersten Höhepunkt erreicht hat. Und jetzt noch einen für die, die immer über die „Aufblähung“ der Turniere mit Argumenten wie „Tonga gegen Kasachstan will doch kein Mensch sehen“: In danderen Teilen der Welt werden die gleichen Argumente mittlerweile auf Deutschland verwandt, bei den Männern wie den Frauen.