Unterwegs zu Leiharbeitern – es wird kalt

Foto. flickr.com / Mananis Welt

In der vergangenen Woche war ich bei Leiharbeitern unterwegs. Es war traurig, was ich gesehen habe. Womit Menschen leben müsen, welche Verträge sie unterschreiben sollen und unterschreiben.

Ich fang an Abdelmajid Hadjeri. Der 58-jährige hat eingefallene Wangen, graue Haare und dunkle, traurige Augen. Er scheint einer der Menschen zu sein, die lieber schweigen, als zu reden. Abdelmajid Hadjeri ist gelernter Maschinebautechniker. Als Facharbeiter hat er 35 Jahre in Fabriken gearbeitet. Wegen einer Erkrankung musste er in Frührente. Weil die zu klein ist, muss er sich etwas als Leiharbeiter dazu verdienen. Hadjeri lebt in Wuppertal, in einer kleinen Wohnung mit seiner Frau. In der Lokalzeitung fand er ein Jobangebot bei einer Zeitarbeitsfirma. Er fuhr hin.

Was Hadjeri dann erlebte, ärgerte ihn so stark, dass der Mann anfängt zu sprechen: „Wir prangern Kinderarbeit und Ausbeutung in der dritten Welt an. Doch hier in Deutschland haben wir Hungerlöhne.“

In einer Eidesstattlichen Versicherung, die mir vorliegt, beschuldigt Hadjeri die Firma Gens Personalmanagement in Wuppertal ihm einen Stundenlohn in Höhe von 2,71 Euro Brutto als Fahrer angeboten zu haben. „Ich sollte drei Schichten von Leiharbeitern  zur Arbeit fahren und wieder abholen“, sagt Hadjeri. „Sie sind nicht der erste, der für diesen Lohn arbeitet, haben sie mir gesagt. Sie suchen Arbeit, nicht wir.“ Dann sei ihm noch ein Extraverdienst von 20 Cent Brutto je gefahrenen Kilometer in Aussicht gestellt worden, wenn er für die Arbeit seinen Privatwagen nutzen würde. Hadjeri wiederholt: „20 Cent Brutto“. Die Firma Gens wollte den Fall nicht kommentieren.

Leiharbeit ist in Deutschland seit der Liberalisierung unter dem damaligen Arbeitsminister Wolfgang Clement ein großes Geschäft geworden. Ursprünglich sollten Firmen durch die flexible Arbeit schnell ein paar Hände anheuern und feuern können, je nach Bedarf Die Idee im Sinne der Agende 2010 war es, damit eine Brücke in den Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose zu bauen. Tatsächlich aber leiden selbst die Stammbelegschaften unter der Mietarbeit.

Seit 2003 ist jede dritte neue Stelle ein Job in der Leiharbeit. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im Sommer über 720.000 Menschen in der Zeitarbeit aktiv. Dabei werden die Arbeiter nicht direkt in einer Fabrik beschäftigt, sondern bei Personalagenturen, die dann ihre Arbeiter in die Produktion ausleihen.

Jetzt, seit Beginn der Krise werden rasant Zeitarbeiter entlassen. Christian Iwanowski von der IG Metall in Düsseldorf schätzt, dass allein in den vergangenen drei Wochen mehrere zehntausend Leiharbeiter ihren Job verloren haben. „Die Zahl der Beschäftigten ist sicherlich weit unter 700.000 gefallen.“ Besonders die Kollegen in der Automobilbranche seien betroffen. „Wenn eine Leihfirma ihren Auftraggeber verliert, kann sie ihre Arbeiter nur in seltenen Fällen in einem anderen Werk unterbringen. Dann werden die Leute frei gesetzt.“

Man kann das auch anders ausdrücken. Der Bundesverband der Zeitarbeitsfirmen lobt die Leihmalocher als Puffer für eine atmende Fabrik: Wenn die Fremdfirmen im Abschwung aus der Produktion abgezogen würden, könnten schließlich Stammarbeitsplätze gesichert werden.

Manchmal ist das auch völlig OK. Es gibt hochqualifizierte Ingenieure in Leiharbeitsfirmen, die sich über die größere Unabhängigkeit bei ihren Vermietern freuen. Und leicht neue Jobs finden, wenn das nötig wird.

Aber es gibt die Massen der anderen Malocher. Die am unteren Ende der Nahrungskette stehen. In Köln wurden gerade 370 Leiharbeiter auf einen Schlag entlassen. Ford hatte keine Jobs mehr.

