Ungewöhnlich entspannte Weihnachtstage sind nun wahrlich kein Drama!

Weihnachten im Jahre 1980. Foto: privat

In diesen Tagen könnte man glatt den Eindruck bekommen, als wären die in rund vier Wochen einmal wieder anstehenden Weihnachtstage das Allertollste auf der Welt. Im Zuge der laufenden Debatten rund um die angedachte Verlängerung der Pandemie-bedingten Einschränkungen für den Monat Dezember wird um möglichst viele Freiheiten für die Feiertage gekämpft.

Fast bekommt man den Eindruck, als hinge von möglichst uneingeschränkten Weihnachtstagen nahezu alles ab, was das Leben im 21. Jahrhundert lebenswert macht.

Da fragt man sich doch: Haben die aktuell für möglichst ‚normale‘ Weihnachten kämpfenden Personen diese denn in den vergangenen Jahren noch nie wirklich mitmachen müssen, oder leben diese in einer völlig anderen Welt? Man weiß es nicht.

Das gerade in der Öffentlichkeit gezeichnete Bild von den Weihnachtstagen entspricht in der Realität doch nur in den seltensten Fällen dem erträumten Ideal von Friede, Freude, Eierkuchen. Im echten Leben hört und liest man hingegen fast immer von extremem Stress, viel Streit und großer Unlust in Bezug auf die üblichen Verwandtschaftstreffen. Diese Diskrepanz erstaunt.

Nun ist es grundsätzlich gar nicht so, dass ich Weihnachten nicht mag. Aber diese Schönfärberei, die gerade einmal wieder zu beobachten ist, die schafft aus meiner Sicht nur eine große Sehnsucht nach ein paar Tagen, die es in der Praxis so garantiert eh nicht geben wird, gar nicht geben kann. Und das hat meiner Erfahrung nach auch nichts mit Corona zu tun.

Seid jetzt bitte einmal ganz ehrlich: Wie häufig waren die Weihnachtstage in eurem Leben am Ende wirklich so, wie es einem das Idealbild aus Werbung und Hollywood-Filmen nahelegen möchte? Bei mir noch nie.

Mit meinen jetzt fast 50 Jahren habe ich schon unterschiedliche Festtage an Weihnachten erlebt. Als Kind bei den Eltern, als Bruder und Onkel bei der Familie meiner Schwester und Nichten, auch bei Oma und Opa wurde früher häufig gefeiert. Hin und wieder waren wir mit der Familie im großen Kreis auch einmal mit allen zusammen versammelt.

Aber noch nie in all diesen Varianten war Weihnachten das alle glücklich machende Fest der großen Familien-Harmonie und Glückseligkeit. Etliche Male gab es sogar richtig Streit dabei. Häufig war es aber auch ‚nur‘ nervig und anstrengend. In einigen Jahren waren die Tage auch nur schlicht langweilig.

Stets waren auch ein paar schöne, harmonische Momente mit dabei. Aber drei Tage voller purer Harmonie und uneingeschränkter Freude, die gab es zumindest in meinem Leben an Weihnachten bisher noch nie.

Häufig empfand man schon den zweiten Feiertag als recht öde, wünschte sich dann das rasche Ende der familiären Ausnahmesituation herbei. Die Kinder nervten irgendwann, die Großeltern auch. Und die einschläfernde Musik im Radio, die konnte man nach ein paar Stunden dann irgendwann auch nicht mehr hören.

Was also bitteschön soll so schlimm daran sein, wenn die Feiertage kurz vor dem Jahreswechsel diesmal nicht ganz so ausufern, wie sie das sonst häufig taten? Zumindest eben diese eine Mal.

Es könnte im Dezember 2020 sogar ein ungewöhnlich entspanntes und friedliches Fest werden, wenn man sich innerlich frühzeitig auf die besonderen Umstände in diesem Jahr einstellt, sich an den Gedanken gewöhnt, dass es halt diesmal ruhigere Tage werden.

Ich jedenfalls habe gar kein Problem mit der Vorstellung, diese Weihnachten deutlich ruhiger und mit weniger Sozialkontakten zu verbringen, als zu den Hochzeiten.

Klar, gestreamt und entspannt haben wir uns in diesem Jahr in der Mehrzahl eigentlich schon häufig genug. Aber drei weitere Tage in Ruhe und mit viel Gemütlichkeit, die machen mich nun wahrlich nicht unglücklich. Ganz im Gegenteil!

Was also das angeblich so große Opfer sein soll, dass demnächst von uns allen verlangt werden wird, das begreife ich nicht. Es ist ja auch kein Status für die Ewigkeit. Die Chancen stehen doch gut, dass wir uns an den Feiertagen in den kommenden Jahren wieder wie üblich stressen und nerven dürfen.

 

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Thomas
Thomas
3 Jahre zuvor

Kann dir absolut zustimmen. Wenn es nach mir ginge müsste man den Lockdown Light bis zum 23. Dezember verlängern und dann einen totalen Lockdown mit strengen Ausgansbeschränkungen bis zum 2. Januar. In Israel wurde das vor Rosh Hashana glaub ich gemacht. Man durfte seinen Wohnort nur bis einen Radius von 1 km verlassen. Das würde ich mir von der Regierung wünschen.

Weihnachten wurde bei uns eh immer nur sehr klein gefeiert, die wenigen Male wo die ganze Familie da war fand ich sehr anstregend und war dann immer froh wenn wieder alle weg sind. Das gleiche zu Silvester, hab die letzten Jahre im sehr kleinen Kreis gefeiert, bzw auch ganz allein. Im Grunde genommen ist es doch ein Tag wie jeder andere.

Berthold Grabe
Berthold Grabe
3 Jahre zuvor

Bei uns war und ist Weihnachten frei von solchen Erfahrungen, seit die engen christlichen Konventionen Mitte der 70ziger aufzuweichen begannen.
Ich habe mit meiner Frau darauf geachtet Weihnachten und andere Zusammenkünfte in der Familie frei von Erwartungen und nicht gewollten Konventionen zu halten.
Mit vollem Erfolg.
Bei uns gibt es deshalb weder öde noch ein leeres Haus,sondern erwachsene Kinder die gerne nach Hause kommen und das Fest mitplanen, solange sie kein eigene Familie haben.
Allerdings irritiert mich der Vergleich mit Hochzeiten, als Großfest gab es Weihnachten bei uns noch nie und ich könnte es mir auch nicht positiv vorstellen.
Es ist eher ein Fest der engeren Familie und anders nach meinem dafürhalten auch nicht sinnvoll gestaltbar.

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