Verdrängung im öffentlichen Raum

„Die Gestaltung verweist auf eine bestimmte Idee vom öffentlichen Raum, die man als zweite Generation der "Defensiven Architektur" bezeichnen kann“.
„Die Gestaltung verweist auf eine bestimmte Idee vom öffentlichen Raum, die man als zweite Generation der „Defensiven Architektur“ bezeichnen kann“.

Der öffentliche Raum ist ein umkämpftes Gebiet, wo unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und verschiedene Interessen aufeinandertreffen. Das schlägt sich auch bei der Gestaltung neuer Plätze nieder. Gelsenkirchen ist seit Jahren Experimentierfeld für Stadtumbau und ein Spielfeld für die Stadtplaner. Derzeit wird in der Innenstadt viel Erde bewegt, es werden neue Bänke aufgestellt und Plätze umgestaltet. Dabei scheint es, dass nicht alle Menschen in der neuen City willkommen sind.

„Die Aufwertung des Erscheinungsbildes und Steigerung der Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes soll durch eine einheitliche Gestaltung des Innenstadtbereiches vom Bahnhof bis zum Musiktheater auf Grundlage eines Gesamtgestaltungskonzeptes erreicht werden“, sagt Dorothee Thierse vom Stadtumbaubüro West. „Das Corporate Design wurde in Abstimmung mit lokalen Akteuren und den politischen Gremien von einem Planungsbüro entwickelt“. Dazu gehören auch Sitzmöbel vom „Typ Gelsenkirchen“, wobei die Hocker mit 995 Euro und die Bänke mit 2100 Euro zu Buche schlagen. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 12 Millionen Euro und werden zu 80 Prozent über das Programm „Stadtumbau West“ finanziert – die restlichen 20% der Kosten trägt die Stadt Gelsenkirchen. Wirklich bequem sind die Sitze aus Stahlrohren nicht und die fest verschraubten Bänke machen es nicht möglich, dass sich hier Menschen treffen und so etwas wie Kommunikation entsteht.

Frank Eckardt kommt aus Gelsenkirchen und ist jetzt Professor an der Bauhausuniversität in Weimar. Sein Schwerpunkt ist die Stadtforschung: „Die Gestaltung verweist auf eine bestimmte Idee vom öffentlichen Raum, die man als zweite Generation der „Defensiven Architektur“ bezeichnen kann. Die erste Generation hat noch sehr offenkundig verhindern wollen, dass bestimmte Menschen sich längerfristig auf den öffentlichen Plätzen aufhält. Diese Generation ist da subtiler“. Von den Verantwortlichen seiner Heimatstadt hätte er andere Konzepte erwartet: „Zudem entspricht sie in der Form und Ästhetik einem bestimmten Lebensstil und Werten, die in Gelsenkirchen eigentlich wenige Menschen vertreten. Komfort und Aufenthaltsqualität wären eigentlich eher Gestaltungswerte, für die ich Konsens erwarten würde“.

Die Stadtplaner in Gelsenkirchen haben für sich immer in Anspruch genommen, dass die Bürger an der Planung beteiligt werden – dazu zählen auch die Geschäftsleute in der unmittelbaren Nachbarschaft. Axel Oppermann‎ hat bei facebook seine Kritik geäußert: “ Wir haben zwei Baumreihen mit Einzelsitzen und -Hockern, die so angeordnet sind, dass sie sicherlich einer Kommunikation nicht zuträglich sind. Vielleicht will man das ja auch nicht, vielleicht will man keine Verweildauer im Schatten der noch kahlen Bäume“. Der Optiker hat sein Geschäft in der angrenzenden Fußgängerzone: „Das Sitzmöbel assoziiere ich irgendwie automatisch mit dem Begriff „Holzkohle“. Warum nicht ein paar nette Bänke zw. den Bäumen, wo man sich gegenübersitzt, Schatten und Gespräche genießt. So eine Art „Mini-Rambla“ funktioniert im Süden, aber auch bei unseren französischen Nachbarn hervorragend“.

