Vor ein paar Monaten habe ich über einen Chemieunfall an der Ruhr berichtet, bei dem die Staatsanwaltschaft Hagen ermittelte. Damals war die Chemikalie Sulfolan im Trinkwasserfluss festgestellt worden. Rund vier Tonnen des Stoffes sollen in die Lenne und dann weiter in die Ruhr geflossen sein. Sulfolan gilt als gesundheitsgefährdend, wenn es verschluckt wird. Die Chemikalie kann akute oder chronische Gesundheitsschäden hervorrufen. Damals wurde Sulfolan im Trinkwasser aus mehreren Wasserwerken an der Ruhr nachgewiesen. Die Belastung im Trinkwasser lag etwa am Wasserwerk Mülheim bei bis zu 15 Mikrogramm je Liter in der Spitze. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR), Hansjörg Sander, sagte mir damals, die nachgewiesenen Konzentrationen im Trinkwasser hätten keinen Anlass zur „akuten Sorge“ gegeben. Allerdings sei es bedenklich, dass so ein Stoff in die Ruhr gekippt werden könne, der durch alle Filter bis in die Tasse Morgenkaffee durchschlägt.
Und wie sich jetzt herausstellt, ist das Verklappen nicht einmal illegal. Mir liegt ein Vermerk der Staatsanwaltschaft Hagen vor, aus dem hervorgeht, dass die Firma Lobbe nicht strafrechtlich belangt wird. Dabei hatte diese Firma die Verantwortung für die Gifteinleitung. Im Einstellungsbescheid heißt es:
Die Firma Lobbe betreibt eine Abfallentsorgungsanlage, zu der auch eine chemisch-physikalische Aufbereitungsanlage gehört, deren Abwasser mit Genehmigung in die Kanalisation eingeleitet wird."
Die Staatsanwaltschaft kommt zu dem Schluss, dass damit auch die Sulfolan-Einleitungen in die Ruhr OK waren. Es seien aufgrund der Genehmigung keine "wasserrechtlichen Pflichten" verletzt worden. Zudem sei auch kein Schaden entstanden und es habe auch keine unmittelbare Gefahr bei "Trinkwassernutzern" bestanden – obwohl Grenzwerte überschritten worden seien.
Ich frage mich bei diesem Urteil zwei Dinge:
a) Warum werden solche Gifteinleitungen zugelassen? Das Umweltministerium hat nach dem Wassergesetz die Macht, Schadstoffeinträge minimieren zu lassen. Die entsprechenden Genehmigungen können also geändert werden.
b) Darf jetzt jeder Müllentsorger ungestraft sein Gift in die Kanäle ablassen?
Sulfolan gilt als schwach wassergefährdender Stoff, zu dem das Umweltministerium einen Grenzwert von 34 µg/l angibt. Damit ist der zitierte Spitzenwert von 15 µg/l weniger als halb so hoch.
Man auch hier nur wieder Paracelsus zitieren: „Allein die Menge macht das Gift“, und „Alle Dinge sind Gift und nichts ohne Gift“.
In jedem Frühstücksei finden sich Spuren von Dioxin, an jedem Geldschein kleben winzige Mengen von Kokain. Trotzdem wird dadurch niemand geschädigt, weil diese Mengen verschwinden gering sind.
Ich will das nicht als Panikmache abstempeln, aber ein Skandal ist was anderes…