Am 19.12. zeigte das Tanz- und Performanceduo hartmannmüller im Tanzhaus NRW in Düsseldorf die Uraufführung seines neuen Stückes „In noT“. So depressiv wie der Titel auf den ersten Blick klingt, ist es jedoch keinesfalls. Und wer das umfangreiche virale Marketing von hartmannmüller im Vorfeld mitverfolgte, weiß, dass es ohne einen subtilen, schrägen Humor bei den beiden Folkwang-Absolventen ganz sicher nicht über die Bühne geht. Nicht zufällig unterlegten sie die Trailer für das neue Stück mit der Titelmusik des rosaroten Panthers. Blake Edwards und Peter Sellars stehen auch auf der Bühne Pate, freilich nicht als direktes Zitat, sondern als geistige Väter, als Urgrund perfekten Timings und feinsinnig reduzierten Witzes.
In noT setzt insgesamt auf extreme Reduktion. Tanz ist das Stück nur noch im Sinne von extremer Präzision selbst in minimalen Bewegungsabläufen. hartmannmüller erzählen im weitesten Sinne eine Geschichte. Auf weißem Tanzboden, der sich bis auf drei Meter auch an der Rückwand hochzieht, stehen ein weißer Stuhl und Tisch, auf dem sich zunächst ein in Plastikfolie gewickeltes Objekt befindet (Bühne: Felix Ersig). Daniel Ernesto Müller betritt mit einem Alukoffer die Bühne, befreit das Objekt von der Folie – ein ungestalteter Haufen Ton kommt zum Vorschein – und macht sich mit verschiedenen Werkzeugen aus dem Koffer daran zu schaffen. In nur wenigen Gesten entwickelt sich hier eine wunderbare Parodie auf die Kunstproduktion. Zuletzt ist der Lehmberg zwar immer noch nur ein formloser Haufen, nun aber mit zwei Stierhörner versehen und eine Federmaske hängt daran. Müller geht ab. Die menschenleere Bühne, die der Regie allgemein als basaler Fehler gilt, hier ist sie perfekt gesetzter Moment, in dem sich plötzlich das Objekt zu drehen beginnt und durch einen Lichtwechsel mit Aura aufgeladen wird.
Schließlich betritt Simon Hartmann die Bühne. Er wartet, wartet lange, nimmt auf dem Stuhl platz, wartet wieder, ein Anruf, dann schläft er ein. Und dann folgt eine Traumsequenz, in der er dem Lehmobjekt näher kommt, gefährlich nahe, um schließlich mit ihm eins zu werden, als Minotauros auf der Bühne herumtorkelnd und dann zum leblosen Teil des Kunstgegenstandes werdend. Ganz zuletzt kriecht unter dem Tisch ein neuer Wartender hervor.
Das Erstaunliche an diesem einstündigen Abend ist die überragende Genauigkeit, mit der die wenigen minimalen Aktionen gesetzt sind, stets perfekt zu jenem Zeitpunkt, an dem das Nichtereignis unerträglich zu werden droht. Und winzige Gesten, die oft nur etwas andeuten, entwickeln gerade dadurch, dass der Zuschauer lange auf sie wartet, ihre volle Wirkung. Genauso, wie das Wortspiel im Titel „In noT“ das auch für „In Ton“ steht, sich erst ganz zum Schluss erschließt. hartmannmüller zeigen hier eine auf charmanteste Weise kluge wie komische Arbeit über das Verhältnis zur Kunst. Nicht nur das von Betrachter zu Objekt, sondern gleichermaßen von Zuschauer zur Bühne.
Weitere Vorstellungen: 20., 21.12., 20 Uhr
Tickets: Tanzhaus NRW