Die Städte haben in der Vergangenheit zahlreiche Instrumente und Gestaltungsmaßnahmen entwickelt, um missliebige Gruppen aus den attraktiven Bereichen der Stadt zu verdrängen. Zu den unerwünschten Gruppen im öffentlichen Raum gehören in der Regel Bettler, Obdachlose, Konsumenten von Drogen, Arbeitslose mit eingeschränkten Konsummöglichkeiten und auffällige Jugendliche. Laut einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) gab es 2014 bundesweit 335.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung – seit 2012 ist dies ein Anstieg um etwa 18 %. Die BAGW befürchtet bis 2018 einen weiteren Anstieg um 200 000 Menschen auf dann 536 000 Wohnungslose. Dazu passt die Meldung vom Jahresanfang, dass in einigen Städten im Ruhrgebiete preiswerte Wohnungen fehlen und hier die Mieten weiter ansteigen. Nach dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands muss jeder fünfte Einwohner des Ruhrgebiets mittlerweile zu den Armen gerechnet werden.

„Beim Thema Sitzbänke gehen die Meinungen sehr weit auseinander“, weiß auch Oberbürgermeister Frank Baranowski. „Die einen möchten gerne mehr Bänke und die anderen schreiben mir, dass sie nicht wollen das da jemand den ganzen Tag sitzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in verschiedenen Straßen noch Sitzbänke errichten“. In einem Interview für das „Bürgerradio 50plus live“ hat er sich ausführlich zu den Konflikten im öffentlichen Raum geäußert. „Was ich ungern möchte, dass die Anwohner mir am nächsten Tag schreiben: Die Sitzbänke müssen sie wieder versetzten. Diesen Mittelweg müssen wir finden, zwischen den berechtigten Interessen von älteren Menschen, die dort Rast machen wollen und denen die sagen, bitte nicht vor meiner Haustür“.

Der amerikanische Soziologe Mike Davis hat in den 90er Jahren in seinem Buch „City of Quartz“ die ersten Maßnahmen städtischer Verdrängungspolitik beschrieben: „Eine sehr verbreitete, aber unglaubliche Abschreckungsmaßnahme ist die neue faßförmige Busbank des Rapid Transit District, die nur noch eine minimale Oberfläche zum unbequemen Sitzen und überhaupt keine Möglichkeit zum Schlafen mehr bietet. Diese „pennersicheren“ Bänke werden überall an den Rändern von Skid Row eingeführt“. Skid Row ist ein Stadtteil von Los Angeles und weist die größte Konzentration von Obdachlosen in den USA auf. Die Versuche hier Abhilfe zu schaffen, waren nicht erfolgreich. L.A. ist mit 3,9 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Vereinigten Staaten und es gibt hier etwa 23 000 Obdachlose. Die meisten leben in Skid Row, wenige Gehminuten von den eleganten Läden und teuren Restaurants entfernt. „Pennersichere“ Bänke hat man in Gelsenkirchen nicht aufgestellt, aber von einer Aufenthaltsqualität für alle Bürger ist man dennoch weit entfernt.

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Franz Przechowski
Franz Przechowski
8 Jahre zuvor

Zugegeben: Beim ersten Anblick der neuen Möbelierung im öffentlichen Raum, wie im Foto zu sehen, war ich über das Design, was jedem Anspruch an Ästhetik und Ergonomie vermissen lässt, kopfschüttelnd verärgert. Das völlig unmotiviert "G"-Logo als Relief im Sockelbereich angebracht, schien mir sogar der Gipfel der Stilunsicherheit zu sein. Hauptsache ein Logo! Wie albern! Mein subjektiver Gesamteindruck zur Möbelierung lässt sich mit kalt, unnahbar, nicht einladend schnell erfassen. Zu diesem Zeitpunkt war mir die hier beschriebene Problematik des "bewußten Entfremdens" des Innenstadtbereiches überhaupt nicht bewußt. Unter dieser Prämisse möchte ich der Stadtverwaltung das 100%ige Erreichen der Zielvorgabe bescheinigen. Kein Mensch wird hier verweilen wollen. Kein Mensch? Also auch der "normale" Mensch, sprich ehrlicher Bürger, nicht? Da frage ich mich aber, warum 12 Mio. Euro für etwas ausgegeben wird, was von niemanden genutzt werden soll oder wird. Die Vorschläge des örtlichen Einzelhandels zur Gestaltung einer lebenswerten Fläche waren vorhanden. Aber man mißt der passiven Vertreibung von unliebsamen Zeitgenossen eine höhere Bedeutung zu. Was soll das für ein Unsinn sein? Na gut, an dieser Stelle ist man Kummer bei der Stadtplanung und vielen Baugenehmigungen gewohnt. Zu guter Letzt möchte ich doch noch einmal das Auge des Designers auf die "Möbel" werfen. Selten so gelacht, als ich lesen muß, daß die Folterkammermodelle auch noch den Namen "Modell Gelsenkirchen" tragen. Das suggeriert eine individuelle Einzelanfertigung (…was ich nachvollziehen möchte, weil sonst niemand auf der Welt so etwas seinen Bürgern zumuten will). Es suggeriert aber auch die schöpferische Arbeit eines kompetenten Produktdesigners, was ich mir nun wirklich nicht vorstellen kann. Ich vermute es ist das Werke eines handwerklich arbeitenden Metallbaubetriebes, der eben "so macht, daß es passt", aber weder Sinn für Ästhetik noch eine Ahnung von Ergonomie hat. Meine langjährige Zusammenarbeit mit bundesweit ansässigen Metallbauunternehmen inspiriert hierzu mein Bauchgefühl. Für 12 Mio. Euro Budget bekommt man entweder eine höhere Stückzahl der Scheußlichkeiten oder ein deutlich besseres Design. Dafür gibt es ungefähr 1.001 Beispiele. Man muß sich nur bemühen.