In Bochum ist es kalt an diesem Morgen. Novemberkalt und es regnet. Dieter Reinhard kommt aus dem Tor der Firma Johnson Control in Bochum, Haldenstraße. Er dreht sich kurz um und geht zur Bushaltestelle. Das erste was an ihm auffällt, sind seine Hände. Die Finger sind dick, geschwollen, aufgeplatzt. Reinhard arbeitet hier beim Autozulieferer Johnson Control am Band. Er zieht Schaumstoff über Autositze, krempelt die Ränder um. Dabei reiben sich die Handrücken im Stoff. „Irgendwann blutet es. Danach bildet sich Hornhaut. Dann tut es nicht mehr so weh“, sagt Reinhard.

Er will nicht seinen Job verlieren. Deswegen macht er weiter. Jeden Tag. Für 6,53 Euro in der Stunde. Brutto. Reinhard hat jetzt gegen 13:00 Uhr Feierabend. Um drei Uhr in der Frühe ist aufgestanden, um den Bus um vier nicht zu verpassen. Seine Schicht beginnt zwar erst um kurz nach Fünf, aber die Bahn könnte sich verspäten.

Und wenn er zu spät zur Schicht kommt, muss er eine Vertragsstrafe zahlen. So steht es in seinem Arbeitsvertrag, der dieser Zeitung vorliegt, unter Paragraph 13. Selbst wenn er kündigen will, müsse er eine Vertragsstrafe an die Firma Wahl Personal-Service zahlen. So haben es ihm die Disponenten erzählt. Die Leute, die ihn vor Ort einsetzen.

Reinhard kommt deshalb lieber pünktlich. Dann muss er keine Angst haben. In diesem Jahr hat er schon in zwei anderen Fabriken gearbeitet. Wenn die Autozulieferer keine Arbeit mehr haben, muss er sich zu Hause neben das Telefon setzen. Und zweimal am Tag in der Leihfirma anrufen. Auch das wird vertraglich bei Androhung einer Geldstrafe verlangt.

Geld gibt es für die Wartezeit am Telefon nicht. „Wir haben Zeitkonten“, erzählt Reinhard. „Wir arbeiten immer mehr als die vereinbarten 35 Stunden, ohne dass es mehr Geld gibt. Wenn es dann keine Arbeit gibt, müssen wir die Zeit absitzen.“ Freizeitausgleich nennt sich das.

Reinhard hat eine Frau. Er bekommt „wenn alles gut läuft“ 931 Euro netto. Davon wird aber noch die Firmenbusfahrkarte abgezogen. Minus 70 Euro. Und der Pfand für die Stempelkarte. 10 Euro. Jetzt ist Reinhard ruhig, fast wortkarg: „Was soll ich denn machen? Irgendwie bin ich frustriert. Wenn die Arbeit keinen Sinn macht, was kommt dann?“

Die IG Metall bemüht sich um Leiharbeiter. In jedem Bezirk sind Sekretäre angestellt, die versuchen sollen, Kontakt zu den Männer und Frauen am Band herzustellen. Christian Iwanowski aus Düsseldorf ist einer von ihnen. Er sagt, dass die Leiharbeiter oft Angst hätten, mit den Gewerkschaftern offen zu sprechen. Nur mühsam gelinge es, Vertrauen aufzubauen. „Ein Problem ist es, dass die Leiharbeiter nur selten einen eigenen Betriebsrat haben, der sie vertritt.“ Die Menschen seien vereinzelt. Ausgeliefert. Wer sich beschwert, fliegt raus. Einmal aus dem Betrieb entlassen, verlieren sie den Kontakt zu Kollegen und Gewerkschaft. Man kann es so sehen: ein Leiharbeiter ist nur ein Arbeitslose auf Widerruf.

Damit nicht genug. Die meisten Billiglöhner leiden unter der Ausgrenzung durch ihre angeblichen Kollegen. Den Stammbelegschaften nehmen die Männer und Frauen am Band als unerwünschte Konkurrenz wahr. Als Bedrohung der eigenen Arbeit.

