Unstatistik des Monats: Diesel, Stickstoff und 6000 Tote

Dieselmotor in einem alten Indianapolis 500-Rennwagen Foto: I, The359 Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Unstatistik März 2018 sind die 6000 angeblichen Stickstofftoten im Jahr 2014 in Deutschland. Eine Studie, die im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt wurde, will herausgefunden haben, dass 5996 Bundesbürger an Herz-Kreislauf-Krankheiten vorzeitig verstorben seien, die sie sich durch NO2-Belastung zugezogen hätten. Die methodischen und konzeptionellen Mängel dieser Studie wurden schon an anderer Stelle kritisiert, unter anderem bei„Spiegel online“ und welt.de, sowie kabarettistisch aufgespießt bei „Nuhr im Ersten“ in der ARD (ab Sendeminute 24:40). Die Zahl 6000 ist das Produkt einer reinen Modellrechnung; es gibt zwar die Vermutung, aber keinen Nachweis, dass NOzum Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Kaum ein Arzt hat bisher die NOx-Belastung als Todesursache angegeben.

Die Stickstoff-Debatte läuft einseitig und mit Gedächtnisverlust: Früher haben wir uns um CO2 und das Ozonloch gesorgt und deswegen den Diesel gepriesen; heute sorgen wir uns um NOx und preisen das Elektroauto. Dabei übersehen wir, dass jede Technik Vor- und Nachteile hat, wie eine frühere Veröffentlichung des Umweltbundesamtes veranschaulicht. Ein Elektroauto mit 250 km Reichweite verursacht in Deutschland derzeit weit mehr Treibhausgasemissionen als ein Diesel, vor allem wegen der Strombereitstellung und des Energieaufwands für die Produktion (in Frankreich ist das wegen des Atomstroms anders, aber dieser ist in Deutschland mehrheitlich unerwünscht). Auch ohne Elektroautos schätzt das Umweltbundesamt, dass die NOEmission der herkömmlichen Kraftfahrzeuge bis 2030 um 56 Prozent niedriger sein wird als im Jahr 2014 und die Feinstaub-Emission sogar um 82 Prozent niedriger – alleine durch die Verbreitung der Euro-6 Norm und Partikelfilter. Sollte es 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge geben, wie im Nationalen Entwicklungsplan angestrebt, dann fällt dies vergleichsweise wenig ins Gewicht, mit einer zusätzlichen Abnahme von 12 und 4 Prozentpunkten bei NOx und Feinstaub.

Belastungen durch Feinstaub und NOx sind vergleichsweise gering

Am Ende ist es hilfreich, sich die Risiken vergleichend anzusehen. Die Feinstaub-Produktion von drei Zigaretten ist zehnmal so hoch wie jene, die am Auspuff eines alten Ford Mondeo Euro-3 Diesel eine halbe Stunde lang gemessen wurde. Ein Adventskranz mit vier brennenden Kerzen kann bereits die Grenzwerte für NOx überschreiten.

Weiterhin sei betont, dass die Zahl der durch ein Risiko gleich welcher Art verstorbenen Menschen selbst bei korrekter Berechnung nur ein sehr irreführender Indikator für die Gesundheitsgefahren ist, die von dieser Risikoquelle ausgehen. Denn diese Zahl kann selbst dann zunehmen, wenn die Gefahr selber abnimmt – ganz einfach dadurch, dass andere Risiken ausfallen. Mit diesem Argument hatten wir bereits die 13 Millionen Umwelttoten der Weltgesundheitsorganisation zur Unstatistik Dezember 2017 gekürt.

Die großen Killer heutzutage sind Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel und ungesundes Essen. Die von Umweltschützern immer wieder betonten Gefahren durch Feinstaub oder Pflanzengifte sind dagegen in Deutschland relativ klein. In dieser Debatte gibt es nur zwei Fakten, die von niemandem zu bestreiten sind: Die Belastung durch Umweltschadstoffe einschließlich Stickstoff nimmt in Deutschland seit Jahrzehnten ab und die Deutschen leben im Durchschnitt immer länger. Diese Erfolge sollten wir würdigen, statt uns durch Schreckensnachrichten und Panikmache verunsichern zu lassen.

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
6 Jahre zuvor

Passend zur Unstatistik ein Interview mit Prof. Dr. sc. techn. Thomas Koch (KIT).

