Uraufführung auf PACT: Monument 0.5 – The Valeska Gert Monument

 

Eszter Salamon in „Valeska Gert Monument“ (Foto: Ursula Kaufmann)

Am 13.10. fand auf PACT Zollverein die Uraufführung des neuen Stückes von Eszter Salamon statt. Die ungarisch-deutsche Tänzerin, Performern und Choreographin beschäftigt sich im fünften Teil ihrer großabgelegten Monument-Reihe mit Valeska Gert. Gert avancierte im Berlin der 1920er Jahre schnell zu einer Ikone des modernen Tanzes. Ausgehend vom Ausdruckstanz einer Isadora Duncan und Mary Wigman entwickelte Valeska Gert eine eigene Form des Grotesktanzes, den sie mit experimentellen Elementen des Kabaretts und Varietés verband. Dabei waren ihre Themen meist provokant und explizit erotisch. Ihre Beschäftigung mit weiblicher Sexualität macht sie auch zu einer Vorreiterin der Emanzipation und sexuellen Befreiung der Frau. Mit dem Erstarken des Nazionalsozialismus wurden ihre Auftrittsmöglichkeit schnell geringer. Sie wurde als entartete Künstlerin eingestuft und war zudem Jüdin. 1933 emigrierte Gert in die USA. Zwar fand sie dort unter Künstlern Förderer – zum Beispiel Tennessee Williams – konnte allerdings nicht recht Fuß fassen. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs kehrte Gert nach Deutschland zurück und eröffnete zunächst in Berlin, später aus Sylt Nachtklubs, in denen sie nicht mehr selbst auftrat, sondern die Kellnerinnen und Kellner auch als Showacts agierten. Unter anderen entdeckte sie den jungen Klaus Kinski. An die Bedeutung, die sie vor dem Krieg hatte, konnte Gert aber nie wieder anknüpfen und geriet fast in Vergessenheit, bis in den 1970ern langsam eine Wiederentdeckung einsetzte. Verantwortlich dafür ist auch Gerts Mitwirken in Filmen von Fellini und Volker Schlöndorff, der ihr mit einem Dokumentarfilm ein frühes Denkmal setzte.

Eszter Salamon zeigt in ihrer Performance in einer episodischen Aneinanderreihung einzelne Aspekte des Lebens und Werkes von Valeska Gert, bis hin zur originalgetreuen Rekonstruktion von Nummern der Künstlerin. Als Basis der Auseinandersetzung mit der historischen Person dient Salamon dabei eine umfangreiche Recherche. Der Zuschauer, der sich vorab vielleicht nur über YouTube und Wikipedia auf den Abend vorbereitet hat, wird sich aber in dem präsentierten Material und den Anspielungen gut zurecht finden.

Zu Beginn des Abends sitzt Salamon mit weißem Anzug, schwarzer Perücke mit Fransenpony und übergroßer weißer Krawatte auf einem schwarzen Postament und liefert eine beeindruckende Vokalartistik-Nummer, in der sie den Begriff „entartete Kunst“ immer weiter in Silben, Morpheme und Buchstaben zerlegt, neu zusammensetzt und verdreht. Interessanterweise erinnert Salamon in Kostüm und Auftreten nicht nur an Valeska Gert, sondern auch stark an Laurie Anderson. Ob diese historische Linie zwischen den Performancekünstlerinnen intendiert ist?

Nach einem kurzen Black meldet sich die zweite Performerin, Boglàrka Börcsök, aus dem Zuschauerraum mit einer berühmten Säuglingsimitation von Valeska Gert. Damit ist auch bereits die Struktur des Abends vorgegeben. Blacks trennen die einzelnen Episoden, die mehr oder weniger zusammenhanglos aufeinander folgen. Das hat über etwa eine Stunde hinweg durchaus seinen Reiz, da die Einzelteile wie etwa die beiden urkomischen Nackt-Zirkusnummern von Boglàrka Börcsök – erst zeigt sie minutenlang ihren heftig wackelten Po, dann vollführt sie erstaunliche Kunststücke mit ihren Brüsten – oder auch ihre Kinski-Imitation spektakulär sind. Allerdings zieht sich die letzte halbe Stunde des 90minütigen Abends in die Länge. Vor allem, weil es in Tempo und Stimmung kaum Schwankungen gibt und die starre Szenendramaturgie keinen Wechsel zwischen Spannung und Entspannung hergibt. Das mag im Sinne des „Monuments“ konsequent sein, wird aber irgendwann schlicht anstrengend. Insbesondere nachdem die beiden Performerinnen gemeinsam einen tragikomische Aufzählung verlesen haben, in der es bitterironisch darum geht, wovon die Nazis die Juden befreit haben. Hier hat der Abend eigentlich einen eindrucksvollen Schlusspunkt, doch dann reihen sich weitere Nummern, die an sich gar nicht uninteressant sind, aber doch immer zäher wirken, an. Etwas mehr dramaturgischer Bogen hätte sicherlich gut getan.

Weiterer Termin: 14.10., 20 Uhr, PACT Zollverein

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