Bei Johnson Control beispielsweise gibt es so gut wie keine Angestellten mehr in den unteren Lohngruppen. Dafür sind die Mietmalocher nachgerückt. „Wir sind wie zweite Klasse Menschen“, erzählt Reinhard. Er selbst traut sich kaum weg vom Band. „Eine Zigarettenpause ist so gut wie nicht drin.“ Reinhard hat Angst, dass ihn einer anschwärzt. In seinem Arbeitsvertrag steht unter Paragraph 15, dass ihn fast jeder Vorgesetzte feuern kann. Der Niederlassungsleiter im Betrieb etwa oder der Disponent vor Ort. „Die sagen uns immer, dass es genug Leute gibt, die unseren Job wollen. Ich fühle mich, wie der letzte Dreck.“

In Wuppertal hat sich Abdelmajid Hadjeri nicht mit dem Niedriglohn von 2,71 Euro abgefunden. „Ich bin nach dem Personalgespräch direkt zur Gewerkschaft gegangen“, sagt er. Die hat dann eine Anzeige gegen Gens Personalmanagement gestellt. Der Vorwurf: „Lohnwucher“ nach Paragraph 291 Strafgesetzbuch.

Eigentlich darf es Minilöhne nicht geben. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht die gleiche Behandlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft vor. Doch in der Praxis kann diese Gleichbehandlung durch einen nach unten nicht begrenzten Tarifvertrag abgelöst werden. Die meisten Firmen haben sich deshalb einem Tarifvertrag angeschlossen, den die Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit mit dem Arbeitgeberverband Mittelständische Personaldienstleister geschlossen hat. Da werden Löhne von weniger als acht Euro zugelassen, während die Stammbelegschaften gut das Doppelte für die gleiche Arbeit kriegen.

Niedrigarbeiter Reinhard glaubt nicht an einen Schutz aus dem Tarifvertrag. Er erlebt die niedrigen Löhne. Und als er einmal Fieber hatte, wollte er sich pflichtgemäß bei seiner Firma abmelden. Dort sagte man ihm: „Glauben Sie, der Job wartet auf Sie?“

Es ist Abend geworden. Reinhard sitzt nach einem Fußballspiel in einer Kneipe. Ein Sieg wird gefeiert. Der Leiharbeiter trinkt ein Wasser. Dann verabschiedet er sich leise. Er geht, wenn bevor die anderen ihr zweites Bier bestellen.

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Jens König
16 Jahre zuvor

„Wenn die Arbeit keinen Sinn macht, was kommt dann?“ Vermutlich Revolution.

Spass beiseite. Ich kann mich genau erinnern, dass Leiharbeit damals mit grossen Versprechungen durchgeboxt wurde. Ja, das ist ein Grund mehr, Clement für einen ziemlich üblen Gesellen zu halten (nicht nur, weil der Mann von Technik keine Ahnung hatte).
Tatsächlich ist Leiharbeit eine Methode, das Betriebsverfassungsgesetz, das Kündigungsschutzgesetz etc. ausser Kraft zu setzen, zumindest für bestimmte Arbeitnehmergruppen.

De facto, nur eben nicht de jure, sind die Leiharbeitnehmer zu 90% in genau den Unternehmen angestellt, in denen sie auch physikalisch arbeiten. Sie haben zwar einen Vertrag mit dem Verleiher, aber ausser bei der Unterzeichnung sehen sie ihn nie. Wenn das Versprechen, dass, wenn eine Stelle bei Unternehmen A wegfällt, der Leiharbeitgeber sie an Unternehmen B vermittelt oder einfach bezahlt zuhause lässt (was auf eine Form der Arbeitslosenversicherung hinauslaufen würde) gehalten würde, könnte ich das kaum behaupten. Allerdings werden Leiharbeitnehmer sofort gekündigt, wenn ein Unternehmen, welches diese ab und öfter angefragt hat, pleite macht oder den Standort schliesst.
Beispiel dafür (aber nicht das einzige) war Nokia, sämtlichen dort eingesetzten Leiharbeiter wurden nach Ankündigung der Unternehmensführung, keine Leiharbeiter mehr abzurufen, gekündigt. Sofort. Da gab es keine anderen Jobs. Nur und ausschliesslich bei Nokia, und das über Jahre.
Deshalb waren diese Menschen de facto bei Nokia angestellt.
Und hier komme ich zur obigen Behauptung zurück: Diese Arbeitnehmer fielen nicht in die Abfindungsregelung, die der Betriebsrat mit der Unternehmensführung ausgehandelt hat. Sie fielen nicht unter den Kündigungsschutz, den sie als normale Angestellte eigentlich gehabt hätten. Diese Menschen kamen in keine Beschäftigungsgesellschaft.

