Ein beschämendes „Glanzstück“ in der Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Wuppertal abgelegt. Von unserem Gastautor Daniel Pichler.
Bei der Premiere des vom Medienprojekt Wuppertal produzierten Aufklärungsfilms „Das braune Chamäleon“ war es am 30.11.2010 im Foyer des örtlichen Cinemaxx-Kinos zu einem Reizgas-Angriff auf das Publikum gekommen. Zwei Security-Mitarbeiter mussten im Krankenhaus behandelt werden. Des Weiteren warfen die vermummten Täter Steine und andere Gegenstände gegen die Hausfassade. Noch am selben Abend nahm die Polizei zwar 13 Neonazis in Gewahrsam.
Doch jetzt hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal alle Verfahren eingestellt mit der billigen Begründung, dass es sich um „ein Tumultgeschehen“ gehandelt habe, „welches nicht näher aufklärbar“ sei. Besonders skandalös: Keiner der mehr als 50 Zeugen im Kinofoyer wurden von Polizei und Staatsanwaltschaft zur Tat vernommen.
Das Medienprojekt warnt vor einer gefährlichen Signalwirkung:
„In Wuppertal wächst zur Zeit eine organisierte rechtsextreme Szene. Mittlerweile kommt es regelmäßig zu Delikten durch diesen Personenkreis und Wuppertal-Vohwinkel ist mittlerweile eine Hochburg der militanten Rechten in NRW. Der o.g. Vorfall fand Erwähnung im Verfassungsschutzbericht des Landes, und es gibt ein erhebliches öffentliche Interesse an einer Aufklärung. Das politische Signal, das von der Einstellung des Verfahrens ausgeht, ist verheerend. Für die Neonazis hingegen ist es eine Bestätigung, dass solche kriminellen Aktionen in aller Öffentlichkeit juristisch folgenlos bleiben und jederzeit in ähnlicher Form wiederholt werden können.“
Laut WZ hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren wegen des Naziüberfalls auf das Cinemaxx Anfang Dezember 2010 – ermittelt wurde u.a. wegen Landfriedensbruchs – eingestellt: „weil die Angreifer damals vermummt waren, sei es nicht möglich zu klären, wer was getan hat“. Mit der Einstellung des Verfahrens haben sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet.
Nicht nur das Wuppertaler Medienprojekt ist entsetzt und prüft rechtliche Schritte.
Bis zum heutigen Tag, so unsere heutigen Nachfragen beim Medienprojekt und anderen Zeug*innen, hat die Polizei auf ordentliche Zeug*innenvernehmungen verzichtet, obwohl ein Nazi, der unvermummt Pfeffergas gegen die Kino-Besucher*innen eingesetzt hatte, vom Sicherheitsdienst überwältigt werden konnte und der Polizei übergeben wurde. Es wurden weder Fotos zur Wiedererkennung der Täter den Zeugen vorgelegt, noch ernsthaft der Tathergang rekonstruiert. Ernsthafte Strafverfolgung sieht sicherlich anders aus. Die Frage ist natürlich, warum die Wuppertaler Polizei so offensichtlich dilettantisch (nicht) ermittelt? Die Frage, ob sie wieder V-Leute im Einsatz hatten, muss vor dem Hintergrund des Brandanschlags von Solingen 1993 – wo dies im direkten Umfeld der Täter der Fall war – erlaubt sein.
Möglicherweise müssen die Betroffenen zu einem Klageerzwingungsverfahren greifen, um den Wuppertaler Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft zur Wiederaufnahme der Ermittlungen zu zwingen. Auch im Landesparlament sollten wir, bzw. die Wuppertaler Abgeordneten, diese merkwürdige Strafvereitelung im Amt offensiv hinterfragen!
@#1 | Mina K.:
„Es wurden weder Fotos zur Wiedererkennung der Täter den Zeugen vorgelegt“
Wenn die Täter , bis auf einen, vermummt waren, hätte das doch garkeinen Sinn gemacht !!! Daher kann ich die Einstellung schon verstehen, auch wenn es nicht schön ist, aber was soll man denn sonst machen ?
@#2, Fragender:
Naja, auch wenn man das Gesicht nicht erkennt, lassen sich anhand der Kleidung durchaus bestimmte Personen wiedererkennen. Daneben muss eine Vermummung nicht immer eine Vermummung sein.
Sieht mir eher nach großer Unlust aus, die Arbeit zu erledigen, für die die Damen und Herren von der Staatsanwaltschaft und der Polizei bezahlt werden.
@#2: Also ich bin jetzt kein studierter Kriminologe, darf aber doch eine gewisse Dienstsorgfaltspflicht erwarten. Sei es eine direkte Zeugenbefragung vor Ort und anschließender Abgleich von Wiedererkennungsmerkmalen mit den verhafteten Subjekten. Die werden ja nicht zufällig am Abend in Gewahrsam genommen worden sein. Alibi? Auch wenn jetzt nicht jeder einzelne Angriff 1:1 nachgewiesen werden kann, müsste doch zumindest die Beteiligung am Angriff nachverfolgbar sein. Weitere Argumente für eine Verurteiliung s.#1
das alle vermummt waren ist Unsinn! Einer der Täter, der Pfeffergas einsetzte, konnte sogar von der Security festgehalten werden und wurde der Polizei übergeben. Auch ist offensichtlich aus den Akten verschwunden.
