Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ließ sich bei der Neufassung seiner Richtlinie für Sanitärräume von der Transgender-Lobby instrumentalisieren. Aufgrund gesetzlicher Regelungen seien neue Konzepte für Sanitärbereiche erforderlich, behauptete der Verein im Entwurf, und empfahl für öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärräume „grundsätzlich“ eine „geschlechterunspezifische Nutzbarkeit“. Damit wäre der Abschaffung von Frauentoiletten der Weg geebnet worden. Von Initiative Geschlecht zählt.
Gegen dieses Vorhaben organisierte die Initiative Geschlecht zählt einen bundesweiten Protest, der anderthalb Jahre dauern und am Ende zum Erfolg führen sollte. Bereits im Einspruchsverfahren wurden
zentrale Forderungen durchgesetzt. Es brauchte aber noch ein Beschwerdeverfahren und die Vertretung durch einen neutralen Sachverständigen, damit der VDI auch von der unhaltbaren rechtlichen Begründung seiner Neufassung abrückte. Das Ergebnis ist ein Erfolg für die Frauenrechte in einer Zeit, in der sich immer mehr Männer Zugang zu Frauenräumen verschaffen.
VDI positionierte sich gesellschaftspolitisch, ohne Folgen für Frauen und Mädchen zu beachten
In den Entwürfen für seine Neufassung der Richtlinie VDI 6000 nahm der VDI grundlegende Änderungen vor und positionierte sich damit parteiisch im Sinne der Lobbyorganisation Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti). Dabei machte er sich nicht nur deren Forderungen zu eigen. Für seine Empfehlungen übernahm er auch unreflektiert und ungeprüft deren faktenwidrige Argumentation. Damit hätte der VDI befördert, dass geschlechtergetrennte Sanitärräume für Frauen und Männer vor allem bei Neubauten zur Ausnahme und Unisextoiletten zur Regel würden.
Nicht einmal angedacht hatte der Normenverein, was dieses Vorgehen für die Interessen und die Sicherheit von Frauen und Mädchen bedeutet, die sich „geschlechterunspezifische“ Sanitärräume „grundsätzlich“ mit Männern hätten teilen sollen. Die negativen Erfahrungen mit Unisextoiletten aus anderen Ländern, die dem VDI aufgezeigt wurden, ignorierte dieser stoisch.
Bei rechtlicher Argumentation lenkte Verein erst in letzter Instanz ein
Die Geschäftsordnung des VDI sieht vor, bei neuen oder zu ändernden Richtlinien der interessierten Öffentlichkeit eine Einflussnahme zu ermöglichen. Dafür gibt es zwei Instanzen: das Einspruchs- und bei Nichteinigung das Beschwerdeverfahren. Im Beschwerdeausschuss dürfen, anders als in Einspruchsitzungen, die Beschwerden nicht von den Personen vertreten werden, die sie eingelegt haben. Dafür muss eine „neutrale“ sachverständige Person benannt werden, die nicht am Einspruchsverfahren beteiligt war.
Schon die Einsprüche, mit denen der VDI nach dem Aufruf von Geschlecht zählt „geflutet“ wurde, führten zu wesentlichen Änderungen, die unten näher erläutert werden. Dennoch beharrte der Verein weiter auf der faktenwidrigen rechtlichen Begründung der Neufassung der Richtlinie. Dies ließ darauf schließen, dass den zuständigen VDI-Mitarbeitern die nötige professionelle Distanz zum Narrativ der Transgender-Lobby abhandengekommen war.
Daher legten Geschlecht zählt und zahlreiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter, darunter die Europäische Gesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit e.V., letztendlich Beschwerde beim VDI ein und engagierten als ihren sachverständigen Vertreter den Rechtsanwalt Jonas Jacob.
Geändert: Die faktenwidrige Begründung der Neufassung
In Blatt 1, dem Grundlagenteil der Richtlinienreihe, sind die prinzipiellen Anforderungen an Ausstattung und Ausführung von Sanitärräumen definiert. Die Folgeblätter (2-7) beschreiben Sanitärräume für unterschiedliche Nutzungszwecke.
Im Grundlagenblatt lautete die ursprüngliche Begründung für die Neufassung der Richtlinienreihe:
„Mit der Einführung des dritten Personenstands durch den Gesetzgeber sind neue Konzepte für Sanitärbereiche erforderlich. Es empfiehlt sich die Berücksichtigung im Rahmen eines Universal Design.“
In den Einsprüchen wurde gefordert, diese rechtlich inkorrekte Begründung zu streichen. Allerdings wurde diese Passage im Einspruchsverfahren, in dem die dgti den VDI weiter beriet, zunächst nur wie folgt geändert:
„Durch das Gebot der Gleichbehandlung (AGG) sowie Gesetzesänderungen, z. B. im Personenstandsrecht, wächst der Bedarf an weiterentwickelten Konzepten für Sanitärbereiche.“
Fakt ist jedoch: Weder das Personenstandsrecht noch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erfordern eine Neuregelung für Sanitärräume.
