Die Verkehrswende ist das große Ziel vieler Politiker der verschiedensten Parteien. In Bremen kann man sich eine ihrer skurrilen Varianten anschauen.
Es gibt jetzt in Bremen drei Radfahrwege nebeneinander. Das ist wirklich wahr! Es gibt an der Altstadtgrenze „Am Wall“ einmal oben einen alten schönen Radweg unter Bäumen und dann gibt es unten parallel einen wunderschönen Radweg durch die Parkanlagen. Dank der Grünen haben wir jetzt „Am Wall“ aber noch einen dazu bekommen. Der befindet sich direkt neben dem alten oben. Dafür hat die Verkehrssenatorin der Grünen den Autos eine Gegenspur weg genommen. Der Radweg ist allerdings häßlich und vollkommen unnütz. Deswegen fährt dort auch so gut wie niemand.
Warum das gemacht wurde ist unklar. Es soll wohl ein Teil eines sogenannten „Premium“ Radwegs sein. Was das genau ist, wo er verläuft und wie er aussieht, ist nicht ganz klar, da er zum Beispiel nicht gekennzeichnet ist. Es steht zu vermuten, dass es hier auch nicht so sehr um das Befinden der Radfahrer geht, sondern um Autos, die man gerne los werden möchte. Wie dann Menschen, die ein Auto benötigen, in die Innenstadt gelangen, ist den Grünen Wurst. Die Klage der Geschäfte, was den Besucherschnitt betrifft, ist groß. Denn dieser sei laut der Geschäftsinhaber in letzter Zeit immer schlechter geworden. Statt dessen fahren die Leute in die Einkaufszentren am Rande der Stadt. Natürlich mit dem Auto, wie sollten die da sonst auch hingelangen und die eingekauften Waren und Familienmitglieder transportieren. Dementsprechend gibt es dort auch großzügig gestaltete Parkplatzflächen, im Gegensatz zur Bremer Innenstadt.
Nicht unweit des Schildbürgerstreiches, gibt es eine der wenigen Brücken über die Weser. Ob da zum Beispiel die Premiumroute verläuft, so der offizielle Name, ist nicht bekannt. Jedenfalls geht es da zu wie im Irrenhaus. Und zwar wie in einem gefährlichen. Aus allen vier Himmelsrichtungen treffen dort Elektroroller, Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger in Massen aufeinander. Ist es für Autofahrer noch recht übersichtlich, wissen Radfahrer, Rollerfahrer und Fußgänger oft nicht in welche Richtung sich jemand bewegt, wer Vorfahrt, wer grün und wer rot hat. Eine vor langer Zeit geplante Entlastungsbrücke über die Weser für die Pedalisten und E-Mobilisten wurde bis heute nicht gebaut. Nun wäre das alles nicht ganz so schlimm, wenn es unter den Radfahrern keine Irren geben würde, mal von den Scooterfahrern abgesehen, die meinen sich jenseits der Verkehrsregeln durchwuseln zu können.
Und die werden immer mehr, immer schneller und immer rücksichtsloser. Jedenfalls im Sommer, wenn das Wetter schön ist, holen sie ihre Räder aus den Kellern oder Garagen und düsen damit rum. Besonders auffällig sind Männer zwischen 30 und 50. Behelmt und mit teuren Elektrobikes bewaffnet, erreichen sie Geschwindigkeiten von über 40 km/h. Die müssen natürlich ausgenutzt werden und zwar völlig egal, wie sich die Verkehrssituation grade darstellt. Schließlich haben sie kein Kennzeichen am Rad und ein Helm auf dem Kopf, was anscheinend hemmungsloser macht. Obwohl sie bei einem von ihnen verursachten Unfall genauso zur Rechenschaft gezogen werden wie ein Autofahrer. Hoffe ich jedenfalls.
Nun ist das Wetter wieder schlechter und sie werden wieder weniger. Wie die dann zur Arbeit oder von A nach B kommen ist unbekannt. In Straßenbahnen oder Bussen sieht man sie nicht. Da fährt der Pöbel mit. Also werden sie wohl wieder mit ihren Limousinen und SUVs durch die Gegend gondeln. Das merkt man dann auch an der Zunahme des Auto- und der Abnahme des Radverkehrs im Herbst.