Die Leiharbeiter, und das ist das Allerschlimmste daran, hatten nicht einmal eine Lobby. Unfähig oder zu resigniert, sich gewerkschaftlich zu organisieren, einen Betriebsrat zu gründen oder überhaupt Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, sind sie die grössten Verlierer. Und ich werde den Eindruck nicht los, dass man mit Absicht die Resignierten, die Unfähigen und die Hilflosen vom Rest abgekoppelt hat, raus aus der Arbeitnehmersolidarität (denn der Leiharbeiter wird als der empfunden, der seinen Job unsicher macht und die Löhne drückt). Und keine Gewerkschaft rührt auch nur einen Finger für die.
Man hat eine neue, riesige Schicht von Wehrlosen geschaffen, denen keiner mehr hilft, nicht einmal mehr der Kumpel am Band.

Man könnte vielleicht die Zeitarbeit abschaffen. Die Revolution fällt mit den Resignierten jedenfalls aus.

Arnold Voss
16 Jahre zuvor

Und die, die Leiharbeitsfirmen aufgemacht haben, haben sich viele Jahre dumm und dusselig verdient. Und alle, die das gesetztlich eingestielt haben, wussten bzw. konnten wissen, dass genau das alles passiert.

Jürgen Klute
16 Jahre zuvor

Wie in der Schrift „Wirtschaftsdemokratie“ von Fritz Naphtali von 1928 nachzulesen ist, hat die 1927 eingeführte Arbeitslosenversicherung nicht nur die Funktion gehabt, denen, die ihre Erwerbsarbeit verloren haben, ein Überleben zu ermöglichen. Sie hatte vielmehr auch die politische Funktion als „Lohn erhaltendes“ Element die während einer Konjunkturkrise noch Beschäftigten vor grenzenloser Lohndrückerei zu schützen (und darüber hinaus noch die volkswirtschaftliche Funktion, die Kaufkraft nicht gänzlich abstürzen zu lassen). Mit der Deregulierung der Leiharbeit durch die Hartz-Reformen und durch Hartz-IV ist diese von Naphtalie beschrieben lohnerhaltende Funktion der Arbeitslosenversicherung (in Kombination mit der Arbeitslosenhilfe) zielgerichtet zerstört worden.

Noch eine Anmerkung zu den von David Schraven angesprochenen so genannten christlichen Gewerkschaften, die sich sehr beim Lohndumping durch Leiharbeit engagieren: Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in einem Beschluss vom 16. Dezember 1955 christlichen Gewerkschaften eindeutig eine Absage erteilt und das Modell der Einheitsgewerkschaft des DGB unterstützt. Hier wären auch die Kirchen gefragt, eindeutig gegen das Agieren der so genannten christlichen Gewerkschaften Stellung zu beziehen und deutlich zu machen, dass ihr Agieren im Widerspruch zu christlichen Werten bzw. evangelischer oder katholischer Sozialethik steht und dass christliche Gewerkschaften keine Unterstützung der Kirchen haben.

Jürgen Klute

Anette Jung
Anette Jung
16 Jahre zuvor

Die „Leih“arbeit betrifft längst nicht mehr nur die „Gering“qualifizierten. Aus eigenem Erleben kann ich von einer auf Ingenieure spezialisierten Leiharbeitsfirma aus Herne berichten, die auch Ingenieure zu Dumpinglöhnen (Leiharbeitstarif für Fensterputzer laut IG Metall)“verleiht“. Die Firma brüstet sich dann noch damit, dass ihre Ingenieure seit zig Jahren z.B. bei Fa. Ude in Dortmund in einem „eigenen“ Büro arbeiten. Verdienstspanne der Leiharbeitsfirma rund 1000,- ? pro Monat und Leiharbeiter (Betrag, den ich gesehen habe).
Das sollten sich alle „Hoch“qualifizierten klarmachen – sie werden von diesem System genauso systematisch ausgebeutet, wie ihre Kollegen. Es ist keiner „abgesichert“ – da hilft nur noch solidarisch gegen diese unmenschlichen Zustände angehen.

Hier noch ein Auszug, was mir einer zugesendet hat:
Auf dem Globalismus-Kongreß in San Francisco 1995 wurde beschlossen, daß nur noch 20
Prozent aller Menschen in der globalistischen Welt Arbeit haben sollen: „Ein Fünftel aller Arbeitssuchenden werde genügen, um alle Waren zu produzieren und die hochwertigen Dienstleistungen zu erbringen, die sich die
Weltgesellschaft leisten könne. Diese 20 Prozent werden damit aktiv am Leben,
Verdienen und Konsumieren teilnehmen – egal, in welchem Land. … 80 Prozent
der Arbeitswilligen ohne Job? ‚Sicher‘, sagt der US-Autor Jeremy Rifkin.“
(Die Globalisierungsfalle, Rowohlt, Hamburg 1996, Seite 12)

Das sagt doch wohl alles.
Ein neues Gesellschaftsmodell muss her, denn Geld ist ja wohl genug für alle da.

