Vor allem gegen Israel gingen Rechte und Linke in den vergangenen Monaten häufig zusammen auf die Straße. Bildet sich eine neue Koalition gegen Freiheit und Demokratie oder verbinden beide nur unheimliche Gemeinsamkeiten?
Das Wetter war gut, es gab Bier und Limo und auf dem Grill lagen die Würstchen. Das Sommerfest des Kreisverbandes Oberberg der Linkspartei im Juli unterschied sich auf den ersten Blick nicht von den hunderten Sommerfesten anderer Parteien in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr. Bis ungewöhnliche Gäste auf dem Fest auftauchten: Mehrere Mitglieder der Nazi-Partei Die Rechte wollten mitfeiern und -diskutieren. Ein provokanter Auftritt, wie er seit Jahren typisch ist für die Neonazis im Bergischen Land. Doch anstatt ein Platzverbot zu erteilen und die Polizei zu verständigen, kam man miteinander ins Gespräch. Fast eine Stunde lang plauderten mehrere Linke, darunter der Kreisvorsitzende der Partei, Jürgen Simeth, mit den Neonazis. Fotos zeigen sie in einer trauten Runde.
Die Nazis waren mit dem Verkauf des Gesprächs zufrieden: „Es konnten in dem konstruktiven Gespräch weitere Missverständnisse mit der Linkspartei geklärt werden, so dass wir in Zukunft auf einen vernünftigen Umgang miteinander hoffen“, schrieben sie auf ihrer Internetseite. Immerhin gäbe es ja bei vielen Fragen wie „Soziale Missstände, der Aggressionsstaat Israel, US-Rohstoff-Imperialismus, NATO-Angriffskriege“ ähnliche Lösungsansätze bei beiden Parteien. Simeth und der Landesverband der Linkspartei reagierten panisch. Simeth erklärte öffentlich, den Nazis nie eine Zusammenarbeit versprochen zu haben – was diese auch nie behauptet hatten – und der Landesgeschäftsführer der Linken, Sascha Wagner, erklärte in einer Pressemitteilung: „Für uns gilt weiterhin: Keinen Fußbreit den Faschisten! Daher sind wir besorgt um die Vorkommnisse im Oberbergischen Kreis und werden mit Nachdruck an einer lückenlosen Aufklärung der Zusammenhänge arbeiten.“
Für Fritz Ullmann sind das nur leere Worte. Ullmann war bis 2012 Mitglied der Linkspartei im Oberbergischen Kreis und sitzt heute für das von ihm mitgegründete Linke Forum im Rat von Radevormwald. „Bis heute ist nicht klar, was Simeth mit den Nazis besprochen hat.“ Dass er sich, wie Die Rechte berichtet, abfällig über Ullmann geäußert hat, glaubt Ullmann: „Die Nazis kannten nach dem Gespräch mit Simeth Interna, die sie nur von ihm haben konnten.“ Ullmann ist seit Jahren gegen Nazis aktiv, seiner Mutter drohten Rechtsradikale, das Haus anzuzünden, er selbst wurde häufig bedroht. Von seinen ehemaligen Genossen ist Ullmann enttäuscht: „Trotz aller Streitigkeiten, die wir in den vergangenen Jahren hatten, hätte ich nicht damit gerechnet, dass so etwas passiert. Das ist skrupellos gewesen.“ Was genau der Inhalt des Gespräches zwischen dem Linken-Chef Simeth und den Nazis war, weiß Ullmann bis heute nicht. Niemand bei der Linkspartei antwortet auf seine Fragen. Auch auf eine Anfrage dieser Zeitung, worum es bei der gemeinsamen Diskussion gegangen ist und ob die Linke Schritte gegen Teilnehmer des Gesprächs eingeleitet hat, gab es weder von Simeth noch vom NRW-Landesverband der Linkspartei eine Antwort. Dabei war das Sommerfest in Oberberg kein einmaliger Ausreißer eines unbedarften Provinzpolitikers: Im Juli marschierte NRW-Linken Chef Ralf Michalowsky auf einer Demonstration gegen Israel in Dortmund gemeinsam mit Neonazis. Auf einer Facebookseite des Jugendverbandes Solidder Linken, auf der zu einer antiisraelischen Demonstration in Essen am 18. Juli aufgerufen wurde, tauchten Hitlerbilder auf. Nach dieser Kundgebung zogen Teilnehmer weiter und griffen eine pro Israelische Veransttaltung an. Neben antisemitischen Parolen war auch der Hitlergruß zu sehen. Doch Nazis und andere Rechte laufen nicht nur mit der Linkspartei: Sowohl bei den neuen Montagsdemonstrationen sind sie dabei und wenn es gegen Israel geht, wird auch gemeinsam mit Salafisten marschiert.
