Wie berichtet, steht der Landrat des Kreises Recklinghausen, Jochen Welt (SPD), im Verdacht, seine Ausbildung zum Heilpraktiker vom Kreis finanzieren zu lassen. Das geht nicht. Nun hat Welt die Kommunalaufsicht in der Bezirksregierung Münster gebeten, seinen Fall zu untersuchen. Er hat ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. Die Behörde untersucht deshalb, "ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens vorliegen."
Das spannende daran: es kann durchaus sein, dass sich Welt die Ausbildung juristisch legal über einen Topf für Weiterbildung hat bezahlen lassen dürfen. Aber dies ändert nichts an der moralischen Fragwürdigkeit seines Tuns, den Begriff der Weiterbildung überweit zu strapazieren.
Die Idee, sich einen Persilschein über ein Diziplinarverfahren abzuholen zieht nicht, wenn die Menschen unabhängig von der juristischen Frage verstehen, dass es einfach nicht OK ist, wenn sich ein Landrat aus der Kasse seiner Verwaltung eine Ausbildung zum Ersatzmediziner bezahlen läßt.
Was sagt dazu der Mann von der Ecke, Herr Welt? Das ist die richtige Frage, nicht die Frage nach einem Ablass aus Münster.
Heilpraktiker als Ersatzmediziner zu bezeichnen ist eine Überhöhung ihrer Fähigkeiten. Ziel der heipraktikerprüfung ist es nicht festzustellen, ob sie heilen können sondern nur, ob sie nicht allgemeingefährlich sind. Irgendeine Ausbildung ist aber immerhin kein Hinderniss für jemanden, der Heilpraktiker werden will, muss aber auch nicht sein. Volksschulabschluss genügt.
Der Satz mit der Prüfung und der Allgemeingefährlichkeit ist gut. Sollte man auch für Politiker einführen – wegen der Allgemeingefählichkeit ….
Es ist in der Tat ein wenig befremdlich, dass Welt nicht etwa erklärt, dass er eben keine Ausbildung über den Kreis abgerechnet hat, sondern sich darüber erregt, dass die Akten ohne seine Kenntnis an die Staatsanwaltschaft gelangt sind.
Es bleibt auch nicht weniger befremdlich, wenn lediglich Michael K. auf Kosten des Kreises zum Heilpraktiker geadelt wurde.
Prinzipiell finde ich es gut, dass jemand den „Mut“ findet nochmal was Neues anzufangen.
Andererseits finde ich es sehr merkwürdig, dass ein Landrat nicht in der Lage ist für eine Weiterbildung oder sollte man eher sagen, eine Neigungsbildung, aus seinen eigenen Mitteln aufzukommen.
Sich dann noch darüber zu wundern, dass ein Kontrollorgan seiner Aufgabe gerecht wird, seine Erkenntnisse den entsprechenden Behörden zur Verfügung stellt und diese dann eine Untersuchung einleiten, ist doch genau das was jeder Bürger erwartet.
Wenn Kontrollorgane versagen oder ihr Wissen für sich behalten, was dann passiert, sieht man im Moment doch global.
So gesehen ist Herr Welt ein kleiner Fisch. Aber bei den Schwierigkeiten, welche die Gemeinde und Kreise im Ruhrgebiet haben, muss man schon auch darauf achten, dass relativ kleine Beträge nicht sinnlos zum Fenster rausgeschmissen werden, erst recht, wenn dies in recht dubioser Verantwortungslosigkeit, auch den Bürgern gegenüber, gemacht wird.
Wie sagt der Volksmund: „Auch Kleinvieh macht Mist“. Und viele kleine, „nicht genehmungsfähige- oder würdige“ Ausgaben führen auch zu leeren Kassen.
Ist es nicht erstaunlich, dass sich Mitarbeiter des Personalamtes des Kreises Recklinghausen erst jetzt trauen, auf Mißstände im Umfeld des Landrates aufmerksam zu machen, wo der Amtsinhaber kurz vor seinem Abgang steht. Wäre es nicht ihre „Beamtenpflicht“ gewesen, sofort auf offensichtliche Unregelmäßigkeiten in dem Zuständigkeitsbereich ihres obersten Vorgesetzten hinzuweisen? Aber bereits die Vorkommnisse im Amtsbereich des Dortmunder Oberbürgermeisters (Falschabrechnungen von Jubilargeschenken durch die kokainsüchtige Bürgermeisteramtsmitarbeiterin)zeigten bereits, dass die Mittelverwendung rund um den Chef intern wenig geprüft oder bemängelt werden. Wahrscheinlich glauben auch die Rechnungsprüfer, dass es für ihre Karriere wenig hilfreich wäre, wenn sie dort genauer hin schauen würden. Ich vermute, dass auch politische Aufsichtsgremien nicht wirklich wissen wollen, ob und wie die Verwaltungsspitze sich – neben ihren öffentlichen Spitzengehältern – zusätzlich aus dem lfd. Etat selbst bedienen lässt. Es soll bereits Verwaltungen im Kreis Recklinghausen geben, bei denen die Abrechnung der Besoldung und sonstigen Zuwendungen für den Verwaltungsvorstand nicht mehr im Personalamt sondern in den Personalabteilungen der stadteigenen Tochtergesellschaften (Stadtwerke, Softwareunternehmen) erfolgt. Warum wohl? Man will sich vor interner Kontrolle schützen. Übrigens sind dort dann die Korruptionsbeauftragten meist selbst Begünstigte dieses Systems, weil sie dem Verwaltungsvorstand und gleichzeitig der Geschäftsführung bzw. dem Aufsichtsrat dieser städtischen Gesellschaften angehören. Prinzip: die Kontrolleure kontrollieren sich selbst und ihre Untergebenen mucken sich nicht bzw. schieben ihrem Chef unaufgefordert Wohltaten (z.B. Abrechnungen von Aufwendungen, die dienstlich nicht gerechtfertig wären) zu, weil sie an ihr Weiterkommen denken.
Die gegen Mitarbeiter im Kreis eingeleiteten Disziplinarverfahren zeigen doch: Wehe du deckst die Ungereimtheiten im Umfeld deines obersten Chefs auf.