der, der auszog
der, der auszog
8 Jahre zuvor

Im Allgemeinen sind alle Sitzmöbel was für den Arsch; der Typ GELSENKIRCHEN darüber hinaus auch im Speziellen.

GELSENKIRCHEN – Stuhl für Hartz Vier. Voll Kraft und Zauber.

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Man wird gut Fahrräder daran anketten können. Aber sonst?
Ehrlich gesagt, gefällt mir im direkten Vergleich sogar Schalke 04 besser.
Die wirken wärmer, sogar die Fans. Im direkten Vergleich natürlich.

der, der auszog
der, der auszog
8 Jahre zuvor

@Helmut

Vergiss das mit den Fahrrädern. In Gelsenkirchen fährt man Auto oder schwarz mit Bus und Bahn. Die einzigen, die Radfahren, sind die örtlichen Kommunalpolitiker, wenn sie sich mit Mitgliedern vom ADFC zum Fototermin bei der lokalen Presse treffen um sich im Interview dann gegenseitig von der Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt zu überzeugen, deren spärlich gesäten Radwege wenigstens genauso löchrig sind, wie die übrigen Straßen auch.

ich finde allerdings die Assoziation von diesem Optiker Oppermann nicht schlecht, der an Holzkohle denkt, wenn er die Sitzmöbel sieht. Würde man Holzkohle unter die Stühle schieben, hätte man vermutlich astreine Grills. Der Gelsenkirchener bräuchte dann nicht mehr bis an den Rhein-Herne-Kanal fahren, sondern könnte schön zentral inmitten der City sein Bauchfleisch brutzeln. Und zum Sitzen nimmt er einfach die mitgebrachte Bierkiste. Fertig. Aus der ehemalige Stadt der 1000 Feuer wird dann die Stadt der 1000 Grills, was wesentlich eher der Wirklichkeit entspricht und zudem noch an alte Traditionen anknüpft, als diese Schnapsidee mit der Solarstadt.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

Die Hölle hat für einige hier einen Namen: Gelsenkirchen. Die Rivalitäten im Pott scheinen noch ausgeprägter zu sein als die zwischen Frankfurt und Oxxenbach

Walter Stach
Walter Stach
8 Jahre zuvor

Thomas Weigle,
die Sicht auf die Dinge verändert sich bekanntlich mit dem Wechsel des Standortes und mit Unterschieden in der subjektiven Wahrnehmung dessen was ist.

Wenn Du z.B. von einem Standort außerhalb des Ruhrgebietes, z.B. von Ostwestfalen aus, auf das Ruhrgebiet blickst, nicht auf seine einzelnen Teile ,, könnte es sein, daß Du dann z.B. bezogen auf die Ge- bzw. Ausgestaltung des öffentlichen Raumes mit (Sitz-) Möbeln, mit (Kunst-)Mobiliar, mit "sonstiger Kunst" eine ähnliche Vielfalt, eine vergleichbare Veschiedenartigkeit in Quantität und Qualität feststellst, wie wir sie aus anderen Ballungsräumen/Ballungszentren/Metropol-Regionen/Metropolen kennen…………GE = Tottenham, DO=Chelsea, Essen = …. als Städte (formal als Stadteile im Großraum London) oder GE = Kreuzberg, DO =………?????
(Diese "Verschiedenartigkeit gilt auch für die Bratwurst, in Sonderheit für Curry-Wurst -sh.-5-, für ihre Qualität, für den Verkaufsort -WürstchenBude; Würstchen-Stand, mobiler Verkauf mittels…., für ihren Verkauf im Fußballstadion und -sh.die Thematik hier- auch dafür, was am sich und um den Würstchen Stand "im öffentlichen Raum" an Mobilar (Tische, Stühle, Bänke)- möglicherweise als gedacht …..finden läßt.)