Zu allem Unbill sind in diesem Jahr auch noch die Lastenfahrräder hinzu gekommen, die von den Grünen gefördert werden. Das heißt, der Staat schießt ordentlich beim Kauf dieses teuren Ungetüms dazu. Dementsprechend findet eine explosionsartige Vermehrung der Drahtesel statt. Was ja wiederum auch nicht so schlimm wäre, gäbe es dafür ausgelegte Fahrradwege, also mehr Platz für sie. Denn die Kisten sind dermaßen raumeinnehmend, dass es schwierig wird an ihnen vorbei zu kommen. Hinzu kommt, dass ihre Besitzer nicht wirklich Firm im Umgang mit den schweren Geräten sind und deshalb recht unberechenbare Bewegungen veranstalten. Für ihre Unterbringung müssen ihre Eigentümer sehr viel Raum zu ebener Erde zur Verfügung haben. Aus einem Keller oder Wohnung heraustragen, wie übliche Räder, lassen sie sich nicht. Sprich, Menschen in normalen Mietshäusern können sie sich nicht leisten. Ich jedenfalls wüsste nicht, wo ich diesen SUV unter den Bikes unterstellen sollte. Schon etwas älteren Datums war der E-Roller Schock. Plötzliche kurvten die auch noch auf den knapp bemessenen Fahrradwegen herum. Und manchmal wurden Roller einfach mitten auf den Radweg abgestellt.
Wohlgemerkt sprach ich vom Bereich der prestigeträchtigen, teuren und öffentlichkeitswirksamen Innenstadtbereiche, in denen es sich hübsch wohnen lässt. Kommt man in die Bezirke außerhalb der City werden die Radwege meist immer schäbiger, wie die Wohnviertel. Sie werden aber auch schmaler oder hören plötzlich einfach auf. Enden auf der Straße, auf dem Fußweg oder im nirgendwo. Eine besonders gefährliche Strecke verläuft im Westen der Stadt. Dort wird der einzige Radweg für beide Richtungen so schmal, dass zwei Räder kaum aneinander vorbeikommen. Gleichzeitig donnern riesige Lastwagen aus den Häfen kommend direkt an dem Pfad vorbei. Zum Glück ist mir dort noch nie eins dieser Lastenräder entgegen gekommen. Warum sich die Fahrradlobbyisten in Bremen für so etwas nicht interessieren bleibt mir ein Rätsel. Statt dessen werden Quatsch-Aktionen inszeniert. Kürzlich wurde die Hochstraße am Bahnhof gesperrt und Fahrradfahrer durften einmal drüber fahren. Die fühlten sich ganz toll dabei. Schon vor fast 50 Jahren versuchten Bremer Bürger das Betonungeheuer mitten durch die Häuser zu verhindern – zurecht. Im Grunde müsste man diese städtebauliche Katastrophe aus der Zeit der Neuen Heimat abreißen. Zumal die Autobrücke eine Broken Windows Area geschaffen hat. Tut in Bremen aber niemand.
Beliebt ist auch einfach Striche auf der Straße zu ziehen, die dann Fahrradwege markieren sollen. Das heißt in Wirklichkeit mit Hilfe der Fahrradspuren einfach nur den Verkehr auszubremsen, da die Autos nun nicht mehr so einfach an den Rädern vorbei kommen. Jedenfalls wenn sie den vorgeschriebenen Abstand einhalten. Das tun aber viele nicht und so kommt es für die Radler zu sehr gefährlichen Situationen. Um die Autofahrer zu erziehen, hat die grüne Verkehrssenatorin Schilder aufstellen lassen, die das nun verdeutlichen sollen. Was wiederum zum berühmten Schilderwald beiträgt, durch den spätestens jetzt kein Mensch mehr durchsteigt. Mittlerweile hat wohl auch die Senatorin verstanden, welchen Bärendienst sie ihrem angenommenem Klientel damit erwiesen hat und lässt die Striche teilweise wieder entfernen. Dabei ist die Lösung ganz einfach. Man öffnet die Straße für Fahrräder und Autos, ohne blödsinnige Markierungen auf der Fahrbahn. Die kommen schon klar, ist meine Erfahrung. Erst recht, wenn man in diesen Straßen Tempo 30 einführt. Das sollte dann auch für beide Parteien gelten. Und man muss auch keine teuren Radwege bauen und Parkflächen verkleinern. In einigen wenigen Straßen Bremens gibts das immerhin. Natürlich kann man das nicht überall machen.
Dass es den Grünen also nicht nur um die Räder geht, sondern auch um die Vertreibung des Autos mit Hilfe der Fahrräder, wird noch an einem andren Beispiel deutlich. So werden im „Viertel“ immer mehr Parkplätze vernichtet, in dem man „Fahrradanlehnbügel“ an Parkplätzen verbaut. Zwei Fahrradbügel, gleich ein Parkplatz weniger. Was ja wiederum auch noch einigermaßen in Ordnung wäre, wenn sie genutzt würden. Aber soviel Räder gibt es gar nicht, so dass die Bügel einfach nur leer und sinnlos herumstehen. Zudem wurden sie so gestellt, dass sie möglich viel Platz wegnehmen. Hauptsache Autos können dort nicht mehr stationieren.