Anette Jung
Anette Jung
16 Jahre zuvor

Oh – Ich vergaß anzugeben, dass man einen Vertrag bei der Leiharbeitsfirma unterschreiben muss und man aber nicht weiß, was _die_ mit der Ausleihfirma ausgemacht haben. D.h. es ist meistens so, dass die eine Ausschlussklausel haben, nach der der ausgeliehende Arbeitnehmer _nicht_ von der Ausleihfirma übernommen werden darf. Deswegen werden die Leiharbeiter dann auch nach Jahren immer noch nicht von der Ausleihfirma übernommen und sie finden auch sonst keine adäquat bezahlten Arbeitsplätze…

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
16 Jahre zuvor

Jetzt warte ich noch auf einen Kommentar von Stefan Laurin …

Stefan Laurin
Admin
16 Jahre zuvor

@Michael: Bestellt – geliefert: Besser ein Scheißjob als kein Job und beim Amt Danke sagen müssen…Ich habe jeden Respekt vor diesen Leuten die arbeiten, obwohl es sich kaum lohnt und bin dafür, dass sie von einer negativen Einkommenssteuer profitieren, so dass der Abstand zu denen die nix tun höher wird. Im übrigen: Halten sich Unternehmer nicht an Gesetze gehören sie wie alle anderen bestraft. Ganz einfach…(Und die geschilderten Verträge sind meiner Ansicht nach sittenwidrig) Im übrigen ist der Leiharbeitsunsinn ein Effekt des starren Arbeitsrechtes in Deutschland, das den der einmal draussen ist nur sehr schwer wieder reinlässt. Und es gibt nur ein Rezept gegen miese Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen und das heißt: Wachstum – blöd nur, dass es damit in den kommenden Zeit schlecht aussieht. Umso bessere Gründe für die Zukunft auf Branchen zu setzen die Wachstum versprechen, in Bildung zu investieren und mit der teuren Folklorewirtschaft im Bergbau, der Landwirtschaft etc. aufzuhören.
Bis zum nächsten Mal… 🙂

Jens König
16 Jahre zuvor

Negative Einkommensteuer? Ja gerne!
Hat allerdings den Nachteil, dass die Arbeitgeber sich darauf einstellen (Hey, neuer Arbeitnehmer, klar stell ich dich zu einem geringeren Gehalt als die anderen ein, aber wat willze denn, der Staat zahlt doch für dich mit) wie das bei allen subventionierten Dingen so ist.
Trotzdem macht das Sinn, den Verlauf der Einkommenssteuer in einem negativen Bereich fortzusetzen. Darüber könnte man auch das Grundeinkommen/Mindestsatz (wie man’s auch nennt) steuern.
Die grüne Kurve in https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bild:Grenz-undDurchschnittsEStsatzD2008.svg&filetimestamp=20080909153238 hört nach unten bei einem Einkommen von 7665 Euro auf, unter diesem Einkommen müsste es eigentlich prozentual wieder was dazugeben (negative EkSt).

(Anm.: Ich sehe darüberhinaus überhaupt keinen Grund, warum bei 45% Schluss gemacht wird. Solange man sicherstellt, dass wer mehr verdient, auch mehr übrigbehalten darf, kann man meinetwegen den Grenzsteuersatz auf 99,99% setzen.)

Das löst allerdings auch nicht das Problem der Ausbeutung durch Arbeitgeber. Selbst eine Solidarisierung der Arbeitnehmer hierzulande, so dass die unteren Lohngruppen eine Stimme bekommen, die auch gehört wird, reicht nicht mehr aus. Selbst wenn sich alle Leiharbeiter organisieren und Betriebe lahmlegen um ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen, bleibt immer noch die Globalisierung, die ihnen einen Strich durch die Rechnung macht. Solange Arbeitnehmer weltweit sich gegenseitig unterbieten, bleibt den Arbeitgebern immer noch der Schritt ins Ausland. Und die Arbeitnehmer weiterhin erpressbar.