Der Hauptskandal ist aber, dass Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft bis auf kurze Vernehmungen in der Nacht, keine Zeugen mehr gesucht und vernommen haben. Normalerweise, z.B in einem Fernseh-Tatort der ARD werden Zeugen nach der Tat zeitnah auch mal mit Bildern der festgenommenen Verdächtigen konfrontiert.
Ganz offensichtlich hat die Staatsanwaltschaft kein politisches Interesse…
aber sie rudern jetzt – von der Öffentlichkeit erwischt- ein wenig zurück siehe der neue Artikel aus der WZ..
Reizgas-Angriff: Medienprojekt setzt auf neue Zeugen
Von Andreas Spiegelhauer WZ
Die Staatsanwaltschaft soll überzeugt werden, die Ermittlungen zum Fall Cinemaxx wieder aufzunehmen.
Extremismus
Tatort Cinemaxx: Am Abend des 30. Novembers sollen mehrere Neonazis vor der Vorführung eines Aufklärungsfilms über Rechtsextremismus im Foyer Reizgas versprüht haben.
Wuppertal. Am 30. November des vergangenen Jahres wurden im Cinemaxx-Foyer mehrere Besucher eines Aufklärungsfilms des Medienprojekts über Neonazis angegriffen. Reizgas wurde versprüht. Es gab mehrere Leichtverletzte. 15 Personen, die der Staatsschutz dem rechtsextremen Spektrum zurechnet, wurden vorübergehend festgenommen (die WZ berichtete). Ende September bestätigte die Staatsanwaltschaft auf WZ-Nachfrage, dass das Verfahren eingestellt worden ist. Man könne keinem der Verdächtigen – sie sollen vermummt gewesen sein – konkret eine strafbare Handlung zuordnen.
Staatsanwaltschaft will Beweismittel prüfen
Jetzt kommt doch noch einmal Bewegung in den Fall. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigt, hat das Medienprojekt über eine Rechtsanwältin angekündigt, mehrere Zeugen der Reizgas-Attacke namentlich benennen zu können. Am Donnerstag gab es ein entsprechendes Gespräch zwischen der Anwältin und dem zuständigen Oberstaatsanwalt.
Seitens der Ermittlungsbehörde hieß es am Freitag, man werde jede Art von neuen Beweismitteln prüfen und dann entscheiden, ob die Ermittlungen – unter anderem wegen Landfriedensbruchs – wieder aufgenommen werden. Eine zeitliche Frist für die Vorlage der Zeugenliste gibt es nicht.
Wie die WZ berichtete, waren nach dem Reizgas-Überfall im Cinemaxx mehrere Personen vorübergehend festgenommen worden, die seitens der Polizei der neuen Neonaziszene in Vohwinkel zugerechnet werden.
Parallelen zwischen Cinemaxx-Fall und Schlägerei in Vohwinkel
Bei Wiederaufnahme der Ermittlungen könnte der Cinemaxx-Fall für das Verfahren zur Prügelei von Neonazis mit Personen des linken Spektrums am Vohwinkel-Wochenende eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Wie berichtet, wird im Vohwinkeler Fall unter anderem gegen einen 26-Jährigen wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung ermittelt. Der Mann gehörte auch zu den Cinemaxx-Verdächtigen.
@#5: „Normalerweise, z.B in einem Fernseh-Tatort der ARD…“
Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas, Danke für den Lacher am Morgen 🙂
@#5 | Mina K.:
„Normalerweise, z.B in einem Fernseh-Tatort der ARD werden Zeugen nach der Tat zeitnah auch mal mit Bildern der festgenommenen Verdächtigen konfrontiert. “
Ohjee….es handelt sich hier um etwas Reizgas und nicht um Mord. 😉
Eine Einstellung ist in solchen Fällen eher normal, zumal eine Einstellung KEIN Freispruch bedeutet, und die Ermittlungen sofort wieder aufgenommen werden, sobald neue Indizien vorliegen.
Haben Sie sich denn schon bei der Polizei für eine Aussage gemeldet ? Auch können Sie selbst eine Anzeige aufgeben, der nachgegangen werden MUSS.
Nur im Internet meckern, reicht aber nicht !!!
Das deckt sich mit dem Verhalten der Staatsanwaltschaft in Dortmund: ein dutzend Angriffe auf die Hirsch Q und es gibt kein ersichtliches Verfolgungsinteresse. Nach der Veröffentlichung eines Überwachungsvideos (https://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,768415,00.html) , das den Skindhead-Überfall vom Oktober letzen Jahres dokumentiert, herrschte kurz Aufregung bei der Staatsanwaltschaft. Es wurde beteuert, dass nun endlich was geschieht. Mit Abflauen des Medienrummels kam anscheinend auch das Verfolgungsinteresse wieder zum Erliegen.
Woran mag das liegen? Zu faul oder überarbeitet? Verschwörung 🙂 ? Wird das alles unter „wundersame Welt der Extremisten“ abgebucht? Hat die Staatsanwaltschaft bzw. Polizei Angst vor den Nazis? Anscheinend ist es auch so, dass sich niemand innerhalb der Behörden positiv profilieren kann, indem er/sie aktiver gegen Nazis vorgeht.
Auf die Nazisszene in Dortmund wirkt das Versagen der Justiz und Polizei zumindest motivierend. Nicht umsonst haben die sich genau in Dortmund eingerichtet.
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