Und noch einen Punkt macht das deutlich. Unter Verkehrswende verstehen viele die Umstellung von Verbrenner- auf Elektroautos. Nicht so die Grünen, sie wollen das Auto eigentlich lieber zum Verschwinden bringen. Denn statt der Bügel hätte man an der Stelle auch hervorragend Ladestationen errichten können. Eigentlich ist es aber auch klar: Würden alle jetzt existierenden Verbrennerfahrzeuge auf Elektro umgestellt werden, würde das Stromnetz kollabieren und erst recht, wenn, wie gewollt, alles vorwiegend nur noch von Erneuerbaren gespeist würde und alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind. Deshalb müssen die Autos im Grunde genommen verschwinden.
Ein Ansatz ist die Autofreie Innenstadt. Die jedenfalls ist in Bremen eigentlich schon seit Jahrzehnten ziemlich autofrei, jedenfalls was den Stadtkern, die historische Altstadt betrifft. Aber nun gut, da geht noch was, muss sich die Senatorin gedacht haben und machte viel Geld locker, um das sogenannte Experiment Martinistraße zu starten – Transformartini genannt. Für acht Monate wurde eine der Bremer Hauptverkehrsadern am Rande der Altstadt für alle Fahrzeuge, außer Räder, gesperrt und statt dessen Blumenkübel, seltsame Holzkonstruktionen und unbequeme Holzmöbel aufgebaut und Rasen verlegt. Sogar eine Anlage für Wellenreiter aufgestellt und allerlei anderer Krimskrams, inklusive irgendwas mit Kultur veranstaltet.
Insgesamt ein Flop, denn die meisten Bremer nahmen den Unsinn nicht an, sondern schüttelten nur den Kopf und zeigten den Politikern den Vogel. Höhepunkt der ganzen Veranstaltung war, als ein „Gutachten“ auftauchte, dass das Ganze als Erfolg verkaufte. Wie sich herausstellte war das Gutachten bestellt und viele Bremer hatten endgültig die Schnauze von der Bremer Verkehrswende voll.
Dazu sollte man wissen, dass die Martinistraße, keine hübsche Straße, sondern eine breite Allee ohne Bäume, samt mehr oder weniger hässlicher, hoher Gebäude ist. Dabei gibt es in der Tat tatsächlich noch Bereiche in der erweiterten Innenstadt, wie dem wunderbaren Viertel, die man sehr gut und sinnvoll fahrzeugfrei gestalten kann. Dort geschieht allerdings nichts. Außer, dass man die Hauptkreuzung an einigen Wochenenden mit Verkehrsschranken absperrt, um dort angebliche „Autoposer“ vom Posen abzuhalten. Bei mir schleicht sich eher der Verdacht ein, dass man Türken und Araber aus den Migranten- und Arbeitervierteln nicht haben möchte, die mit ihren BMWs durch das grüne Viertel cruisen.
Die Martinistraße hat jetzt übrigens vier Radwege, zwei parallel auf jeder Seite. Der ursprüngliche, breite und gut befahrbare und nun auch noch einen auf einer der jeweiligen Autospuren parallel. Das Ende vom Lied ist, dass sich die Autos stauen und deshalb die Fußgängerüberwege blockieren und ab und zu gegen die neu aufgestellten Poller knallen, da die übrige Fahrbahn nun gefährlich verengt ist. Wenn man aus dem Parkhaus mit dem Auto auf die Martinistraße fährt, weiß man nicht mehr wo es eigentlich lang geht.
Jetzt könnte man natürlich denken, die Maßnahmen würden zumindest dazu führen, dass die Leute sich Gedanken machen, ob sie ein Auto überhaupt brauchen. So wie der Autor, der keins besitzt, weil es für ihn überhaupt keinen Sinn macht, da er in der Innenstadt wohnt. Das Gegenteil ist aber der Fall. Es werden immer mehr Autos in Deutschland angemeldet, natürlich auch in Bremen. Insofern ist zumindest die Bremer Verkehrswende schon im Ansatz gescheitert. Die Lehre die man daraus ziehen könnte, wäre zu überlegen was zu tun ist, um die Stadt zumindest etwas schöner, attraktiver und lebenswerter für alle zu machen. Denn das Auto kann tatsächlich auch dazu beitragen das angenehme Leben zu verhindern.