Und an Anette:
„Auf dem Globalismus-Kongreß in San Francisco 1995 wurde beschlossen, daß nur noch 20 Prozent aller Menschen in der globalistischen Welt Arbeit haben solle“
Das muss gar nicht von bösen Globalisten beschlossen werden, was ein Unsinn. Das kommt automatisch durch technischen Fortschritt.
Der Traum des Menschen, dass die Maschine für ihn die Arbeit übernimmt, wird so zum Albtraum, denn die Maschinen gehören nicht den Menschen an deren Stelle sie die Arbeit verrichten, sondern dem Kapital.
Was ist bloss schiefgegangen?

Arnold Voß
Arnold Voß
16 Jahre zuvor

Jens, auch wenn sie den Menschen gehören würden, deren Arbeit sie ersetzen, gäbe es das Problem der zu vielen und von was diese Leben sollen, wenn die Arbeit für sie nicht mehr da ist. Weltweit gesehen wäre das Problem nicht mal durch eine radikale Umverteilung zu lösen. Wenn allerdings alle Menschen auf den Lebensstandard gebracht werden sollen, den wir z.B. zur Zeit in Deutschland haben, gäbe es trotz Automatisierung noch genug Arbeit für alle (zumnindest für die kommenden 100 Jahre), dafür aber den ökologischen Kollaps der Erde.

Strategisch scheint mir da nur eine Richtung möglich. Viel weniger Recourcenvebrauch durch viel weniger Menschen mit viel mehr Bildung die wiederum viel weniger arbeiten (müssen). Aber welche Macht der Welt könnte (und wollte) das durchsetzen? So läuft das Ganze zunehmend auf einen brutalen Ausleseprozess hinaus. Die am besten Gebildeten, gesundheitlich fittesten und sozial Brutalsten werden über bleiben. Deswegen schicken die, die über genügend Geld und/oder Macht verfügen ja ihre Kinder auf die besten Schulen und Universitäten, geben ihnen die beste Ernährung, halten sie zu sportlicher Tätigkeit an (gegebenenfalls mit personal trainer) und sozialisieren sie zu durchsetzungsstarken Persönlichkeiten.

Das Problem ist nur, das die Welt die da am Ende überbleibt auch denen nicht mehr gefallen wird, die es gechafft haben.

Jens König
16 Jahre zuvor

Arnold: D’accord. Bis auf das mit „genug Arbeit für alle“. Nein, die Automatisierung wird weiter zunehmen, sogar die Automatisierung des Automatenbaus. Mit einem weltweit gleichen Lebensstandard wie in D wird es in 100 Jahren auch nur Arbeit für (raten wir mal ins blaue) 20% geben.

Richtig ist zwar, dass es an vielen vor 10 Jahren noch von Robotern hergestellten Waren inzwischen wieder viel Handarbeit in asiatischen Fabriken gibt, aber wir hatten ja steigenden Lebensstandard, also auch steigende Lohnkosten angenommen, so dass dieser Bereich wieder verschwinden wird.

Dass der Ressourcenverbrauch verringert werden wird, ist physikalisches Muss, denn irgendwann ist nur noch nachwachsender Rohstoff vorhanden.
Der brutale Ausleseprozess hat natürlich schon längst begonnen, auch da gebe ich Dir Recht. Nicht aber, dass denen dann ihre Welt nicht gefällt. Das sind die brainwashed Brainwasher (R. A. Wilson wäre stolz auf den Begriff;)

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
16 Jahre zuvor

Natürlich verkürzt Stefan Laurin wieder einmal das Problem, das im Kern das Problem darwinistisch-selektiver Verteilung bleibt. So versteh ich Arnold Voss´Zeilen.

Es genügt nicht, Respekt vor ungerecht behandelten Menschen zu haben, es reicht nicht hin, ihnen die Drecksarbeit für Minilöhne zuzubilligen, es ist unwürdig, nicht von Arbeit sondern von negativen Steuern leben (trotz Arbeit!) zu müssen.

Der neoliberale Ungeist versucht sich noch im Untergang seiner selbst zu überleben.

Jens König
16 Jahre zuvor

Nachtrag zu Anettes und meinem Beitrag vom 9.12.:
Selbigen Tags erschien auf https://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29286/1.html ein Artikel, der genau das gleiche beschreibt (nein, ich hab den vorher nicht gelesen;), aber was den angeblichen „Beschluss“ der „Globalisten“ etwas anderes beschreibt: Hier ist es eine These, die Politiker Wirtschaftler etc. auf Einladung der Gorbatschow-Stiftung vorgestellt haben. Das macht auch ein bisschen mehr Sinn als ein Beschluss.

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