Bildet sich eine Querfront der Feinde von Freiheit und Demokratie von ganz links mit denen ganz rechts? Burkhard Freier, der Leiter des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen, beobachtet die Entwicklung und sieht diese Gefahr derzeit nicht: „Die Neonazis sind immer daran interessiert, ihren Bewegungsspielraum zu vergrößern. Sie machen alles, von dem sie glauben, dass es ihnen nutzt.“ Gerade die Partei Die Rechte sei offen antisemitisch. „Demonstrationen gegen Israel passen da ins Bild.“ Wird allerdings gemeinsam mit Arabern demonstriert, brächen schnell Streitigkeiten zwischen den Rechtsextremisten auf: „Israel ist für die Neonazis der Feind, aber zusammen mit Ausländern auf der Straße zu protestieren, geht vielen dann zu weit.“ Für Linke sei die Zusammenarbeit mit Neonazis ohnehin ein Tabu: „Es kommt immer mal wieder vor, dass sich Linksextremisten und Neonazis bei einem Thema zusammenfinden, aber es gibt keine Absprachen oder gemeinsame Strukturen.“
Die sieht auch der Düsseldorfer Rechtsextremismus–Experte Alexander Häusler nicht: „Es gibt keine Querfrontstrategie. Es gibt sie nicht bei den Nazis und keine Linke Gruppe würde je mit Rechtsradikalen zusammenarbeiten.“ Aber, sagt Häusler, es gebe nun einmal ideologische Berührungspunkte, die dazu führten, dass es immer mal wieder vorkomme, das Linke und Rechte gemeinsam demonstrieren würden: „Ein krudes, antiimperialistisches Feindbild einiger Linker trifft sich mit dem kruden antiimperialistischen Feindbild vieler Rechtsradikaler: Da geht es dann gegen die USA, die ja angeblich von den Juden an der Ostküste gelenkt werden und gegen Israel. Wenn dann, wie im Sommer, die Lage im Nahen-Osten eskaliert, kommt das alles hoch.“ Dann sähe man Mitglieder der Linkspartei und Neonazis gemeinsam auf Demonstrationen. Das sei vor allem ein Phänomen in Nordrhein-Westfalen, wo die Linkspartei sich in ihrer harten Ausrichtung gegen Israel von anderen Landesverbänden unterscheide: „Im Osten wäre das undenkbar.“ Anders sei die Situation bei den neuen Montagsdemonstrationen, die seit dem Frühjahr auch in Nordrhein-Westfalen in vielen Städten stattfinden: „Diese neuen Montagsdemonstrationen sind ein ideales Einfallstor für Rechte: Dort wurden vom ersten Tag an antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und gesellschaftliche Konflikte sehr fragwürdig behandelt.“ Hier gäbe es für Neonazis, aber auch für andere rechten Gruppen gute Anknüpfungspunkte. Das haben auch die Rechten erkannt: Dortmunder Neonazis sind Stammgäste auf der dortigen Montagsdemo und loben die Offenheit der Veranstalter: „Auch, wenn es sich nicht um eine traditionelle „rechte“ Bewegung handelt, wird ein Großteil der Positionen von nationalen Gruppierungen getragen – eine Möglichkeit, an die Proteste anzuknüpfen und nach Möglichkeiten zu unterstützen, ohne sie aber zu vereinnahmen.”
In Essen schwärmte das AfD –Mitglied Johannes Paul von der Vergesellschaftung des Bodens und dem Ende der Zinswirtschaft. Im Juli wählte die AfD ihn als sachkundigen Bürger in Bochum in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Dass er im Wahlkampf einen AfD-Kritiker mit einer Pistole bedrohte, störte ebenso wenig wie das Auftreten auf den Montagsdemonstrationen. Auch in Nazikreisen ist eine Querfrontstratgie zur Zeit kein Thema. Christian Worch, der Vorsitzende der Nazi-Partei Die Rechte, sieht nur punktuelle Überschneidungen: „Auch in unserer Partei gibt es Mitglieder, die antisemitisch orientiert sind. Und das ist ein Standpunkt, der Teilen der Linken nicht ganz fremd ist.“ Aber bei den Linken sei der Antifaschismus zu stark verankert: „Da gilt die Regel, dass man nicht mit Nazis spricht.“ Für Worch ist der Grund klar: „In den 20er Jahren wechselten mehr Kommunisten zu den Nationalsozialisten als umgekehrt. Die Angst, dass sich das wiederholen könnte, sitzt wohl noch tief.“ Ein bekannter Neonazi ging in der Bundesrepublik diesen Weg. Michael Kühnen, in dessen Tradition auch die Nazi-Partei Die Rechte steht, war einst Mitglied der KPD -nahen „Liga gegen den Imperialismus“. Nach seinem Austritt aus dem linksradikalen Zirkel in den 70er Jahren wurde er Neonazi. Eine Querfront von Linken und Rechten war immer Kühnens Ziel. Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag
Stefan,
wenn die extreme Linke und die extreme Rechte in enigen aktuellen politischen Fragen gemeinsame Positionen vertreten, dann ist das „das Eine“. Und das kann, selbstverständlich, auch per historischem Rückblick, Anlass sein, dem „auf den Grund zu gehen“.