Dazu müsste man allerdings verstehen, dass es im Prinzip keinen wirklichen Widerspruch zwischen Mensch und Auto gibt, wie so oft von den Grünen behauptet. Das allein wird deutlich, wenn man beobachtet mit welcher Begeisterung die Menschen das Auto bis heute angenommen und es quasi zu ihrer zweiten Natur gemacht haben. Es entspringt dem Bedürfnis des Menschen nach Individualität, Mobilität, Schutz, Arbeitsersparnis und Geschwindigkeit (Zeitgewinn). Das war schon der Grund dafür Pferde als Reittiere zu zähmen und dann massenhaft überall auf der Welt zu züchten.
Und permanent entwickelt sich das Auto weiter. Es wird ständig sicherer (nach innen und außen), komfortabler, leiser und sauberer. Es gibt auch keinen Gegensatz zwischen Fußgänger, Fahrrad und Auto, wie von den Autogegnern behauptet. Der ist konstruiert. Denn Autofahrer sind auch Radfahrer und Fußgänger und vice versa. Und natürlich sind die Menschen auf das Auto angewiesen.
Wer auf dem Land lebt, weiß das, denn es gibt kaum Alternativen zur „Karre“. Es sind vor allem die grünen Eliten und Aktivisten in den Städten, die ihre realitätsfremde Utopie einer autofreien Welt zu erzwingen versuchen. Und natürlich müssen zum Beispiel Lebensmittel und Waren in die Städte gebracht werden. Das geht nur mit Lastern und nicht mit Lastenrädern. Besonders verrückt mutet das alles an, wenn man weiß, dass Bremen das zweitgrößte Mercedeswerk der Welt besitzt und Abhängig von der Prosperität der Autofabrik ist.
Mittlerweile nehmen Verkehrsunfälle mit Rädern zu. Was, wie wir gesehen haben, auch kein Wunder ist. Die Fahrräder und Autos nehmen ebenfalls zu und ihr Raum kaum. Auf Sicherheit für Fahrradfahrer wird dabei kaum geachtet. Bei den Grünen gibt es eine seltsame Verhaltensweise. Bevor es eine Alternative gibt, schlägt man los, sobald man die Macht dazu besitzt. Kraftwerke werden abgeschaltet, obwohl niemand weiß woher die Energie für das Industrieland so schnell herkommen soll. Fahrradfahren wird gefördert, obwohl es dafür kaum angemessene Radwege gibt. Vieles steht nur auf dem Papier. Autos sollen verschwinden, obwohl es keinen Ersatz für sie gibt und der öffentliche Nahverkehr dafür nie richtig ausgebaut wurde. Und er wird auch nie jedes Dorf auf dem Lande angemessen versorgen können. Das wäre vollkommen unbezahlbar für die Gemeinschaft.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in der 8. Klasse einen Verkehrsfragebogen von meinem Lehrer bekam. Er wurde an alle Bremer Schulen verteilt. Dort gab es offene und geschlossene Fragen. Ich war sehr genervt davon, dass von der Stadt nicht darauf geachtet wurde, dass Bordsteinkannten die Fahrradfahrer behinderten. Was ich in den Fragebogen notierte. Irgendwann wurden flächendeckend Bordsteinkannten abgesengt. Ich war bestimmt nicht der einzige, der auf das Problem, dass jeden Radfahrer im Grunde gestört hat, aufmerksam gemacht hat. Ich denke diese Aktion der Stadt war großartig, denn sie hat die Erfahrung der Menschen mit dem Verkehr einbezogen und pragmatisch umgesetzt. Woher die heutige Verkehrssenatorin ihre kruden Ideen hat, steht zu vermuten. Ideengeber sind vermutlich Lobbyorganisationen wie der ADFC und einzelne Fahrradaktivisten und Autohasser. Ihre Vorstellungen entstammen Utopien. Und so werden Verkehrskonzepte am grünen Tisch entwickelt. Das funktioniert in der Theorie ganz hervorragend, ist aber in der Realität ein Desaster.
Der Autor dieses Artikels besitzt kein Auto und ist seit gut 55 Jahren unfallfrei fast jeden Tag mit dem Fahrrad in Bremen unterwegs und fährt zum Teil weite Strecken quer durch die ganze Stadt. Allerdings nutzt er für die Arbeit ab und zu einen PKW oder Lastwagen aus guten Gründen. Was er nun in der Stadt Bremen erlebt, erinnert ihn an das Schildbürgertum und lässt ihn an diesem „Dorf mit Straßenbahn“ zweifeln. Noch nie hat er sich als Radfahrer so gefährdet gefühlt wie heute.