So gesehen und so wahrgenommen könnte sich dann eine Bewertung, eine Beurteilung dessen, was sich im GE als Bestandteil eines Großen und Ganzen, nämlich der Metropole Ruhrgebiet tut, ändern- bezogen auf Mobilar im öffentlichen Raum und auf…….zB.die Bundesligisten im Revier, die Theater im Revier, die Konzerthallen im Revier, Arbeit und Freizeit im Revier, die Politik im Revier und vor allem auf die Menschen in der Metropole Ruhrgebiet.

(Ich hoffe, daß ich mit meinem Hinweis n i c h t wieder die Diskussion darüber anzettele, ob die kommnale/regionale Wirklichkeit des Großraumes London bzw. die von Berlin auf das Ruhrgebiet übertragen werden darf oder gar deren kommunale Verfaßheit de jure auf das Ruhrgebiet übertragen werden könnte oder sollte.

Zugleich hoffe ich, daß ich mit meinen Beispielen niemand herausgefordert habe mir zu bescheinigen, daß ich " von den Realitäten keine Ahnung" habe, wenn ich GE mit Tottenham oder Kreuzberg oder DO mit…….vergleiche.
Um Beides geht es mir nicht, sondern nur darum, gegenüber Thomas Weigle anzudeuten, daß, evtl. denkbare Veränderungen der Sichtweise sein "Urteil" über GE, über Rivalitäten im Pott (mit)bestimmen könnten.

Walter Stach
Walter Stach
8 Jahre zuvor

Berichigung:
Im dritten Absatz fehlt im letzten Satz hinter dem Wort gedacht das Wort Kunst.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

@Walter Stach Das Ruhrgebiet habe ich eigentlich immer als faszinierende Region erlebt, denn ich habe u.a. in Dortmund studiert. Der einzige Ort, der mich wirklich erschreckt hat, war das "Zentrum" von Oer-Erkenschwick. Schrecklich!!. Was Rivalitäten angeht, finde ich diese eher amüsant, bin mit einer solchen, nein, nicht F vs. OF, sondern zwischen zwei Ortsteilen in meiner Geburtsstadt aufgewachsen. Die Bemerkung, dass die Hölle einen Namen hat, konnte ich mir daher einfach nicht verkneifen.

Walter Stach
Walter Stach
8 Jahre zuvor

Thomas Weigle,
Neid, Konkurrenz, Wettkampf – und nicht immer ein fairer- sind offenkundig besonders ausgeprägt in der familiären Verwandtschaft, zwischen Ortsteilen in den Städten, zwischen benachbarten Kommunen, nicht nur, aber vor allem auch dann, wenn sich die Nachbarn sportlich duellieren. Das kann im Ruhrgebiet nicht anders sein. Ob das bei uns im Revier außergewöhnliche Ausmaße hat, weiß ich nicht; ich vermute nein.

Also entspricht es es wohl den Selbstverständlichkeiten im Miteinander der Menschen und der Städte, daß man sich in DO freut -zumindest seine Schadenfreude nicht immer zu leugnen vermag-, wenn in GE 'was schief läuft – kulturell, sportlich…..- und daß man sich zh.B.als BVBer freut, wenn………..l
Solange das alles "maßvoll" geschieht, solange dabei kein Hass zu spüren ist (zwischen den Menschen und zwischen den politischen und administrativen Akteuren in den Städten) , solange läßt sich damit alltäglich im Revier gut leben. Ich denke, die meisten von uns Revierbürgern würden etwas vermissen, wenn es nicht so wäre, z.B. auch einen Streit um die "beste" (Aus-)Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Raumes in den Städten des Reviers, dann und wann sogar einhergehend mit Häme gegenüber dem Anderen bzw. gegenüber der anderen Stadt.

