„Unser Rechtsstaat und die Demokratie werden von der islamistischen Ideologie mehr und mehr angegriffen“

Christina Kampmann Foto: SPD NRW

Unsere Gastautorin Christina Kampmann (SPD) ist Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag und war von 2015 bis 2017 Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.

Anschlagspläne auf Austragungsorte der Europameisterschaft, Hasspredigten in nordrhein-westfälischen Moscheen, unverblümte Forderungen auf Demonstrationen nach Errichtung eines Kalifats, Informationen über Radikalisierung von jungen Menschen im Internet – diese Ereignisse stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem weiten Feld besorgniserregender islamistischer Geschehnisse in den letzten Monaten in Nordrhein-Westfalen dar. Sie zeigen deutlich: Der Islamismus ist eine zunehmende Bedrohung für unsere Gesellschaft. Als menschenverachtende Ideologie verbreitet er Intoleranz, Verblendung und Hass und steht mit seinem religiösen Absolutheitsanspruch im Widerspruch zu all unseren Werten einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Deshalb ist er von uns mit aller Entschiedenheit und mit allen Mitteln, die uns im Rechtsstaat zur Verfügung stehen, zu bekämpfen.

Dass sich davon ein friedlich gelebter Islam als religiöse Weltanschauung ebenso deutlich abgrenzt wie z.B. der christliche Glaube oder eine atheistische Weltanschauung, ist dabei insbesondere dann zu betonen, wenn die Bekämpfung von Islamismus von rechten politischen Kräften instrumentalisiert wird, um Hass und Hetze zu betreiben! Die Bekämpfung islamistischer Bestrebungen darf deshalb niemals zu einem pauschalen antimuslimischen Rassismus führen!

Dabei ist wie immer klar: Eine effektive Strategie gegen Islamismus setzt sich aus präventiven und repressiven Maßnahmen zusammen. Einige Überlegungen und Forderungen dazu, was in der Bekämpfung des Islamismus in Nordrhein-Westfalenpräventiv möglich und repressiv nötig ist, möchte ich im Folgenden darlegen.

Hinter dem Wort „Islamismus“ verbirgt sich eine Vielzahl im Auftreten und den Ausprägungen unterschiedlicher Gruppierungen: So gibt es islamistische Gruppen, die ihre Wertvorstellungen gewaltfrei zu verbreiten versuchen, aber gleichwohl Werte propagieren, die sich mit demokratischen Grundvorstellungen von einer pluralistischen, gleichberechtigten Gesellschaft und einem säkularisierten Staat schlicht nicht vereinbaren lassen.

Auf der anderen Seite steht der extremistische, gewaltvoll agierende Islamismus wie z.B. der Salafismus und Jihadismus. Terrorgruppen wie der ISPK („Islamischer Staat – Provinz Khorasan“) potenzieren die Gefahr ihrer Inhalte noch durch deren gewaltsame, nicht selten auch mörderische Umsetzung. Die jihadistische Ideologie ist nach wie vor ein Nährboden für terroristische Gewalt.

Das Gefahrenpotenzial dieser extremistischen, menschenverachtenden Ideologie und ihrer Verbreitung spiegelt sich auch im kürzlich veröffentlichten Lagebild Islamismus. Der Bericht enthält alarmierende Informationen über die Verbreitung und Vorgehensweise der unterschiedlichen islamistischen Gruppierungen, die mittlerweile in Deutschland und Nordrhein-Westfalen Fuß fassen konnten.

Die aktuelle Konfliktlage in Nahost und die diversen Reaktionen des islamistischen Spektrums in Nordrhein-Westfalen instrumentalisieren weit über das Kernklientel hinaus, indem gewaltbejahende, gegen Israel und die jüdische Bevölkerung gerichtete Meinungen öffentlich kundgetan und neue Radikalisierungsdynamiken ausgelöst werden.