Noch bis ins Beschwerdeverfahren weigerte sich der VDI, diesen inkorrekten Satz zu streichen. Erst dort kam es über den sachverständigen Vertreter der beschwerdeführenden Seite, Rechtsanwalt Jonas Jacob, zu der „gütlichen Einigung“, die Passage wie folgt zu formulieren:
„Durch das Gebot der Gleichbehandlung wächst der Bedarf an weiterentwickelten Konzepten im Sanitärbereich.“
Diese Aussage bezieht sich in ihrer geänderten Form nun nicht mehr auf die ursprünglich genannten Gesetze, von denen behauptet wurde, sie erforderten neue Konzepte für Sanitärbereiche mit „geschlechterunspezifischer Nutzbarkeit“.
Die Aussage liest sich jetzt bezogen auf den Kontext, in dem sie steht und in dem es heißt: „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in der Gesellschaft gewinnt die Barrierefreiheit an Bedeutung, dem ist durch die Berücksichtigung barrierefreier Gestaltung Rechnung zu tragen.“ Und weiter: „Es muss darauf geachtet werden, dass die Nutzung der Sanitärbereiche allen Personen möglich ist. Kognition, Motorik, Sensorik, Größe und Kraft sind bei allen Nutzern und Nutzerinnen unterschiedlich.“
Aufgehoben: Manipulative Verknüpfung von Barrierefreiheit mit geschlechterunspezifischer Nutzbarkeit
Der VDI hatte argumentiert, Menschen „nicht-binären Geschlechts“ erlebten die Diskriminierung eines „Zwangsoutings“, wenn sie in der Öffentlichkeit „in Frauenkleidung das WC für Herren aufsuchen“. Daher werde in der Neuauflage der Richtlinie nicht mehr von „einer binären, paritätischen Geschlechteraufteilung“ ausgegangen, die Sanitärräume in Frauen-, Männer- und barrierefreie Toiletten gliedere. Dies hatte der verantwortliche Mitarbeiter in einem Interview mit dem Beuth Verlag geäußert, der die Richtlinien des VDI vertreibt (heute DIN Media), und sich damit auf das AGG bezogen.
Dementsprechend war im Grundlagenblatt unter der Überschrift „Universal-Design (generationsübergreifende Nutzung und Komfort)“ die Barrierefreiheit manipulativ mit „geschlechterunspezifischer Nutzbarkeit“ verbunden und empfohlen worden:
„Öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärbereiche sind grundsätzlich so zu gestalten, dass Zugang und Nutzbarkeit für alle Personen gegeben sind. Dies beinhaltet insbesondere Barrierefreiheit (siehe auch VDI 6008) und geschlechterunspezifische Nutzbarkeit.“
Den Einsprüchen folgend strich der VDI die „geschlechterunspezifische Nutzbarkeit“. Nun finden sich unter der modifizierten Überschrift „Universal Design (Nutzbarkeit für alle Menschen)“ diese Erläuterungen:
„Öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärbereiche sind grundsätzlich so zu gestalten, dass Zugang und Nutzbarkeit für alle Personen gegeben sind.“
„Für Gebäude bestimmter Nutzungen (z.B. Arbeitsstätte, Versammlungsstätte) sind nach Geschlechtern getrennte Toiletten gesetzlich vorgeschrieben. Es können zusätzlich geschlechterunspezifische Toiletten vorgehalten werden.“
„Gegebenenfalls sind Notrufeinrichtungen vorzusehen.“
Ein Überbleibsel der ursprünglichen Formulierung verschob der VDI unter die Überschrift „Bedarf an sanitärer Ausstattung“. Dort werden einige für den Bedarf wesentliche Merkmale aufgelistet, zum Beispiel Verweildauer, Gleichzeitigkeiten oder Komfortanforderungen in Sanitärräumen. Dem Merkmal „Geschlechterverteilung“ wurde hinzugefügt:
„Die in Blatt 2 bis Blatt 7 angegebenen Bedarfszahlen basieren auf der Annahme einer paritätischen binären Geschlechterverteilung. Ist zu erwarten, dass der Nutzerkreis der Anlagen davon abweicht, sind die Bedarfszahlen in Abstimmung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entsprechend anzupassen.“
Entfernt: Verbindung von Universal Design und „Diversität“ für öffentliche Toiletten
Im Entwurf von Blatt 7 zu öffentlichen Sanitärräumen war der Abschnitt zu den „Anforderungen besonderer Personengruppen“ überschrieben gewesen: „Universal Design/Diversität“, gefolgt von dem Hinweis „Siehe VDI 6000 Blatt 1“. Mit dem Verweis auf das Grundlagenblatt hätte „Diversität“ als „geschlechterunspezifische Nutzbarkeit“ das gleiche Gewicht wie Barrierefreiheit erhalten.