PS
Oer -Erkenschwick……
Das sog. Zentrum ist in den letzten Jahren neu gestaltet worden. Mir scheint, daß es nicht mehr "so schrecklich" ist wie bis in die 1990 Jahre.
Als Bürger aus der benachbarten Kleinstadt Waltrop bin ich aber immer noch der Auffassung, daß "mein " Waltrop nach wie vor im Vergleich mit Oer-E. ein gefälligeres (ein schöneres ) Bild der Innenstadt vorzuweisen hat. Und diese meine Auffassung hat eben auch mit dem zu tun, was ich ganz allgemein zum Umgang und zur Wertschätzung unter Nachbarn angemerkt habe.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

@Walter Stach "Bei allem, was man erlebt hat: Die im Westen, besonders im Kohlenpott, hielten eigentlich immer zusammen, wenn sie einem der ihren helfen konnten. Unsere Unentschieden bei den Aufstiegsspielen kann man deshalb nicht hoch genug einschätzen. Da mußtest du kerngesund sein, durftest keine Angst haben und Fußball wurde dazu auch noch gespielt." ( Höhlenglut an Himmelfahrt, S 32, Essen 1990) Diese Bemerkung der Offenbacher Fußballlegende Hermann Nuber ist zwar tw. falsch, denn da in jeder Gruppe immer nur ein Westverein war, konnte somit eine "Hilfe" gar nicht stattfinden. Er zeigt aber, wie der Westen im restlichen Fußballdeutschland wahrgenommen wurde.
Allerdings darf ich hier noch erwähnen, dass S04 61 in der DM-Endrunde ein Heimgruppenspiel in
Dortmund austrug, Schalke in Dortmund für seine Meisterschaften besonders gefeiert wurde und die Spieler sich ins goldene Buch eintragen durften.
Auch zu Oberligazeiten soll es diese Ruhrpottsolidarität gegeben haben, so wurde RWE 55 durchaus als "unser Meister" im Pütt angesehen.

der, der auszog
der, der auszog
8 Jahre zuvor

@Thomas Weigle (#6)

In einer sozialdemokratischen Erbmonarchie, bei der tatsächlich auch 2/3 des Wahlvolkes hinter ihrem König stehen, ist Rivalität nicht vorgesehen. Aber mal Scherz beiseite:

In der letzten Woche erschien wieder eines dieser Rankings, in dem Gelsenkirchen absolutes Schlusslicht ist und zwar der aktuelle Armutsbericht der paritätischen Wohlfahrtsverbände. Gelsenkirchen hat eine der höchsten Armutsquoten in Deutschland. Fast jeder vierte Gelsenkirchener ist Hartz4-Empfänger, Tendenz steigend. Bislang hat sich von Seiten der Politik nur die Linke zu diesem negativen Spitzenplatz geäußert, was allerdings auch nicht weiter verwundert, weil Gelsenkirchen in den meisten bundesweiten Vergleichen weit hinten liegt und das einzige Ranking, das von allen wirklich ernst genommen wird, die aktuelle Bundesligatabelle ist.

Sicherlich spiegelt sich die steigende Armut auch im Stadtbild wieder und in der Wahrnehmung der Menschen, welche die Innenstadt bevölkern. Wer im Sommer kein Geld für die Kneipe oder den Biergarten hat, und das werden in Gelsenkirchen immer mehr, kauft sich sein Bier unter Umständen im Supermarkt um die Ecke und wird es vielleicht auf einer städtischen Bank konsumieren. Gleich zu gleich gesellt sich gern und schon hat man vereinzelte Gruppen, die von anderen als störend empfunden werden könnten.

Sitzmöbel wie der "Typ Gelsenkirchen" wirken dem natürlich entgegen. Die Armut verschwindet zwar nicht, wenn Sitzbänke nicht besetzt werden, aber sie ist nicht mehr an jeder Ecke der Innenstadt sichtbar. Das Oberbürgermeister bei seiner Entscheidung von einem Mittelweg spricht und so eine Art Kompromiss suggeriert, ist natürlich völliger Quatsch, denn die alte Menschen, die er da als Beispiel anführt, werden auf diesen unbequemen und kalten Hämorridenrosten aus Edelstahl sicherlich genauso wenig Platz nehmen, wie Penner oder Punks. Diese Sitzmöbel sind einfach nicht zum Verweilen konzipiert.

Eine Bank oder ein Sitzmöbel definiert sich aber durch ihre/seine Funktionalität und nicht durch sein Aussehen. insofern liegt der Verdacht nahe, dass es sich beim "Typ Gelsenkirchen" nicht um Bänke, sondern unter Umständen um Kunst im Öffentlichen Raum handelt, frei nach René Magritte und in Anlehnung an den Verrat des Bildes:
"Ceci n`est pas une banquette", was übersetzt ungefähr soviel heißt wie: Diese Bank kannste inne Pfeife rauchen.