Das „Andere“ ist für mich, daß sich nunmehr neben der Partei „die Linke“ eine neue „rechte Partei“ zu etablieren scheint, nämlich die AFD.
Mitglieder und Anhänger der Partei „die Linke“ grenzen sich von den Sozialdemokraten durch „radikale sozialistische“ Positionen ab, die die SPD aufgrund ihres derzeitigen Selbstverständnisse als „Partei der linken Mitte“ nicht vertreten kann, nicht vertreten will.
Mitglieder und Anhänger der „AFD“, die ich als national-konsvertative Partei“ definiere und rechts von CDU/CSU einordne, können sich sich von der CDU aufgrund des derzeitigen Selbstverständnisses der „Merkel-CDU“ abgrenzen, weil sie nationale und konsvertative Positionen vertritt, die die CDU nicht mehr vertreten kann, nicht mehr vertreten will.
Insofern ist die Existenz der AFD für mich so selbstverständlich wie die der Partei „die LINKE“.
Beide Parteien sind für mich grundsätzlich weder nach ihren Parteiprogrammen noch nach ihren konkretgn Zielen „extreme Parteien“ im Sinne von „verfassungsrechtlich/verfassungspoltisch“ gefährlich.
Und wenn diese beiden Parteien, ich unterscheide hier also bewußt zwischen diesen Parteien und sog. Rechts- udn Linksradikalen, in Fragen der aktuellen Politik zu gemensamen Antworten kommen -Russland/ Ukraine; Israel-Palästina; Kriegseinsätze der Bundeswehr; innere Sicherheit-, dann ist das m.E. in erster Linie ener pragmatischen (populistischen?- Einschätzung/Bewertung dieser Probleme zu begründen -aus der Sicht der LINKEN und der AFD-. Zu erinnern ist daran, daß es in der Mitgliederschaft und unter den Anhängern auch der anderen Parteien Viele gibt, die jedenfalls in den angesprochen Problembereichen ähnliche Positionen vertreten wie sie dazu von der LINKEN und der AFD vertrreten werden.
Ich registriere insofern insgesamt „ein normaler politischer Zustand“, der mich nicht besorgt, im Gegensatz zudem, was von der von mir sog.extremen Linken und extremen Rechten zu hören ist.
Daß beide Parteien, die einen an ihrem „linken Rand“, die andere an „ihrem rechen Rand“, immer wieder Probleme haben, haben werden, sich von den jeweiligen Extremisen abzugrenzen „liegt in der Natur der Sache“.
Gab es schon ähnliche Gespräche von DieRechte und DieLinke in Dortmund? Würd mich nicht wundern, wenn es auch da entsprechende Schnittpunkte gibt…
@Hubi: Nein, gab es nicht. Es gab nur eine antiisraelische Demonstration, auf der man gemeinsam marschierte.
Ein weiterer Prominenter dem mühelos der Wechsel von ganz links nach ganz rechts gelang ist der Rechtsanwalt und frühere RAF-Verteigiger Horst Mahler.
Kein Wunder wenn man sich die Bekennerschreiben und Pamphlete der RAF zu Gemüte führt.
Die Klammer zwischen beiden Lagern ist auch hier der Antisemitismus.
Na, dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Leute, die vom RAF-Umfeld bzw. als 68er bei Rechtsradikalen landen. Der ehemalige Linksextremist und Terrorist Bernhard Falk (heute: Dortmund), der eine vieljährige Haftstrafe absitzen musste, „wandelte“ sich noch im Gefängnis zum „Islamisten“. In Dortmund könnte er prima eine Front zwischen islamisten, Rechtsradikalen und Linksradikalen zimmern. Ideologisches Verbindungsglied könnte der Antisemitismus sein:
http://www.derwesten.de/politik/islamist-aus-dortmund-droht-mit-glaubenskrieg-id6745450.html
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