Eine von den politischen Verantwortlichen bisher immer noch zu wenig beachtete Gefahr stellt dabei die Verbreitung islamistischer Inhalte in den Sozialen Medien dar.  In den Sozialen Medien inszenieren sich verschiedenste Akteure immer häufiger als Influencer mit schlichten, reaktionär-patriarchalischen Wertvorstellungen, deren Sprache und Erscheinungsbild Anlehnung an die Rap-Kultur nimmt. Kurzweilige, eingängige und leicht zugängliche Medien erlauben es, ihre Inhalte an einen großen Adressatenkreis zugänglich zu machen.  Damit gelingt es auch der islamistischen Szene, junge Menschen mit ihren Denkweisen und Einstellungen zu erreichen, die zuvor keinerlei Bezug zur islamistischen Szene hatten. Der niedrigschwellige Zugang zu den Denkweisen erlaubt es, diese auch in ein nicht konsequent islamistisch ausgerichtetes Leben zu integrieren.

Darum benötigen wird dringend verstärkte Präventionsmaßnahmen in den sozialen Medien. Die Ergänzung der Online-Komponente beim Projekt „Wegweiser“ stellt einen guten Anfang dar, auf dem wir uns aber nicht ausruhen dürfen. Deshalb muss politischer Ansatzpunkt die Stärkung von Medienkompetenz und Dialogfähigkeit insbesondere der jungen Bevölkerung sein. Nur so können junge Menschen gegen islamistische und radikale Inhalte immunisiert werden.

Um diese Medienkompetenz zu fördern, ist die Schule ein zentraler Ort, an dem die Demokratie „erlebbar gemacht“ und junge Menschen befähigt werden können, sich kritisch mit Informationen und digitalen Inhalten auseinander zu setzen. In diesem Umfeld besteht die Möglichkeit, unabhängig vom Weltbild oder der Ideologie, die durch das Elternhaus oder das Umfeld vermittelt wurde, das eigenständige Denken zu schulen und individuell auszuprägen. Insgesamt muss die Prävention viel stärker ganzheitlich gedacht werden und somit neben der Bildung und der Wissenschaft auch die Eltern und die Gesellschaft mit einbezogen werden.

Aber wir müssen auch auf repressiver Seite mehr tun. Ein wichtiges Instrumentarium zur Bekämpfung des politischen und religiösen Extremismus sind Verbote, wie zuletzt im November 2023 das Betätigungsverbot gegen die HAMAS und das Vereinsverbot gegen „Samidoun Deutschland“, die die HAMAS unterstützt hat, durch die Bundesinnenministerin. Diese Verbote zeigen Wirkung in verschiedene Richtungen: Sie schwächen die extremistischen Organisationen und setzen ein Zeichen gegen Extremismus als Ausdruck unserer wehrhaften Demokratie. Gleichzeitig stellen diese Verbote die Grundlage für gefahrabwehrrechtliches Einschreiten der Sicherheitsbehörden etwa im Versammlungskontext dar.

Weil der Extremismus heute vornehmlich im Netz und in den Messenger-Diensten stattfindet, müssen die Sicherheitsbehörden als Frühwarnsystem organisatorisch, technisch und rechtlich weiterentwickelt werden. Hierzu sind finanzielle und personelle Ressourcen nötig.

Um die Frühwarnfunktion und die Verfolgung noch effektiver zu gestalten, müssen zudem die Befugnisse der Sicherheitsbehörden für die Aufklärung und Analyse sozialer Medien an die Lage und die Vorgehensweisen der Extremisten angepasst werden. In unserem Rechtssaat muss hier abgewogen werden zwischen freier, privater Kommunikation und den Sicherheitsinteressen des Staates. Es bedarf nicht „mehr“, sondern einer angepassten Überwachung.

Unser Rechtsstaat und die Demokratie werden von der islamistischen Ideologie in den letzten Monaten und Jahren mehr und mehr angegriffen. Aber sie sind auch wehrhaft und stellen Mittel bereit, um diesen Angriffen mit Nachdruck entgegenzutreten und sie abzuwehren. Wir müssen allerdings wachsam bleiben, die Gefahren ernst nehmen und die Mittel anpassen und auch nutzen. Präventiv wie repressiv! Auf der Straße wie im digitalen Raum!

 

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