Falls sich wer für den Armutsbericht interessiert:
http://www.der-paritaetische.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&g=0&t=1457531828&hash=0ce610ca15b9e2cc37c46e37f724d3934165682a&file=fileadmin/dokumente/2016_armutsbericht/ab2016_komplett_web.pdf
Zahlen für das Ruhrgebiet gibt es in Tabelle 5, Seite 21

Franz Przechowski
Franz Przechowski
8 Jahre zuvor

# der, der auszog

Treffer – versenkt!

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Mich wundert, daß diese Grillbänke 12 Millionen Euro gekostet haben sollen. Was kann man nicht alles für 12 Millionen Euro kriegen? Fragt da in GE keiner nach? Selbst wenn 80% der Knete von woanders herkommt? Ja, wenn so ein Stuhl 8 Meter hoch wäre, könnte ich das verstehen. Aber nur normale Grillhöhe?

Walter Stach
Walter Stach
8 Jahre zuvor

-11-Thomas Weigle,

das ist eine der Ruhrgebietsmythen.
Diese gilt es wie alle Mythen kritisch zu hinterfragen.

Als Ruhrgebietler -nach Geburt und bisherigem Lebensweg- habe ich jedoch gar keinen Anlaß, den Mythos einer "verschworenen Gemeinschaft der Malocher aus der Stahl- und Bergbauindustrie" kritisch zu hinterfragen einschließlich der Mythen über das besondere Gemeinschaftsbewußtsein der Menschen in den sog. Bergarbeiterkolonien und hinsichtlich der vorgeblichen Solidarität
zwischen……z.B. dem BVB, S04, RWE, Ro-Weiß Oberhausen und anderen.
Solche Mythen können ja durchaus prägend sein für das Jetzt und das Hier im Ruhrgebiet, und
vermitteln vor allem Außenstehenden das Bild von der Einzigartigkeit des Reviers und seiner Menschen. Das schadet weder den Menschen im Revier noch seinem Image.

DER, DER……-12-
1,
ein Blick in die US-Regionen, die aus welchen Gründen auch immer einer radikalen De-Industrialisierung ausgesetzt waren bzw. noch ausgesetzt sind oder ein Blick in vergleichbare Regionen in Großbr. oder in Frankreich zeigt ein Bild, das sich in vielem mit dem über das Ruhrgebiet, jedenfalls mit dem Bild über einige Teilregionen des Reviers bzw. über einige städt. Quartiere ähnelt. Und in den betr.US-Regionen haben nie Sozialdemokraten oder Sozialisten politische Macht ausgeübt und das gilt auch, jedenfalls z.Teil, für die betr. Regionen in Frankreich oder in GB.

2.
Wenn wir über "Armut im Ruhrgebiet" diskutieren muß in diese Diskussion einbezogen werden, daß es -z.B. auch in GE- wohlhabende Menschen mit einem weit überdurchschnittlichem
Einkomenn gibt, daß es dort "vor Wohlstand strotzende Quartiere"gibt, daß es dort eine
selbst im internationalen Vergleich vorzeigbare "Hoch-"kultur gibt, daß dort oftmals Kunst präsentiert wird -auch im öffentlichen Raum-, die jährlich tausende Menschen ins Ruhrgebiet reisen läßt (und das trotz oder wegen "sozialdemokratischer Herrschaftsstrukturen" über X-Jahrzehnte!?).

Allerdings zeigt sich im Ruhrgebiet in besonders krasser Form, was substantiell in dieser unserer Gesellschaft "total falsch läuft", jedenfalls für mich als Sozialdemokraten, nämlich eine immer weiter auseinander driftende Zweiklassengesellschaft. Wir haben darüber gestern/vorgestern hier bei den Ruhrbaronen diskutiert u.a. am Beispiel Essen -Essener Norden, SPD-Essen, Quartiere für Flüchtlinge und anhand des Wortes "Wir" mit einschlägigen Bemerkungen von Helmut Junge.
Jedenfalls zeigt mir die hier laufende Diskussion über " Möbel im öffentlichen Raum" , über "Bestuhlungen im öffentlichen Raum in GE" geradezu exemplarisch , wieweit entfernt "man" sein kann bzw. wieweit entfernt "man" ist von den Sorgen und Problemen, die z.B.
6o % -plus X" der Bürgerschaft in GE tagtäglich bedrücken und belasten. Zwei-Klassengesellschaft !!

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