Das schlimme an der Geschichte ist, wie hier Vertrauen in Institutionen verspielt wird. Wer sich fragt wo die ganzen Aluhüte herkommen, hier ist ein Grund. Dem BUA könnte man den Ehrenaluhut verleihen.

ke
ke
6 Jahre zuvor

Es ist für mich nicht nur das Vertrauen in die Institutionen, das hier verspielt wurde.

Es ist insbesondere auch ein Armutszeugnis der Nachrichtenredaktionen. Die Meldung war für mich beim ersten Hören im Radio derart unplausibel, dass ich mich gewundert habe, wie so eine Nachricht überhaupt in die Nachrichten kommen konnte.

Demnächst wird das Ergebnis von einer astrologischen Studie, Kaffeesatzleserei und Bleigießen als Meganachricht veröffentlicht.

Das gilt übrigens für viele Studien etc., bei denen nur das Fazit veröffentlicht wird. Gibt es heute überhaupt kein wissenschaftliches Arbeiten und keine Beschäftigung mit Statistiken in der Journalistik Ausbildung? V
Für das Kopieren von Pressemitteilungen brauchen wir keine öffentlich rechtlichen Rundfunk und auch keine Magazine. Der Leser merkt dies auch.

Wer wundert sich da noch, dass die Aluhüte vermutlich nur noch reduziert werden können, wenn mal wieder Studien zum Krebsrisiko von Alu veröffentlicht. werden.

Insbesondere Herr Nuhr ist einfach großartig, da er diese Hysterie immer wieder wunderbar aufbereitet.

jpjea
jpjea
6 Jahre zuvor

Fakt ist, es stinkt und man muss husten, wenn man hinter einem Diesel herläuft oder fährt. Das muss nicht sein. Jeder der riechen und atmen kann, merkt wie schädlich die Gase sind und keiner kann behaupten, er habe von nichts gewusst und gedacht er fährt einen ÖkoSUV (sic!). Wer die neuen Grenzwerte als falsch ablehnt, der kann ja wieder in eine Höhle einziehen und über offenem Feuer kochen. Gruß an die ewig gestrigen.

Stefan Laurin
Admin
6 Jahre zuvor
Reply to  jpjea

@jpjea: Diesel haben Filter – sie riechen seid Jahren nichts mehr. Sie haben Ökoparanoia.

ke
ke
6 Jahre zuvor

@3:
Transport ist meistens mit Umweltauswirkungen verbunden.
Das war bei den Pferdekutschen so, ist bei den Autos so etc. Dann gibt es noch den Platzbedarf.

Natürlich ist es ökologisch eine Katastrophe mit 2 Tonnen Stahl etc. einen Menschen zu transportieren. Ein Fahrrad ist hier sicherlich sinnvoller. Auch mit E-Motor.

Es ist natürlich gut, wenn die Luft besser wird. Aktuell erreichen wir aber Level in der Diskussion, die jeden Sinn verfehlen. Insbesondere bei den Stickstoffdioxiden.
Wichtig wäre hierbei auch mal genauer zu forschen wo eigentlich die Ursachen liegen, wenn Stadtbewohner bspw. statistisch ein paar Tage Lebenszeit verlieren, weil sie an einer Strasse leben.

Auch fehlt Forschung zu den Ultra-Feinstäuben.

Bebbi
Bebbi
6 Jahre zuvor

Wie wäre es mit einer Quellenangabe?

Mit einer kleine Recherche bestätigt sich, dass dahinter ein medienpräsenter Dortmunder Statistik-Prof aus dem Umfeld der AfD steht, der ständig aus "Kann man nicht belegen" die falsche Schlussfolgerung "Ist dann definitv so nicht" zieht.

Wenn Journalisten eine Modellrechnung als Zählung verkaufen ist nicht die Modellrechnung das Problem ("Unstatisik") sondern die verkürzte Berichterstattung, die genauso effektheischerisch ist wie manche Berichte bei den RB gegen "Ökos".

Stefan Laurin
Admin
6 Jahre zuvor
Reply to  Bebbi

@Bebbi: Die Quelle ist das KWI. Der Leiter des KWI ist Christoph M. Schmidt, der Sprecher der Wirtschaftsweisen.

Bebbi
Bebbi
6 Jahre zuvor

Aber Herr Schmidt hat mit der Reihe "Unstatistik" nichts zu tun sondern 3 Herren mit Professoren-Titel. http://www.rwi-essen.de/unstatistik/ Aber Professoren-Titel sagen nicht so viel aus, wie viele glauben.

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