Zu den besonderen Personengruppen gehören mobilitätseingeschränkte Personen, Kinder und Personen anderer Kulturkreise. Aus der manipulativen Verknüpfung von Barrierefreiheit und Diversität wäre also zum Beispiel gefolgt, dass Frauen und Mädchen aus einem Kulturkreis mit strikter Geschlechtertrennung sich „grundsätzlich“ hätten öffentliche Toiletten mit Männern teilen sollen. Was dies u. a. für deren gesellschaftliche Teilhabe bedeutet hätte, war dem VDI offenbar keinen Gedanken wert gewesen.
Den Einsprüchen folgend strich der Verein die Ergänzung „Diversität“ in der Überschrift. Nach wie vor wird zwar auf das Grundlagenblatt verwiesen, in diesem hat der Begriff „Universal Design“ nun jedoch keinen Bezug mehr zu „geschlechterunspezifischer Nutzbarkeit“, sondern zu Barrierefreiheit.
Gestrichen: Verstoß gegen Versammlungsstätten-Verordnung
Die Versammlungsstätten-Verordnungen der Länder schreiben getrennte Toilettenräume für Frauen und Männer vor. Dagegen verstoßen hätte die Empfehlung einer „grundsätzlichen“ geschlechterunspezifischen Nutzbarkeit für öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärbereiche im Grundlagenblatt 1. Um diese Rechtswidrigkeit wissend, hatte der VDI im Blatt 4 zu Sanitärräumen in Versammlungsstätten und -räumen unter dem Abschnitt „Zusammensetzung des Nutzerkreises“ geschrieben:
„Die VStättVO der Länder gehen derzeit noch von einer binären, paritätischen Geschlechteraufteilung aus. Diese Richtlinie weicht mit Blick auf Universal Design (siehe VDI 6000 Blatt 1) von dieser Annahme ab.“
Dieser Hinweis wurde wie in den Einsprüchen gefordert gestrichen.
Sex statt Gender in der englischen Fassung
Die Richtlinien des VDI werden deutsch-englisch ausgefertigt. Im Entwurf der englischen Fassung der VDI 6000 war „Geschlecht“ durchgängig inkorrekt mit „gender“, also „Geschlechtsrolle“, übersetzt worden. Im Beschwerdeverfahren wurde die Übereinkunft erzielt, dass „Geschlecht“ generell korrekt mit „sex“ für das (körperliche) Geschlecht übersetzt wird.
Für die Achtung der Frauenrechte ist diese Korrektheit bei technischen Normen nicht nur für die deutsche Gesetzgebung bedeutsam, die häufig auf die Normen des VDI und des Deutschen Instituts für Normung (DIN) verweist. Über das DIN finden VDI-Richtlinien auch Eingang in die Standards des Europäischen Komitees für Normung (CEN).
Bilanz des Protests
Der Widerstand hat sich gelohnt. Die Begründung für die Neufassung der VDI 6000 und die darin enthaltenen Empfehlungen haben nun nicht mehr die Narrative der Transgender-Lobby zur Grundlage. Eine „geschlechterunspezifische Nutzung“ von Toiletten wird nicht mehr „grundsätzlich“ empfohlen. Stattdessen wird nun explizit darauf hingewiesen, dass solche WCs zusätzlich zu den nach Geschlechtern getrennten vorgehalten werden können.
Die Begründung der Neufassung der VDI bezieht sich jetzt auf ein Gebot der Gleichbehandlung im Kontext des „demografischen Wandels in der Gesellschaft“, bei dem auch das Statistische Bundesamt von Frauen und Männern spricht.
Festzuhalten bleibt, der renommierte Regelsetzer VDI stellte sich selbst ein Armutszeugnis aus. Erst in Verhandlungen mit der neutralen Vertretung der beschwerdeführenden Seite rückte er davon ab, mit einer faktenwidrigen Begründung der Neufassung weiter die persönlichen Bedürfnisse einer Personengruppe zu bedienen, die ca. 0,6 % der Gesamtgesellschaft ausmacht. Dabei war sogar das Präsidium des VDI von Beginn an auf genau diese Problematik hingewiesen worden. Zudem war der VDI über das allgemeine Thema „Zutritt von Männern zu separierten (Schutz-)Räumen für Frauen“ umfassend informiert worden, um das es im ursprünglichen Neuentwurf der sog. Toilettenrichtlinie gegangen war.
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