Ruhr-IHKs stellten 111. Konjunkturbericht zur Ruhrlage in Bochum vor.
Der Fachkräftemangel wird zum größten Risiko für die Unternehmen im Ruhrgebiet. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des 111. Ruhrlageberichtes, der am 20. Oktober 2023 bei der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet in Bochum vorgestellt wurde. Die Unternehmen im Ruhrgebiet leiden darüber hinaus unter einer nur langsam abflachenden Inflation, einer sinkenden Nachfrage im In- und Ausland und beklagen die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Zugleich schätzen die Unternehmen das Risiko steigender Rohstoff- und Energiepreise deutlich geringer ein als noch zu Jahresbeginn. Die Konjunkturumfrage der fünf IHKs im Ruhrgebiet stützt sich auf Antworten von 737 Unternehmen mit fast 110.000 Beschäftigten.
Der Fachkräftemangel macht den meisten Befragten zu schaffen: 62 Prozent der Unternehmen sehen sich hier herausgefordert. Tatsächlich können 49 Prozent der Unternehmen derzeit offene Stellen längerfristig nicht besetzen. Insbesondere werden Arbeitskräfte mit abgeschlossener dualer Ausbildung gesucht, 52 Prozent der Unternehmen können offene Stellen mit dieser Qualifikation nicht besetzen. 66 Prozent der Unternehmen erwarten diesen Mangel in Zukunft nur durch Mehrbelastung ihrer jetzigen Belegschaft ausgleichen zu können. Folgerichtig erwarten deshalb 65 Prozent auch steigende Arbeitskosten.
Auch das Risiko hoher Energie- und Rohstoffpreise bereitet den Unternehmen weiterhin Kopfzerbrechen, auch wenn hier der Wert von 72 auf 59 Prozent gesunken ist. Besonders die Industrie ist, bedingt durch ihre Rohstoff- und Energieintensität, mit einem Wert von 71 Prozent stark betroffen. Sorge bereiten den Unternehmen auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Im Vergleich zur Befragung zu Jahresbeginn bewerten 53 Prozent der Befragten diese als großes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens. Das sind neun Prozentpunkte mehr als im Februar 2023. Deutliche Bewegung gab es auch bei der Einschätzung von Finanzierungsrisiken: Hier stieg der Wert von zehn auf 15 Prozent.
Veränderung gab es auch bei der Einschätzung der Geschäftslage. Nur noch 28 Prozent der Unternehmen bewerten diese als gut – nach 31 Prozent in der vorangegangenen Befragung. Bemerkenswerter ist allerdings, dass mittlerweile 21 Prozent der Befragten ihre Geschäftslage als schlecht einschätzen. Im Februar waren es gerade einmal 15 Prozent. Auch bei der erwarteten Geschäftslage lässt sich erkennen, dass die Unternehmen pessimistischer in die Zukunft blicken. Nur noch 14 Prozent erwarten eine gute Geschäftslage (vormals 16 Prozent). 30 Prozent fürchten eine schlechte Geschäftslage (vormals 28 Prozent).
Der Umfrage zufolge ist der IHK-Konjunkturklimaindex, der Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung, um sechs auf insgesamt 95 Punkte gefallen. Damit ist der Wert auf einem ähnlichen Niveau wie im ersten Corona-Herbst 2020 (96), allerdings noch immer weit entfernt vom Negativrekord (77) im Herbst 2022.
„Die Ergebnisse unseres aktuellen Ruhrlageberichts decken sich mit denen zahlreicher anderer Umfragen: Die Unternehmen im Ruhrgebiet blicken deutlich pessimistischer in die Zukunft, weil die nötigen politischen Signale fehlen, die aktuelle Situation zu verbessern“, sagt Philipp Böhme, Präsident der IHK Mittleres Ruhrgebiet. „Und sie rücken wieder ein Thema in den Fokus, das uns in den kommenden Jahren noch viel stärker beschäftigen wird: den zunehmenden Mangel an Fach- und Arbeitskräften.“ Die IHK Mittleres Ruhrgebiet hat in diesem Jahr die Federführung der Ruhr-IHKs inne. „Die Inflation tut ihr Übriges und sorgt dafür, dass sich die Menschen im Ruhrgebiet in Kaufzurückhaltung üben. Das macht sich natürlich vor allem bei Handel und Dienstleistungen bemerkbar.“
Aber es gebe auch gute Nachrichten, so Böhme weiter. „Die Angst vor weiter steigenden Energiepreisen treibt deutlich weniger Unternehmen um.“ Hier zeigten die von der Bundesregierung angeschobenen Maßnahmen zur Versorgungssicherheit weiterhin Wirkung, sagt der IHK-Präsident. „Den Unternehmen machen aber die Finanzierung von Investitionen sowie die steigenden Zinsen Sorgen.“
Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, bewertet die Ergebnisse des aktuellen Ruhrlageberichtes als klares Signal, dass die Politik jetzt handeln muss: „Deutschland droht den Anschluss bei der wirtschaftlichen Entwicklung im europäischen Vergleich zu verlieren. Den Unternehmen reißt allmählich der Geduldsfaden.“ Es werde viel versprochen, aber wenig gehalten, so Bergmann. „Der Abbau bürokratischer Hürden geht nicht voran und es mangelt an allen Ecken und Enden an Verlässlichkeit.“
Um zum Beispiel den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, müsse in Deutschland mehr für die Willkommenskultur getan werden und Hürden abgebaut werden. „Nur so können unsere Unternehmen ausländische Fach- und Arbeitskräfte leichter anwerben und zum Bleiben überreden sowie Geflüchtete schneller in den Betrieben integrieren“, so Bergmann weiter. Hinzu komme gerade im Ruhrgebiet die Gefahr weiter steigender kommunaler Steuern und Abgaben wegen klammer städtischer Kassen. Bergmann: „Ideale Rahmenbedingungen sehen anders aus.“
Die Niederrheinische IHK mit Hauptsitz in Duisburg wird im kommenden Jahr die Federführung der Ruhr-IHKs übernehmen. „Für unsere Wirtschaft wird das ein spannendes, aber sicherlich kein einfaches Jahr. Politische Unsicherheiten und Wettbewerbsdruck auf die deutsche Wirtschaft werden uns auch 2024 beschäftigen. Die EU-Wahl im Mai könnte zudem wichtige Akzente setzen“, erläutert Matthias Wulfert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK.